EU-Staaten sprechen sich für Upload-Filter und Leistungsschutzrecht aus [Update]

Bei den langwierigen Verhandlungen über ein neues Urheberrecht in der gibt es nun eine gemeinsame Verhandlungsposition des Ministerrates. Darin stellten sich die Staaten hinter zwei umstrittene Vorschläge, die die Freiheit im Internet einschränken könnten.

Upload-Filter könnten mehr als ein Stück aus der Wikipedia rausschneiden. CC-BY-SA 2.0 Jay Walsh

Die EU-Staaten haben am Freitag eine gemeinsame Position zur Urheberrechtsreform beschlossen. Die Mitgliedsländer wollen nun mit Kommission und Parlament hinter verschlossenen Türen über eine endgültige Fassung der Reform verhandeln. Damit kommt ein mehrjähriger Prozess für ein „zukunftsfähiges“ Urheberrecht auf europäischer Ebene zu Ende. In den Vorschlägen zur Reform verstecken sich allerdings zwei toxische Vorschläge, die negative Auswirkungen auf die freien Entfaltungsmöglichkeiten im Internet hätten: Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht. Deutschland stimmte im Rat gegen das Verhandlungsmandat, wie ein Sprecher der Ständigen Vertretung Deutschlands sagte. Das Mandat wurde dennoch mit Mehrheitsbeschluss angenommen.

Worum es konkret geht: Nach Wunsch der Kommission und des Rates soll künftig jeder Upload auf Internet-Plattformen wie Youtube gefiltert werden, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Die Entscheidung darüber treffen bei den großen Plattformen in den meisten Fällen automatisierte Systeme. Diese werden bereits bisher für drastische Fehlentscheidungen verantwortlich gemacht. Gegner sprechen darum von „Zensurmaschinen“. Aus Sicht von Kritikern nehmen die Verhandler der EU-Staaten damit auch das Ende der Meme-Kultur im Netz in Kauf.

Außerdem möchten die Mitgliedsstaaten und die Kommission ein Leistungsschutzrecht einführen, wie es in Deutschland bereits gescheitert ist. Das Leistungsschutzrecht läuft darauf hinaus, dass selbst für die Verwendung kurzer Texte und Nachrichteninhalte eine Abgabe an die Urheber und die Verleger zu entrichten ist – de facto ist das eine Linksteuer. In der Urheberrechtsreform setzt sich mit dem heutigen Beschluss des Rates eine besonders verlegerfreundliche Position durch.

Der Koalitionsvertrag: egal

Die deutschen Regierungsparteien signalisierten zuletzt ihre Ablehnung gegenüber Upload-Filtern und Leistungsschutzrecht. Der Koalitionsvertrag der Unionsparteien mit der SPD schrieb fest, dass eine Verpflichtung zur Filterung aller Inhalte „unverhältnismäßig“ sei. Die neue Digitalministerin Dorothee Bär (CSU) sagte kurz darauf in einem Interview, dass sie das Leistungsschutzrecht auch als Regierungsmitglied grundsätzlich ablehne.

In einer gemeinsamen Erklärung hatten zuletzt EU-Abgeordnete von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei die Bundesregierung dazu aufgerufen, sich an den Koalitionsvertrag zu halten und den Zensurmaschinen eine Absage zu erteilen. Insbesondere die Piraten-Abgeordnete Julia Reda, die Teil der Grünen-Fraktion ist, setzte sich in den vergangenen Monaten unermüdlich gegen die Filterpflicht ein.

Im Bundesjustizministerium sieht man die Sache differenziert: Der europäische Gesetzgeber stehe vor der Aufgabe, die Rechtspositionen der Urheber und Unternehmen der Kulturwirtschaft, der Plattformen und der Nutzer auszutarieren, schrieb eine Sprecherin des BMJV im Vorfeld des Beschlusses im Rat an netzpolitik.org. „Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung in Brüssel allenfalls dann bereit, über präventive Maßnahmen zur Sichtung von illegalen Uploads zu sprechen, wenn diese erforderlich und verhältnismäßig sind und sehr zielgerichtet zum Einsatz kommen, und dass ein ‚Overblocking‘ durch klare technische Standards vermieden wird. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus ein wirksames Beschwerdeverfahren für Nutzer.“

