Medienberichten zufolge soll Libyen seit dieser Woche über eine offizielle Seenotrettungszone verfügen. Diese sogenannte SAR-Region ist demnach von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) offiziell notifiziert. Einen solchen Antrag hatte Libyen bereits vergangenen Sommer eingereicht, mangels Erfolgsaussichten aber wieder zurück gezogen. Mit Unterstützung der italienischen Küstenwache starteten die libyschen Behörden im Dezember einen neuen Versuch, der nun von der IMO positiv beschieden worden sein soll.
Zur Einrichtung einer SAR-Region müssen die zuständigen Behörden unter anderem eine Seenotrettungsleitstelle (MRCC) benennen. Auf einer kanadischen Webseite sind die notifizierten SAR-Regionen und MRCCs offiziell abrufbar, zu Libyen findet sich dort jedoch kein Eintrag. Tatsächlich ist unklar, wie die Regierung in Tripolis die IMO-Anforderungen erfüllen will.
Provisorium bis 2020
Für die Notifizierung eines MRCC müssen dessen MitarbeiterInnen gut Englisch sprechen können, vor Ort müssen ausreichend Kommunikationsmittel und Ambulanzfahrzeuge für Rettungsmaßnahmen vorhanden sein. Italien unterstützt Libyen zwar beim Aufbau eines „voll ausgestatteten“ MRCC. Das soll jedoch erst 2020 fertig werden. Bis dahin soll die Aufgabe der Leitstelle von der Küstenwache in Tripolis übernommen werden.
Die Beantragung der libyschen SAR-Region und Einrichtung des MRCC durch Italien wird von der Europäischen Union finanziert, mit der Umsetzung beauftragt ist das Innenministerium in Rom. Im Rahmen des Programms „Unterstützung für integriertes Grenz- und Migrationsmanagement in Libyen“ erhält Italien hierfür 42 Millionen Euro aus dem Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika. Zusätzliche zwei Millionen Euro stammen aus dem EU-Fonds für innere Sicherheit, weitere zwei Millionen steuert Italien bei. Das Programm wurde vor einem Jahr beschlossen, für die Durchführung unterzeichneten Rom und Tripolis Anfang dieses Jahres eine Vereinbarung. Bei der EU firmiert das Projekt unter dem Namen „Morgenröte“ („Aurora“), der Start soll jetzt im Juli erfolgen.
Bundestagsgutachten: Auch Küstenwache muss mit Rettern kooperieren
Dass die Seenotrettungszone trotz des provisorischen Status von der IMO ausgerufen wurde, hat wohl politische Gründe. Denn mit einer SAR-Region würde die Seenotrettung in den internationalen Gewässern vor Libyen nicht mehr über das MRCC Rom koordiniert. Das weiß Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini, der jetzt die privaten Rettungsorganisationen aus dem zentralen Mittelmeer hinauswerfen will. Malta wollte gegen die Organisation „Mission Lifeline“ ermitteln, weil diese Anordnungen des MRCC Rom missachtet und Flüchtlinge an Bord genommen haben soll, obwohl mit deren Rettung die libysche Küstenwache beauftragt war. Inzwischen wurden die Vorwürfe ausgetauscht.
Laut einem Bundestagsgutachten ist die Einmischung in einen Rettungseinsatz jedoch nicht grundsätzlich rechtswidrig. Im Gegenteil: Den Anordnungen eines nationalen MRCC ist demnach zwar Folge zu leisten. Wenn das angewiesene Schiff jedoch „mit zu wenig Rettungsmitteln operiert oder dessen zahlenmäßige Kapazität nicht für die Aufnahme der in Seenot geratenen Personen ausreicht“, ist der Kapitän eines in der Nähe befindlichen Schiffes nach dem internationalen Seenotrettungsübereinkommen sogar zur Rettung verpflichtet. Auch das Auswärtige Amt bestreitet die Kooperationspflicht der beteiligten Kapitäne nicht.
