Serverprobleme im Ministerium: Volksbegehren in Österreich durch IT-Panne gebremst

Zwei regierungskritische Volksinitiativen machen Druck auf die rechte Koalition in Wien. Doch Serverprobleme bremsen seit Tagen das Unterschriftensammeln und das zuständige Innenministerium kann nicht sagen, wann sie behoben sein werden. Die Initiatoren zeigen sich darüber extrem irritiert.

Österreichische Aktivistinnen nach der Unterschrift für das Frauenvolksbegehren CC-BY-ND 2.0 Wiener SPÖ-Frauen

Gleich zwei Volksinitiativen wollen die neue rechte Regierung in Österreich unter Zugzwang setzen. Das Frauenvolksbegehren drängt die Regierung auf Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit, etwa strikte Quotenregelungen in Politik und Wirtschaft sowie mehr Kinderbetreuungsplätze. Die Initiative „Don’t Smoke“ will verhindern, dass die Regierung das seit Jahren geplante Rauchverbot in der Gastronomie noch vor der Einführung im Mai gleich wieder abschafft. Hartnäckige technische Probleme der österreichischen Behörden bremsen allerdings die beiden regierungskritischen Initiativen. Der große Andrang habe eben zu Serverproblemen geführt, heißt es aus dem von der Rechtsaußen-Partei FPÖ geführte Innenministerium.

Die beiden Volksbegehren starteten vergangene Woche unter großem Medienecho und erhielten gleich zu Beginn zehntausende Unterschriften. Die Initiativen liegen in jedem Gemeindeamt in Österreich zu Unterschrift auf, erstmals gibt es auch die Möglichkeit zur Online-Unterzeichnung. Doch seit Beginn gibt es Schwierigkeiten. Bereits einen Tag nach dem Start des Frauenvolksbegehrens wiesen die Gemeindeämter dutzende Unterschriftswillige ab und auch online war für zahlreiche Nutzer der Zugriff nicht möglich. Auch heute blieb vielen ihr Recht verwehrt.

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Stau auf der Datenautobahn

Das Innenministerium konnte auf Anfrage keine Versprechungen machen, wann die Serverprobleme behoben werden. Es liege schlicht an der Überlastung der eigenen Server. „Stellen Sie sich das vor wie bei einem Stau, wenn viele auf dem Weg nach Süden sind“, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Wien, Alexander Marakovits, auf Anfrage von Netzpolitik.org. Nach früheren Angaben liegt das Problem bei den zehntausendfachen Zugriffen auf das zentrale Wählerregister, das bei jeder Unterschrift abgegriffen werden muss, um sicherzustellen, dass die Person sich nicht bereits hat eintragen lassen. Auf eine detaillierte Anfrage zur genauen Natur der technischen Probleme blieb das Innenministerium zunächst eine Antwort schuldig.

Für Spott der Netzgemeinde sorgte am Wochenende unterdessen der wenig professionelle Webauftritt des Innenministeriums. So ist die Seite nicht mit dem sicheren HTTPS-Protokoll verschlüsselt, der als Standard für Webseiten gilt. Zudem waren auf dem Unterschriftsportal für die Volksbegehren erstaunliche Rechtschreibfehler zu lesen.

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Mehr als Tausend Fälle dokumentiert

Die Initiatoren der Volksbegehren zeigten sich äußerst irritiert über die Probleme. Man habe mehr als 1.000 Fälle dokumentiert, bei denen Menschen die Unterschrift des Volksbegehrens verwehrt wurde, berichtet ein Sprecher des Frauenvolksbegehrens. Das Innenministerium weigere sich aber, Verantwortung für die Probleme bei der Durchführung zu übernehmen und baue „eine Art chinesische Mauer“ um die Fallzahlen auf – es nehme nicht öffentlich zum Ausmaß des Problems Stellung, schrieb Frauenvolksbegehren-Pressesprecher Christian Berger in einer Email an Netzpolitik.org.