Wikipedia bleibt gefährdet: Jetzt ist ein CDUler am Zug

Eine Schlüsselrolle kommt nun einem Unionspolitiker zu: Der Chefverhandler des EU-Parlaments für die Urheberrechtsreform ist Dorothee Bärs Unionskollege Axel Voss. Dieser hält das Leistungsschutzrecht für „vielleicht nicht die beste Idee“. Daran festhalten will er aber trotzdem. Generell wehrte Voss bisher jeden progressiven Vorschlag zur Verbesserung der Urheberrechtsreform ab und drängt auf Vorschläge für das Urheberrecht, die ausschließlich den Partikularinteressen der Verwerter helfen und die Digitalwirtschaft als Ganzes schwächen. Das Schicksal von nichtkommerziellen Plattformen bleibt dabei tendenziell auf der Strecke: Voss‘ Vorschlag für Upload-Filter legt Wikipedia erhebliche Schranken auf. Dabei verstand Voss zumindest bis vor kurzem nicht völlig, wie Wikipedia eigentlich funktioniert.

Der nächste Schritt ist nun die Festlegung des Parlamentes auf eine eigene Position. Die wichtigste Vorentscheidung trifft dabei der Rechtsausschuss des Parlamentes (JURI). Die Abgeordneten des Ausschusses und im Parlamentsplenum müssen dann entscheiden, ob sie die Vorschläge von Voss übernehmen oder nicht. Erst danach können die Mitgliedsstaaten mit Vertretern von Kommission und Parlament verhandeln. Diese Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit finden im sogenannten Trilog statt, einem immer wieder als intransparent kritisierten Gremium. Einigt man sich im Trilog auf eine Reform mit Upload-Filtern und Leistungsschutzrecht, ist sie praktisch beschlossene Sache. Die Freiheit im Netz wird damit ein Stückchen weiter eingeschränkt.

ERRATUM vom 28. Mai 2018: Am Freitag ist uns leider ein Fehler unterlaufen: Deutschland stimmte entgegen unserem Bericht im Rat gegen das Verhandlungsmandat, dass von einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten beschlossen wurde. Der hier stehende Text wurde durchgehend korrigiert.

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16 Ergänzungen

  1. Ich frage mich, woher eigentlich die Grundlagen für diese Filter herkommen soll. Ein Filter kann doch nur das Filtern, was er auch kennt. Und wenn die Anbieter gemeldete Dateien oder Inhalte für die Zukunft filtern müssen dann können sie diese ja eigentlich nicht zu 100% löschen. Denn wie sieht es mit teilen eines Werks aus, wie sieht es mit ähnlichem aber nicht gleichen Content aus, mit Teilen die durch eine Schranke im Urheberrecht gedeckt sind? Ich glaube auch nicht, dass es möglich ist einen Upload-Filter zu bauen der wirklich gut arbeitet, entweder er wird zu viel oder zu wenig blockieren. Und wie soll verhindert werden, dass der Filter in Zukunft für die Zensur missbraucht wird?

  2. Das ist dann ein klares Signal für mich das Internet endgültig abzubestellen. Solche Kosten sind ja unkontrollierbar. Das ist Abzocke und ohne Belege durch Quellen (links) schreibe ich nicht. Da ist mein Geld anders besser ngelgt. Danke fürden hinweis, 40 Euro mehr im Monat. Hab in letzter Zeit eh nur noch Albtrüme durch die Nachrichten bekommen. Da ist Unwissenheit eht ein Segen. Danke und tschüss

  3. „Der Koalitionsvertrag mit der SPD“ ist voellig uninteressant, bekanntlich faellt die SPD schneller um als ihr Schatten.

  4. Zur Erinnerung: die SPD brachte ihnen auch das Leistungsschutzrecht mit ausbleibender Evaluation, Ausnahmen bei der Rentenversicherung fuer Zeitungsaustraeger, etc, pp. Wenn es um das Vertregen von Verlegerinteressen geht, faellt die SPD schon um, bevor die CDU auch nur ausatmet.

  5. Kleine Anmerkung der Korrektheit halber: Die Frau Bär ist CSUlerin, nicht in der CDU. :)

  6. Das ist für mich ein klares Signal, eine VPN zu Abonnieren.

    Und das zu machen: Lets make Warez great again

    1. Und welcher Anbieter soll da wirklich vertrauenswürdig sein? Ich habe leider noch keinen gefunden, bei dem ich ein wirklich gutes Gefühl hätte.