Gemeinsames Kontrollzentrum in Rom
Die Rettungsorganisationen im Mittelmeer berichten, dass das MRCC in Rom bei Notrufen seit längerem immer öfter auf die Zuständigkeit der provisorischen libyschen Seenotrettungsleitstelle verweist. Die Behörden beider Länder können mittlerweile auf mehreren Ebenen Erkenntnisse zu Seenotrettungsfällen austauschen.
Anfang des Jahres haben Libyen und Italien ein Kontrollzentrum in Rom in Betrieb genommen, zu dessen Arbeitsbereichen laut der libyschen Tageszeitung Libya Herald die Bekämpfung von „grenzüberschreitender Kriminalität, Menschenschmuggel und Terrorismus“ gehört. Zu den Beteiligten in Rom gehören die libysche Küstenwache, die „Abteilung gegen illegale Migration“ des Innenministeriums, der libysche Generalstaatsanwalt sowie Geheimdienste beider Länder. Für den Informationsaustausch ist Libyen an das System SMART („Service-oriented infrastructure for MARitime Traffic tracking“) des italienischen Militärs angebunden, über das nicht eingestufte Nachrichten verteilt werden können. Angehörige der libyschen Küstenwache wurden im Rahmen der EU-Militärmission EUNAVFOR MED in der Nutzung von SMART geschult.
Kommission bezahlt Anschluss an „Seepferdchen“-Netzwerk
Zur Kommunikation unter den verschiedenen Behörden im Mittelmeer wird die libysche Küstenwache außerdem an das europäische Netzwerk „Seahorse Mittelmeer“ („Seepferdchen Mittelmeer“) angeschlossen. Das Vorhaben wird seit mehreren Jahren von der Europäischen Kommission gefördert und soll die libyschen Grenzüberwachungssysteme stärken.
Die libysche Küstenwache wird hierfür via Satellitenverbindung mit nationalen Koordinierungsstellen des EU-Überwachungsnetzwerks EUROSUR vernetzt. Für das Mittelmeer sind dies Italien, Malta, Griechenland, Zypern, Frankreich, Spanien und Portugal. Die Projektleitung liegt bei der spanischen Guardia Civil, die die Umsetzung der operativen Maßnahmen eine öffentliche Ausschreibung gestartet hat.
Italien hat für „Seepferdchen Mittelmeer“ ein „Mediterranean Border Cooperation Centre“ (MEBOCC) eingerichtet. Dort arbeiten sämtliche Behörden zusammen, die mit Grenzüberwachungsaufgaben betraut sind, darunter Polizei, Carabinieri, Guardia di Finanza, Küstenwache und Marine, Das MEBOCC übernimmt auch die Anbindung an das EU-Überwachungssystem EUROSUR.
Libysche Küstenwache gehört zur Marine
Von der Vernetzung mit italienischen Sicherheitsbehörden profitiert vor allem die libysche Behörde für Küstenwache und Hafensicherheit (Libyan Coast Guard and Port Security, LCGPS). Sie gehört zur Marine und einem EU-Dokument zufolge 3.400 hat Mitarbeiter, viele davon in den Städten Tripolis, Sabratha, Misratah und Benghazi. Zu ihren Aufgaben gehören die Überwachung der Gewässer, die Verfolgung von Schmuggel oder illegaler Fischerei und die Seenotrettung. Das Hauptquartier liegt wenige Kilometer außerhalb von Tripolis, in den sechs Sektoren des Landes befinden sich rund 50 lokale Büros. Das in Tripolis befindliche Küstenwachzentrum (Coast Guard Operational Maritime Centre, CGOMC) wird vermutlich der libysche Teilnehmer des „Seepferdchen“-Netzwerks. Im gleichen Gebäude könnte nach Plänen vom vergangenen Jahr das libysche MRCC entstehen.
