In was für einer Zukunft wollen wir leben? Und wie kommen wir dorthin? Mit diesen Fragen beginnen Julia Schneider und Lena Ziyal ihre Geschichte über die Technologien, die so gerne unter dem Buzzword Künstliche Intelligenz zusammengefasst werden und setzen damit gleich den Ton. Hier wird also nicht nur Anschauungsunterricht zu Algorithmen und maschinellem Lernen geboten. Es geht um das große Ganze, einen Entwurf der Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten wollen.
„KI ist das Material für Terminator-esque Endzeit-Szenarien und ein unsichtbarer, aber sich stetig vergrößernder Teil unseres Alltags“, schreiben sie auf der Webseite zum Comic, das man kostenlos herunterladen oder als gedrucktes Buch kaufen kann. „KI schlägt vor, welche Nachrichten wir lesen, welche Routen wir nehmen und welche unserer E-Mails Spam sind.“ Die Technologie löst viele Ängste aus, sagt Schneider, die als Beraterin arbeitet. Dabei könnte sie der Schlüssel sein, um einige der größten Probleme zu lösen, den Klimawandel oder Finanzkrisen als Kollateralschaden des Kapitalismus etwa.
Diese Ängste soll das Comic-Essay nehmen, indem es die wichtigsten Begriffe und Ideen hinter maschinellem Lernen so erklärt, dass sie alle nachvollziehen können (derzeit ist das Comic allerdings nur auf Englisch zu lesen). Sie nehmen auch den Begriff Künstliche Intelligenz an sich auseinander und die Idee, dass es sich bei den engen, im Grunde recht dummen Systemen, mit denen wir es heute zu tun haben, überhaupt um Intelligenz handelt. Sie erklären die Funktion von Algorithmen, die Bedeutung von Daten und die Geschichte von KI als chronisch überschätzter Forschungsdisziplin. Und sie zeigen ganz praktische Beispiele dafür, wie maschinelles Lernen heute schon zum Einsatz kommt, etwa bei der Berechnung von Routen, der Bilderkennung oder den Vorschlägen auf Netflix.
Utopischer Ausblick
Das alles auf nur 56 Seiten und in starken schwarz-weißen Bildern von Lena Ziyal, die eine Prise feinen Humor über die eher trockenen Fakten stäubt. Bei ihr liegt die KI noch in der Wiege mit Steckdosenanschluss und kommt der Datenschutz in Tuben und Flaschen daher. Auf anderen Bildern tragen Ärztinnen ganz selbstverständlich Kopftuch.
Das ist wohl eine der größten Stärken des Comics: Es ist kurz und unterhaltsam und damit eine Tür, durch die man leicht gehen kann. Denn einen Mangel an Papieren und Richtlinien rund um „Künstliche Intelligenz und Ethik“ gibt es wahrlich nicht. Wöchentlich erscheinen neue Guidelines und Experteneinschätzungen, ob von der High Level Expert Group der Europäischen Kommissionen, der Bertelsmann Stiftung, Unternehmensberatungen oder den Konzernen selbst, die diese Technologien entwickeln. Wer will und kann das alles lesen? Ein Comic, noch dazu unter CC-Lizenz im Netz für alle zugänglich, passt im Zweifel in eine U-Bahnfahrt und erreicht ein anderes Publikum.
Und genau das ist die Idee, wie die beiden bei der Vorstellung ihres Projektes auf der Konferenz republica berichteten. Denn wenn wir uns noch einschalten wollen in die Entwicklungen, die maschinelles Lernen nimmt, dann ist jetzt der Zeitpunkt, sagen Schneider und Ziyal. So schließt ihr Comic auch mit einem Essay rund um das utopische Potential von Maschinen. So naiv zu glauben, dass Technologie gesellschaftliche Probleme alleine lösen könnte, sind die beiden nicht. „Technische Lösungen können bestehende soziale Ungerechtigkeit nicht auflösen, so lange alles bleibt, wie es ist“, schreiben sie zum Abschluss ihres Essays. Sie könnten aber ein Katalysator sein, um über diese Ungerechtigkeiten nachzudenken. Mit Hilfe welcher Daten trainieren wir Algorithmen, so dass sie Diskriminierung nicht verstärken? Wie schützen wir dabei die Privatsphäre? Und wie schaffen wir es, die Teilhabe an demokratischen Prozessen zu vergrößern, statt zu beschneiden?
Diese Diskussionen um die Probleme und Gefahren werden gerade an vielen Stellen geführt. Der utopische Ausblick aber, den dieser Comicessay bietet, der ist eher selten.
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