Wegen Intransparenz bei rechtswidrigen Inhalten: Facebook soll zwei Millionen Euro Bußgeld zahlen

Facebook ist bei seinem Vorgehen gegen Hass im Netz intransparent, kritisieren die deutschen Behörden. Das soziale Netzwerk löscht vor allem nach eigenen Regeln und verweigert genaue Angaben in seinen Berichten. Nun hat das Bundesamt für Justiz ein Bußgeld verhängt.

Fußabdrücke
Straftaten im Netz hinterlassen oft keine Fußabdrücke. Facebook löscht lieber, statt den Behörden Meldung zu machen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com James Haworth

Das Bundesamt für Justiz hat Facebook wegen Verstößen gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ein Bußgeld von zwei Millionen Euro aufgebrummt. Facebook führe in seinen Transparenzberichten nach dem NetzDG nur einen Bruchteil der Beschwerden über rechtswidrige Inhalte an, klagt das Bundesamt in einer Pressemitteilung.

Das NetzDG richtet sich gegen strafbare Inhalte im Internet. Das Gesetz zwingt soziale Netzwerke in Deutschland dazu, alle „offenkundig rechtswidrigen“ Beiträge von Nutzern, etwa solche mit hetzerischen Inhalten, binnen 24 Stunden zu löschen. Auch müssen die Firmen Berichte über die Löschung und Sperrung von Inhalten vorlegen. Das Gesetz wurde Anfang 2018 wirksam, allerdings fehlte zunächst eine rechtliche Grundlage für Bußgelder. Der Höchstrahmen liegt nun bei 50 Millionen Euro bei systematischen Verletzungen.

Umstrittene Moderation

Facebooks Content-Moderation steht immer wieder in der Kritik. Das soziale Netzwerk löscht die meisten Hasskommentare nicht als Verstöße gegen deutsches Recht, sondern nach seinen eigenen Gemeinschaftsregeln. Laut Facebooks Bericht gab es etwa in der zweiten Jahreshälfte 2018 nur rund 500 Beschwerden wegen illegaler Inhalte, obwohl das Netzwerk in Deutschland viele Millionen Nutzer hat.

Im Vergleich hatten die Konkurrenten Youtube und Twitter über gemeldete Inhalte in sechsstelliger Höhe berichtet. Kritiker fürchten, dass echte Straftaten – etwa Holocaust-Leugnung – strafrechtlich nicht geahndet, sondern lediglich gelöscht werden. Die Rechtsdurchsetzung werde durch Facebooks Haltung schleichend privatisiert.

Das Bundesamt für Justiz bemängelt, dass Facebook zwei verschiedene Meldewege für Beschwerden eingerichtet habe, „nämlich einen Flagging-Meldeweg und ein sogenanntes NetzDG-Meldeformular“. Letzteres ist aber sehr versteckt. Wenn Nutzer strafbare Inhalte melden wollen, werden sie zum Flagging-Meldeweg gedrängt, wo die Verstöße nach den Gemeinschaftsregeln von Facebook überprüft werden.

Das macht eine politische Bewertung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes schwierig, da sich das Ausmaß hetzerischer Inhalte auf der Plattform kaum einschätzen lässt. „Die veröffentlichten Angaben ergeben kein schlüssiges, transpa­rentes Bild der Organisation und der Prozessabläufe beim Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte“, schreibt das Bundesamt.

„Facebook steht nicht über deutschem Recht“

Die neue Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht zeigte sich erfreut über das Vorgehen des Bundesamtes. „Es muss klar sein: Die so genannten ‚community standards‘ von Facebook stehen nicht über dem deutschen Recht“, sagte Lambrecht nach Angaben eines Sprechers. „Wenn Nutzer strafbare Inhalte melden, muss die Erfassung und Bearbeitung dieser Beschwerden nach den Vorgaben des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfolgen. Beim Kampf gegen strafbare Inhalte darf nichts unter den Teppich gekehrt werden. Ich erwarte von Facebook Transparenz und ein klares Bekenntnis zu den gesetzlichen Vorgaben.“

Der Fall macht deutlich, dass Facebook trotz einer PR-Offensive noch immer mit Problemen im Umgang mit Hass im Netz zu kämpfen hat. Der Konzern beschäftigt in Deutschland über externe Firmen hunderte Mitarbeiter, die Inhalte moderieren. Hoher Druck ist dabei an der Tagesordnung, die Abläufe entziehen sich der öffentlicher Kontrolle, wie eine Recherche von netzpolitik.org im April zeigte.

Der WDR hatte bereits im April berichtet, das Bundesamt bereite erstmals eine Klage gegen ein soziales Netzwerk vor. Dabei gehe es um mindestens 100 Fälle von Hasskommentaren, die trotz Aufforderung nicht entfernt worden seien. Dabei handelt es sich jedoch um ein anderes Verfahren, stellte das Bundesamt auf Anfrage klar.

Der Bußgeldbescheid ist noch nicht rechtskräftig, Facebook kann dagegen Einspruch einlegen. Der Konzern wollte sich aber zunächst nicht darauf festlegen. „Wir sind zuversichtlich, dass unsere veröffentlichten Berichte nach dem NetzDG mit dem Gesetz in Einklang stehen, aber wie viele Kritiker hingewiesen haben, gibt es einige Bereiche, wo es dem Gesetz an Klarheit fehlt“, schrieb ein Facebook-Sprecher auf Anfrage. „Wir werden die Bußgeld-Verständigung sorgsam analysieren und behalten uns die Möglichkeit eines Einspruchs vor.“

Update vom 2. Juli 2019: Die Stellungnahme des Facebook-Sprechers und des Bundesamts für Justiz wurden nachträglich hinzugefügt.

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