Die Küstenwache verfügt über mindestens vier Küstenwachschiffe, drei Schnellboote und drei kleinere Festrumpfboote. Eine größere Anzahl von Schlauchbooten wird unter anderem für Patrouillen und die Seenotrettung eingesetzt. Mitunter wird auch ein Patrouillenboot der Marine genutzt. Die Europäische Union sowie mehrere EU-Mitgliedstaaten und die USA unterstützen seit Jahren mit Ausbildung und Ausrüstung. In 2014 fanden Trainings unter der EU-Mission EUBAM statt, weitere sollen jetzt folgen. Auch im Rahmen des „Seepferdchen“-Netzwerks wurden Angehörige der Küstenwache durch die spanische Guardia Civil ausgebildet, außerdem in drei Lehrgängen von der Militärmission EUNAVFOR MED.
Libysche Seepolizei mit Frontex vernetzt
Ein weiterer Adressat von Projekten wie „Morgenröte“ und „Seepferdchen“ ist die zivile Küstenschutzverwaltung (General Administration for Coastal Security, GACS), die mit 3.800 Angehörigen dem Innenministerium untersteht. Als Seepolizei übernimmt sie ebenfalls Überwachungsaufgaben und Seenotrettung, jedoch nur innerhalb der Zwölfmeilenzone auf See und in einem Streifen von 30 Kilometer an Land. Ihr Lagezentrum befindet sich in Tajoura, rund 30 Kilometer von Tripolis entfernt und verfügt über keine nennenswerte Technik. Die Behörde ist Mitglied des Kooperationsnetzwerks der Küstenwachen (Coast Guard Cooperation Network), das von der EU-Grenzagentur Frontex eingerichtet wurde und an dem acht Nicht-EU-Staaten teilnehmen. Im Rahmen des Projekts „Aurora“ wird die Seepolizei von der italienischen Polizei ausgebildet, Trainings im Bereich der Navigation sollen durch die tunesische Küstenwache erfolgen.
Die Seepolizei verfügt über drei Küstenwachschiffe und fünf Patrouillenboote, die in Tripolis and Zuwara stationiert sind und sich teilweise in Tunesien zur Reparatur befinden. Die über 50 Standorte der Küstenschutzverwaltung sollten zwar mit Kameras sowie mobilen und stationären Radaranlagen ausgerüstet sein, viele davon wurden jedoch im Bürgerkrieg zerstört oder gestohlen. Im Gegensatz zur militärischen Küstenwache soll die Küstenschutzverwaltung gute Beziehungen zum östlichen Teil Libyens unterhalten. Viele Teile der 1.700 langen Küste stehen nicht unter der Kontrolle der Einheitsregierung, sondern werden de facto vom ehemaligen Armeegeneral Khalifa Haftar regiert.
Mehr Patrouillenboote für die Küstenwache
Im Gebäude der Küstenwache sowie möglicherweise des zukünftigen MRCC will Italien außerdem ein behördenübergreifendes Kontrollzentrum (National Coordination Centre, NCC) einrichten. Dort sollen alle Stellen zusammengeführt werden, die in Libyen mit Aufgaben zur Grenzsicherung befasst sind, darunter die Behörden für Öl, Landwirtschaft, Transport, Umwelt, Finanzen und Zoll. Über ein elektronisches Schiffsüberwachungssystem (Vessel Traffic Management System, VTMS) verfügt das Kontrollzentrum derzeit nicht, sämtliches Radargerät wurde während der Revolution zerstört. Sowohl das NCC und das MRCC sollen dann an ein italienisches Kontrollzentrum sowie weitere EU-Mitgliedstaaten und Frontex in Warschau angeschlossen werden.
Als weitere Maßnahme im Projekt „Aurora“ soll die Flotte der Küstenwache ausgebaut und ihre Überwachungskapazitäten gestärkt werden. Italien hatte dazu bereits vier Patrouillenboote repariert und zurückgegeben, sechs weitere sollten folgen. Diese Zahl hat sich erhöht, vergangene Woche versprach der italienische Innenminister Salvini die Lieferung von weiteren 12 Schiffen an Libyen, darunter zehn kleine Küstenwachboote und zwei größere Patrouillenboote der Corrubia-Klasse. Ein vierter Bereich des EU-Programms soll schließlich die Überwachungsfähigkeiten an den Landgrenzen zur Sahara stärken. Mit 11,6 Millionen Euro werden hierfür die meisten Projektgelder aufgewendet.
