Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Mit dem Inkrafttreten des 22. Rundfunkstaatsvertrages am 1. Mai diesen Jahres werden die öffentlich-rechtlichen Anstalten erstmals ermächtigt, Angebote primär für das Netz zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist aber zunächst die Verabschiedung eines Telemedienkonzepts. „Telemedien“ ist das rundfunkrechtliche Wort für Internet bzw. Online-Angebote.
Bis zur jüngsten Gesetzesänderung durften öffentlich-rechtliche Angebote im Internet eigentlich nur Anhängsel des linearen Programms sein: Jedes Online-Angebot musste einen sogenannten Sendungsbezug aufweisen, also einer konkreten Fernsehsendung zuzuordnen sein.
Unter der neuen Rechtslage ändert sich das grundlegend. Nicht nur dürfen Mediatheken jetzt untereinander Inhalte verlinken, es gibt jetzt auch die rechtliche Möglichkeit, reine Online-Angebote zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist aber, dass Aufsichtsgremien wie Rundfunk- und Fernsehräte einem entsprechenden Telemedienkonzept im Rahmen eines gesetzlich festgelegten Drei-Stufen-Test zustimmen. Dabei wird folgendes geprüft:
- Stufe: entspricht das Konzept den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft?
- Stufe: in welchem Umfang trägt das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb bei?
- Stufe: welcher finanzielle Aufwand ist hierfür erforderlich?
Im Fernsehrat liegt der Schwerpunkt der Beratung ganz klar auf Stufe 1. Für Stufe 2 wurde ein externes Gutachten in Auftrag gegeben und Stufe 3 wird primär im Verwaltungsrat (vor-)entschieden.
Ungenutzte Potentiale öffentlich-rechtlicher Online-Angebote
Mir ging und geht es in den Beratungen zum neuen Telemedienkonzept vor allem um drei Punkte, die mir in den vorliegenden Konzepten zu kurz kommen:
- (Weiter-)Nutzbarkeit als ein Qualitätskriterium für neue Telemedienangebote: neben der inhaltlichen Qualität ist mit der Verwendung von offenen Lizenzen und offenen Formaten ein Mehrwert verbunden, der auch zur Unterscheidbarkeit von öffentlich-rechtlichen und privaten Medienangeboten beiträgt. Lizenzfragen sind eben auch Qualitätsfragen, offene Lizenzen bieten für die Öffentlichkeit einen Mehrwert. Sie erlauben Weiterverbreitung, flexiblere Nutzung und Interaktion. Bislang wird dieser Punkt in den Qualitätskriterien jedoch überhaupt nicht berücksichtigt..
- Rückkanäle etablieren und ausbauen. In obigem Ausschnitt wird die große Bedeutung von Kommentaren als „Rückkanal für die redaktionelle Arbeit“ betont. Allerdings stammt das Zitat aus dem Teil des Telemedienkonzepts zum Thema Drittplattformen wie YouTube oder Facebook. Die Bedeutung der dortigen Rückkanäle anzuerkennen ist zwar begrüßenswert, macht aber das Fehlen entsprechender Angebote und Funktionen im Bereich der eigenen Mediatheken umso deutlicher sichtbar. Hier gilt es deshalb auch Rückkanäle wie Foren oder Bewertungs- und Umfragetools im Rahmen der eigenen (Mediathek)-Plattformen auf- und auszubauen.
- Neue digital-öffentliche Räume schaffen. Eine der größten, bislang ungenutzten Potentiale von reinen Online-Angeboten ist die Möglichkeit, viel breiter und vielfältiger zu werden, als es die engen Grenzen linearer Fernseh- und Radioprogramme erlauben. Online können öffentlich-rechtliche Medien auch Nischen und Minderheiten genauso wie Hoch- und Trashkultur bedienen bzw. dafür digital-öffentliche Räume schaffen. Die Bandbreite reicht dabei von Kooperationen mit Kultur- und Bildungseinrichtungen über Sportverbände bis hin zu Vereinen und Einzelpersonen. Voraussetzung wäre jedoch, standardisierte Beitragsformate und redaktionelle Leitlinien zu erarbeiten, unter denen dann unabhängig von aufwändigen und kostspieligen Einzelfallverhandlungen Inhalte über öffentlich-rechtliche Mediatheken verbreitet werden dürfen.
Allen drei Punkten wird in den Vorberatungen häufig mit dem klassischen Einwand fehlender Finanzierung begegnet. Und natürlich brauchen neue digital-öffentliche Räume neue Formen redaktioneller Betreuung, die Geld kosten. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Möglichkeiten: zusätzliche Mittel oder Umschichtung von linearen in neue Online-Angebote.
Vor allem wenn es um Umschichtungen von Mitteln geht, stößt der bisherige Regulierungsrahmen an seine Grenzen: aktuell dürfen die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht selbstständig entscheiden, beispielsweise einen Spartenkanal einzustellen und mit diesem Geld neue digitale Angebote zu finanzieren. Deshalb braucht das Ausschöpfen neuer digitaler Möglichkeiten nicht nur ambitionierte „Telemedienkonzepte“, sondern auch neuen Regeln für Rundfunkfinanzierung und -aufsicht.
Die Anstalten dürfen nicht entscheiden ob sie Spartenkanäle einstellen… Das stimmt. Aber sie haben trotzdem große Spielräume was die Finanzen angeht. Da stehen sie auch in der Verantwortung. Ob sie hohe Summen für Sportrechte oder für Online Angebote ausgeben liegt an den ÖR und an den Räten die das abnicken. Genauso wenn sie große Summen an Doppelstrukturen wie fast ein dutzend Mediatheken und 100 verschiedener Apps ausgeben und dann kein Geld für ein Rückkanal haben. (Bei den Mediatheken der ARD wird ja jetzt wenigstens langsam etwas konsolidiert) Das liegt an den ÖR und an den Räten. Dafür braucht es keine neue gesetzliche Regeln oder Konzepte.
(Grundsätzlich müssen natürlich Reformen her aber mit dem jetztigen System wäre eine besseres Online Angebot auch möglich – da liegt die Vernatwortung bei den ÖR und den Räten das es nicht so ist)
Dem kann ich durchaus zustimmen. Und mit meinem Artikel sowie entsprehenden Redebeiträgen in Ausschüssen und Plenum versuche ich auch, zumindest der Verantwortung als Fernsehrat gerecht zu werden.