      1. Hey, Pornhub hat doch jetzt ein VPN-Angebot!

        (Verzeihung, konnte nicht widerstehen. :)

  7. w/Leistungsschutzrecht

    Wenn Herr Voss der zuständige Berichterstatter ist, hat er, so gehe ich davon aus, sich intensiv mit den Wirkmechanismen auseinandergesetzt. Dann wird er sicherlich über ein nachvollziehbares Modell verfügen, wie in Zukunft verfahren werden soll. Als EU-Parlamentarier würde ich ihn jedenfalls fragen, wie er sich konkret die Praxis vorstellt.
    Insofern: sind seine Vorschläge irgendwo präzise nachzulesen?

  8. ! Wir, die Legionellen des Internet, werden alles zur Verteidigung der liberitären Freiheit von Youtube und Flickr unternehmen! Zensur kann nicht das Mittel sein, um der Bürgerrechtsbewegung Youtube und Flickr die finanziellen Mittel austrocknen und deren Recht auf Mrd Umsätze mit der Verwertung des Inhalts Dritter untergraben zu wollen ! Wir werden alles tun um diese inhaltliche Enteignung der Nutzer und der monetären Enteignung der kalifornischen Multi Mrd. zu stoppen!. Das neidvolle Partikular Interesse von ein paar Milliarden Urheber selbst etwas Geld von Ihren Inhalten generieren zu wollen, darf nicht dazu führen, dass die Yachten von Peter Thiel und den anderen wenigen Freiheitskämpfern aus de Valley auch nur 1 Meter kleiner werden !

  9. Das zeigt beängstigend, wie wurschtig in Berlin regiert wird, sobald das Thema so kompliziert ist, dass es sich nicht direkt für Populismus eignet. Die Tendenz bei solchen Europa-Sachen ist ja inzwischen immer: im Programm offiziell dagegen, in Brüssel dann trotzdem abnicken.

    Das Leistungsschutzrecht für Schlagzeilen kann dabei doch schon rechtlich nicht wirklich Bestand haben. Es muss im Rahmen der Meinungsfreiheit nämlich offensichtlich auch möglich sein, sich öffentlich auch gerade mit dem Titel eines Artikels kritisch auseinanderzusetzen (also etwa der Frage, ob ein Titel wie „Bedingt abwehrbereit“ den Zustand der Bundeswehr treffend charakterisiert, nur mal so als Beispiel). Und das geht nur, wenn ich ihn auch zitieren darf.

    Wäre theoretisch ein Fall, wo Grundgesetz und Europarecht auseinanderfielen, und damit spannend zu beobachten, wie sich die (Verfassungs-)Rechtsprechung dann dazu verhält, zumal die freie Presse zum Identitätskern des Grundgesetzes gehören dürfte.

  10. Gab es in letzter Zeit irgend etwas der Masse der EU-Bürger real finanziell oder intellektuell nützendes, was vom ZK der EU-Regierungen – dem Ministerrat- diktiert wurde?
    Was die Demokratien vorwärts bringt?
    Was nicht sukzessive alle Freiheiten einzuschränken versucht?

    Ohne Frage, wer sich die Zustände ausserhalb Deutschland, ausserhalb der EU ansieht, der betrachtet damit oft ungleich ziemlich gruseliges an Regierungen; teilweise extrem blutig und hier seltsam ignoriert oder schöngeredet.
    Es reicht schon, nichtdeutsche Medien zu konsumieren, seinen eigenen Verstand zu benutzen, um zu sehen und hören,
    wie eng es hier ist, was die erlaubten offiziellen Interpretationen
    betrifft.
    Wie im Zoo, mit Wärtern und Zäunen.

  11. Noch vor einigen Monaten hätte ich so einen Artikel als Aprilscherz abgewunken, selbst wenn das Veröffentlichungsdatum nicht der 1. April ist. Heute macht man sich ernsthaft Gedanken, was in den Köpfen mancher Menschen vorgeht…

  12. … eine finstere Welt wird das werden! Erschreckend anzusehen, wenn man wie ich aus Zeiten eines freien Netzes kommt, & eine andere Welt kennt

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.