Evaluation mit „Predator“-Drohnen
Da libysche Boote immer wieder durch Gewaltvorfälle und Menschenrechtsverletzungen auf dem Mittelmeer aufgefallen ist, fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarates in einer Resolution einen Monitoring-Mechanismus mit Sanktionsmöglichkeiten für die libysche Küstenwache. Die Europäische Union hat jetzt im Rahmen der Militärmission EUNAVFOR MED tatsächlich einen solchen „Monitoring and Advising“-Mechanismus gestartet, in dem Straftaten der libyschen Küstenwache aufgearbeitet werden sollen. Italien schickt dafür „Predator“-Drohnen, die EU-Kommission schenkt „GoPro“-Kameras zur Beobachtung von Verstößen.
Es kann jedoch angenommen werden, dass keine belastenden Aufnahmen der Action-Kameras den Weg zu dem „Monitoring-Mechanismus“ finden. Denn dieser ist zahnlos, wie die Bundesregierung bestätigt: Es handelt sich entgegen der Forderung des Europarates um ein freiwilliges Verfahren ohne Sanktionsmöglichkeiten. Höchstens in einem Fall soll es seitens der libyschen Marine disziplinarische Konsequenzen gegeben haben. Das betrifft vermutlich den 6. November 2017, bei dem die „Seawatch 3“ beteiligt war und wo bei dem chaotischen Eingreifen der libyschen Küstenwache mehrere Menschen ertranken.
Keine Aufklärungsdaten für Seenotrettungsorganisationen
Auch ohne den Aufbau der libyschen Küstenwache zum maritimen Türsteher Europas wäre es vermeidbar, dass so viele Menschen auf der Flucht ertrinken. Die Europäische Union überwacht das zentrale Mittelmeer lückenlos, sowohl die Grenzagentur Frontex als auch die Militärmissionen nutzen dabei hochauflösende Satelliten und das leistungsfähige Überwachungsnetzwerk EUROSUR, das nun weiter ausgebaut wird.
Frontex verarbeitet unter anderem Satellitenbildmaterial mit einer Auflösung von bis zu 24 cm. Auch das weit fortgeschrittene EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus kontrolliert libysche Küstenregionen und die hohe See per Satellit. Diese Aufklärungsdaten stehen den privaten Seenotrettungsorganisationen jedoch weiterhin nicht zur Verfügung. Warum eigentlich nicht?
„Diese Aufklärungsdaten stehen den privaten Seenotrettungsorganisationen jedoch weiterhin nicht zur Verfügung. Warum eigentlich nicht?“
Bleibt bei Netzpolitik, oder holt euch Fluechtlingspolitik.org, aber vermischt das dann bitte nicht mit Migrationspolitik.org.
Das Überwachungsnetzwerk ist Teil der netzpolitik. Dieses Netzwerk wird aus politischen Gründen den Seenotrettern nicht zur Verfügung gestellt. Also ein klarer Fall für netzpolitik.org.
Das Überwachungsnetzwerk wird aus politischen Gründen den Seenotrettern nicht zur Verfügung gestellt. Also ein Fall für netzpolitik.org. (Netzwerk und Politik ist einiges mehr als z. B. Internetzugang und DSGVO.)
Das „Ueberwachungsnetzwerk“ hat allerdings nichts mit dem „Netz“ von „Netzpolitik“ zu tun, nichtmal ansatzweise.
Selbstverständlich muss ein Kapitän bei einem Seenotfall jedem anderen Schiff und seiner Besatzung zur Hilfe kommen – auch wenn es sich um ein Schlauchboot handelt. Und wenn er das tut, muss er mit den Havaristen den nächsten Hafen anlaufen. Ist der immer in Europa? Gibt es in Nordafrika keine ?
