Facebook und die Datenhändler: Was das Ende der „Partnerkategorien“ wirklich bedeutet

Facebook will die Zusammenarbeit mit externen Databrokern überdenken, von denen der Konzern unter anderem Informationen über die Einkäufe seiner Nutzer bezieht. Ein geschicktes Manöver, von dem wir uns nicht täuschen lassen sollten.

White House / Lawrence Jackson

Facebook steht wegen seiner Datenpraxis nach dem Skandal um Cambridge Analytica mehr denn je unter Druck. Der Plattformkonzern reagiert darauf nicht nur mit einer halbgaren Entschuldigung, sondern auch mit der Ankündigung von konkreten Maßnahmen. Neben der Vereinfachung der sogenannten „Privatsphäreeinstellungen“, die bislang auf Sage und Schreibe 20 Unterseiten verteilt waren, sorgt vor allem ein Schritt für Furore: Die Zusammenarbeit mit externen Datenhändlern soll eingeschränkt werden.

Konkret will das Unternehmen die „Partnerkategorien“ in seinem Microtargeting-Tool einstellen. Diese Kategorien werden von Facebook mit Daten gefüttert, die es von spezialisierten Datenhändlern einkauft und mit den eigenen Informationen über seine Nutzer kombiniert. So können Werbekunden die Zielgruppen für ihre Anzeigen beispielsweise auch mit Informationen über deren Einkommen, Einkaufsverhalten oder Immobilienbesitz zuschneiden.

Datenhändler: allgegenwärtig und undurchsichtig

Über die Firmen, von denen Facebook seine Partnerdaten bezieht, ist öffentlich wenig bekannt. Ein umfassender Bericht der US-Federal Trade Commission über das Databroker-Business [PDF] hielt 2014 fest, dass die Datenhändler Informationen über Menschen aus den unterschiedlichsten Quellen in individuellen Profilen zusammenführen. Sie können aus den Daten eigene Rückschlüsse über deren Vorlieben, Interessen und Lebenssituation ziehen. Auch Daten zum Einkaufsverhalten, zur finanziellen Lage oder zum Gesundheitszustand gehören zu ihrem Angebot. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Datenhändler Informationen über nahezu jeden US-Amerikaner verfügen. Ähnliches gilt für Deutschland: Die Firma VisualDNA warb bis vor kurzem noch damit, Profile von 60 Millionen deutschen Internetnutzern im Repertoire zu haben.

Dabei ist für Verbraucher nicht ansatzweise nachvollziehbar, wer was über sie weiß. So lautet die Erkenntnis der Federal Trad Commission. Erst Ende 2016 sorgte hierzulande eine Recherche des NDR für Aufsehen, bei der Journalisten in gekauften Datensätze ganze Browserverläufe von Bundestagsmitarbeitern, Richtern und Polizisten entdeckten. Der Wiener Privacy-Forscher Wolfie Christl beschreibt in einem Report von 2017 ausführlich, wie das Entstehen dieser ausschließlich von ökonomischen Zielen geleiteten Branche zu einer Datenumwelt geführt habe, „in der Individuen kontinuierlich überwacht und evaluiert, kategorisiert und eingruppiert, bewertet und klassifiziert, gezählt und nummeriert“ werden.

Fast alle Firmen, deren Geschäftsmodell auf Online-Werbung basiert, arbeiten mit den Datenhändlern zusammen, beispielsweise Google und Snapchat. Facebook beendet die Zusammenarbeit mit den Datenbrokern nun nicht komplett. So kooperiert der Werbekonzern mit den Datenhändlern nicht nur zur Verbesserung seiner Targeting-Werkzeuge, sondern auch, um seinen Kunden die Messung des Erfolgs ihrer Anzeigen zu ermöglichen: Durch den Abgleich mit Shopping-Daten sollen diese nachvollziehen können, ob jemand, der ihre Anzeigen gesehen oder angeklickt hat, am Ende tatsächlich einen entsprechenden Einkauf getätigt hat. Diese Praxis will Facebook weiterlaufen lassen und weiterentwickeln, berichtet das Branchenmagazin AdExchange.