„Es ist sehr ärgerlich für uns“, sagte auch Hans-Peter Petutschnig von der Wiener Ärztekammer, die das „Don’t Smoke“-Volksbegehren mitinitiierte. Trotz der erheblichen technischen Hürden unterschrieben bis Montagvormittag bereits 150.000 Menschen (von 6,4 Millionen Wahlberechtigten in Österreich) das Volksbegehren, sagte Petutschnig. Die Betreiber wollen damit Druck auf die Regierung ausüben. Dies kündigte am Montag an, die Rücknahme des Rauchverbots im Eilverfahren durch das österreichische Parlament bringen zu wollen.

Dass das gesetzlich bereits verankerte Rauchverbot wieder aufgehoben werden soll, hatte die nationalistische Rechtspartei FPÖ Ende des Vorjahres in ihrem Regierungsprogramm mit der konservativen ÖVP beschlossen. FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, selbst Raucher, nützt das Thema zur populistischen Mobilisierung gegen „staatlichen Zwang“ und warnte zuletzt etwa davor, wenn einmal das Rauchen in Lokalen abgeschafft werde, werde bald auch der Schweinsbraten verboten.

Rechte wollen direkte Demokratie stärken

Die FPÖ setzt sich allerdings nicht nur gerne für Raucher ein, sondern tritt eigentlich auch für die Ausweitung der direkten Demokratie ein. Im Regierungsprogramm des neuen Kabinettes ist festgelegt, dass Volksbegehren mit mehr als 100.000 Unterschriften künftig als Anträge im Parlament eingebracht und dort gleich mit anderen Gesetzesinitiativen behandelt werden müssen. Demnach muss es also Debatten und eine Abstimmung darüber geben, was bisher nicht zwingend der Fall war. Auch sollen alle Volksbegehren mit mehr als 900.000 Unterschriften entweder vom Parlament umgesetzt oder in einem bindenden Referendum dem Volk zu Abstimmung vorgelegt werden. Wenn die FPÖ zwei Volksbegehren trotz breiter Unterstützung schlicht ignoriert, bringt sie das womöglich auch bei den eigenen Unterstützern in argumentative Schwierigkeiten.

Der österreichische Datenschutzjurist Walter Hötzendorfer von der Grundrechtsorganisation Epicenter.Works findet die Möglichkeit zur Online-Unterstützung für Volksbegehren grundsätzlich begrüßenswert, wie er betonte. Er gab allerdings zu bedenken, dass alles getan werden müsse, um die Glaubwürdigkeit des Verfahrens zu gewährleisten.

Die beiden genannten Volksbegehren haben jedenfalls noch einige Zeit fürs Unterschriftensammeln. Derzeit läuft die erste Eintragungsphase, in der eigentlich nur ein Minimum an Unterstützung sichergestellt werden muss. Wenn in ein paar Wochen der formelle Eintragungszeitraum läuft, könnten die beiden Initiativen weiter an Fahrt gewinnen und die neue Regierung in Wien noch gehörig unter Druck setzen. Wenn es nicht wieder Serverprobleme gibt.

4 Ergänzungen

  1. „Gerechtigkeit durch Quoten“ ist Gerechtigkeit durch Betonieren von Unterschieden. Danach hab ich aufgehört zu lesen. Vermutlich wird im nachfolgenden Text belegt, dass es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt.

    1. @ Wieso hörst du dann auf zu lesen? Augenscheinlich scheint dich das Thema doch zu beschäftigen. Oder setzt du dich grundsätzlich nicht mit Themen auseinander, die gerade gesellschaftlich verhandelt werden und die geignet sind alte Rollen-Muster die deutlich Nachteile für mehr als die Hälfte der Menschen bringen aufzubrechen?

  2. Ach die Bürgerinitiativen interessieren nicht, das interessante ist doch, wie die Technik der Regierungsmeinung folgt!

    Die Regierung möchte das geplante Rauchverbot aufheben, die Server wollen das auch!

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