Ich will damit sagen: Seerecht ist das eine und Einwanderungsrecht das andere. Wer die seerechtliche Nothilfepflicht dazu benutzt, ein Einwanderungsrecht in Drittländern zu erzwingen, missbraucht es.
Blödes Nachplappern von Seehofer-Phrasen. Siehe unten. Massenzuwanderung hab ich jedenfalls noch keine gesehen, nur arge Not.
Nach internationalem Seerecht ist eine Rettung erst mit der Ausschiffung der Geretteten in einem sicheren Hafen („place of safety“) abgeschlossen.
Die rechtlichen Grundlagen und Bestimmungen, die völkerrechtlichen Kriterien für einen „place of safety“ und wer ihn bestimmt (übrigens nicht die Besatzung der Schiffe selbst, sondern die staatlichen Seenotrettungsleitstellen), ist hier ausführlich beschrieben:
http://www.unhcr.org/publications/brochures/450037d34/rescue-sea-guide-principles-practice-applied-migrants-refugees.html
https://cild.eu/wp-content/uploads/2017/07/KYR-Protection-and-Maritime-Safety_EN.pdf
Stefan hat grundsätzlich nicht Unrecht. Eine Rettungsaktion ist erst mit Ausschiffung in einem sicheren Hafen abgeschlossen. Und ein sicherer Hafen ist nicht einer, in dem die Geretten mit ungerechtfertigter Verfolgung rechnen müssen. Ob man deshalb gleich nach Europa fahren muss, hängt davon ab, ob es nicht vielleicht doch einen nordafrikanischen Staat gibt, der Flüchtlinge nicht verfolgt. Da denke ich an Marokko, Algerien, Ägypten.
Stefan übersieht den nächsten Absatz in dem von ihm zitierten Artikel der UNHCR: Ein Staat kann sehr wohl aufgrund seiner Souveränität das Einlaufen von Schiffen verbieten, auch wenn sie an einer Rettungsaktion beteiligt waren. Und das ist sicherlich dann nicht unvertretbar, wenn der Schiffsführer des Rettungsschiffes immer wieder Gerettete in Italien ausschiffen will, ohne (näherliegende) Alternativen überhaupt in Betracht zu ziehen. Das muss erstrecht gelten, wenn die EU in afrikanischen Ländern bereits sichere Zonen für Flüchtlinge eingerichtet hat.
Ich gebe zu, die Lösung ist unbefriedigend, nicht zuletzt deshalb, weil sich die nordafrikansichen Staaten ihren Pflichten, Seenotrettungsleitstellen zu unterhalten von vornherein entziehen. So kommt Europa in ein Dilemma: Entweder hilft Europa Allen und muss es zulassen, dass die Immigranten ihre Kultur – derentwegen sie ja geflüchtet sind – in Europa etablieren oder Europa zieht Grenzen und muss sich dafür trotz grosser Hilfsbereitschaft auch noch beschimpfen lassen.
Ich wünschte mir, dieser Gesichtspunkt würde in der Flüchtlingsdebatte nicht einfach ausgeblendet.
„ihre Kultur – derentwegen sie ja geflüchtet sind – in Europa etablieren“
Sag mal, hast du einmal über diese Aussage nachgedacht? Sind „die da“ eine homogene Masse, die vor ihrer „Kultur“ flüchten (nicht, sagen wir, vor Krieg und Vernichtung) und diese dann etablieren, weil sie ja keine reflektierten Menschen wie wir Herrenmenschen sind? Sondern Fremde, die man schnellstmöglich einsperren und ansonsten ersaufen lassen sollte, damit sie bloß die Rassenzusammensetzung, Verzeihung, „kulturelle“ Zusammensetzung nicht verändern.
Geht’s noch?