Gutes Timing

Es ist unwahrscheinlich, dass Facebook nun tatsächlich einsichtig ist. Schlüssiger erscheint, dass der Konzern die Gelegenheit nutzt, einen ohnehin angedachten Schritt nun als Reaktion auf die öffentliche Kritik zu verkaufen. Denn mit dem Ende der Partnerkategorien trennt sich Facebook lediglich von einem System, dessen Kompatibilität mit der neuen Datenschutzgrundverordnung der EU ohnehin bezweifelt werden darf.

Erst vor wenigen Tagen hatte der EU-Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli in einer Stellungnahme zum Thema Microtargeting [PDF] darauf hingewiesen, dass Profilbildung und Analyse nur schwer mit dem Datenschutzgrundsatz der Zweckbindung zu vereinbaren sind. Schließlich seien die konkreten Zwecke, für die die Daten verwendet werden, bei der Sammlung weder für Betroffene noch für die Datensammler komplett absehbar. Das gilt erst Recht für die ungefragte Zusammenführung in Profilen und deren Verkauf. Nutzer müssten deshalb nicht nur grundsätzlich zur Datensammlung, sondern auch zu jeder Zweckänderung ihr Einverständnis geben.

Auf einen Zusammenhang der Maßnahme mit der Datenschutzgrundverordnung deutet auch der Zeitplan für die Abschaltung der Partnerkategorien hin, den der für gewöhnlich gut informierte Marketing-Berater Thomas Hutter verbloggte: Der Stichtag für das Ende von Kampagnen, die auf Partnerdaten über Zielgruppen in EU-Ländern basieren, ist der 25. Mai – also das Datum, ab dem in der Europäischen Union die Datenschutzgrundverordnung anzuwenden ist. Werbekampagnen auf Basis von Partnerdaten über Menschen, die nicht in der EU leben, dürfen hingegen noch bis Ende September laufen.

Der Kern des Problems bleibt bestehen

Facebook nimmt also zu einem günstigen Zeitpunkt Abschied von einer offenkundig fragwürdigen Praktik. Das grundsätzliche Problem der intransparenten Datensammlung und des darauf basierenden Microtargetings ist damit allerdings längst nicht gelöst. Denn zum einen arbeitet der Plattformkonzern selbst kontinuierlich daran, ein immer umfassenderes Bild von seinen Nutzern zu erlangen und entwickelt hierfür Methoden, selbst Schlüsse etwa auf den soziökonomischen Status zu ziehen.

Zum anderen ermöglicht Facebook es Werbekunden weiterhin, auf seinen Plattformen zielgenau die Menschen wiederzufinden und anzusprechen, die sich schon in ihren Marketing-Datenbanken befinden. Werbekunden können sich also einfach die vormals auf Facebook von Databrokern angebotenen Daten direkt bei diesen besorgen und sie über die „Custom und Lookalike Audience“-Funktionen auf der Plattform ansprechen. Das ist ohne Frage ein Komfortverlust für Werbetreibende, aber Facebook ist damit aus dem Schneider, was die Zusammenarbeit mit den verrufenen Datenhändlern angeht.

Übrigens: Aktuelle Ereignisse als Gelegenheit für die Kommunikation ohnehin geplanter Schritte zu nutzen, ist eine auch bei anderen Akteuren beliebte politische Strategie. So hat beispielsweise Kanzleramtsminister Helge Braun jüngst die Gunst der Stunde genutzt: Als vermeintliche Reaktion auf den aktuellen Skandal kündigte er neues Datengesetz und die Einsetzung einer Daten-Ethik-Kommission an. Letztere war allerdings bereits im Koalitionsvertrag verabredet, ersteres sogar bereits im Wahlprogramm der Unionsparteien angekündigt worden. Wie genau eine „Neuordnung des Datenrechts“ aussehen könnte, kann das Bundeskanzleramt auf Anfrage vorerst nicht beantworten – geschweige denn, wie sich das Vorhaben zur neuen Datenschutzgrundverordnung verhält. Im Wahlprogramm der Union jedenfalls hieß es noch, ein solches Gesetz solle dafür sorgen, dass Zugänge für Wirtschaft und staatliche Behörden zu Daten sichergestellt sind – als Gegengewicht zum Datenschutz.

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