„ihre Kultur in Europa etablieren“
Hm, klingt eigentlich gar nicht so schlecht.
Sichere Zeichen, dass man es mit einer überlegenen Kultur zu tun hat:
– Sich zu wünschen, von Männern mit dem EQ eines 5-jährigen beherrscht zu werden
– Absurde Phantomdiskussionen um gefühlte Sicherheitsprobleme bestimmen das gesamte politische Geschäft bestimmen, während genug echte Probleme ungelöst herumliegen
Haha.
So langsam kann man froh sein, wenn man in Europa überhaupt wieder Kultur etablieren könnte. Nicht die Parallelgesellschaft der AfD, Salvini und co., denen man mit größter Berechtigung vorwerfen kann, die europäische Kultur (zu der eben auch Aufklärung und universelle Menschenrechte gehören) zerstören zu wollen – (Sarkasmus an) Ausschiffen, sage ich! Ausschiffen! Wohin? Mir doch egal, Oder in geschlossene Lager, die ganze AfD! Problem gelöst! (Sarkasmus aus)
Auf eine schlüssige Argumentation und sachliche Kritik würde ich ja gerne antworten. Derartige unreflektierte Polemik sollte man ins Leere laufen lassen – also tue ich es auch.
„ihre Kultur – derentwegen sie ja geflüchtet sind – in Europa etablieren“
Ist es nicht ehr so, dass wir versucht haben unsere Kultur in Afrika zu „etablieren“ (man verzeihe mir den Euphemismus) und deswegen dort heute in großen Bereichen politische Instabilität, Umweltzerstörung, Krieg und wirtschaftliche Not herrscht – was wiederum dazu führt, dass die Menschen dort keinen anderen Ausweg als die Flucht sehen?
Das Europäer versucht haben, ihre Kultur in Afrika zu etablieren und dabei nicht zimperlich waren, ist leider wahr. Die Kausalität für die Ursachen der heutigen politischen Instabilität, Umweltzerstörung und Krieg erkenne ich allerdings nicht. Europa hat aus seinen Fehlern er Vergangenheit gelernt – und macht möglicherweise neue. Es gibt allerdings aus Europa auch seit 50 Jahren Hilfsangebote und jede Menge Unterstützung bei Infrastrukturentwicklung, Demokratieentwicklung, Gesundheit. Die aber leider meist abzubrechen scheinen, wenn die Helfer das Land verlassen, also wohl überwiegend aus kulturellen Gründen nicht weiter geführt werden.
Jetzt könnte man natürlich kritisieren, dass der „Westen“ mit seinen Hilfsmaßnahmen schon wieder eingegriffen hat. Dann ist man in einem ähnlichen Dilemma, wie ich es schon oben gezeichnet habe.
Ich will dahin kommen, dass die Diskutanten sich mit beiden Seiten auseinandersetzen. Derzeit haben wir eine Situation, dass die DAFÜR sich in ihren Foren einseitig unterhalten und die DAGEGEN tut das gleiche in anderen Foren. Es muss endlich wieder ein Diskurs beginnen.
Noch mal zur Rechtslage der Seenotretter. In Algerien gibt es auch zahlreiche Menschen, die vor Gewalt und Missbrauch flüchten. Von daher ist das sicherlich kein sicheres Land, wie unsere europäischen Werte es vorgeben. Bitte bei der ganzen Diskussion -sicherer Hafen- nicht zynisch werden. Es geht bei dieser Debatte einfach auch mal um menschlichen Anstand. Der scheint mehr und mehr verloren zu gehen, dafür schäme ich mich!
Algerien transportiert Flüchtlinge zu Tausenden an den Rand der Sahara und zwingt sie dann mit Waffengewalt, zu Fuß die Sahara in Richtung Niger bzw. Mali zu durchqueren, wo diejenigen, die diesen Gewaltmarsch überlebt haben, dann die Grenze überqueren. Also absolut kein sicheres Land.
@ Lukas
Besteht Nordafrika nur aus Algerien?