Neues EU-Projekt vernetzt Polizei, Militär und Geheimdienste

Die militärische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der zivile Bereich Justiz und Inneres werden in der Europäischen Union enger verzahnt, ein Probelauf soll auf dem Mittelmeer stattfinden. Das Pilotprojekt bringt einige Probleme mit sich, es wäre etwa ein neues Mandat für die beteiligte Militärmission notwendig.

Der italienische Flugzeugträger Garibaldi in der Militärmission vor Libyen. Dort soll die „Kriminalitätsinformationszelle“ erstmals ausprobiert werden.

Die Europäische Union plant die Einrichtung von „Kriminalitätsinformationszellen“ („crime information cells”), um Daten zwischen Polizei, Militär und Geheimdiensten auszutauschen. Dies geht aus einem Ratsdokument hervor, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch online gestellt hat. Mit dem Vorschlag soll dazu dienen, die „externe Dimension der inneren Sicherheit“ zu stärken. Die Beteiligten erhoffen sich dadurch einen Mehrwert bei der Terrorismusbekämpfung.

In den „Kriminalitätsinformationszellen“ würden die zivilen und militärischen EU-Missionen miteinander verzahnt. Dies beträfe die Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) sowie den Bereich Justiz und Inneres (JI), die dem Auswärtigen Dienst oder der Europäischen Kommission unterstehen. Dabei geht es vor allem um den Austausch von Daten und Risikoanalysen. Die Zusammenarbeit soll durch die gegenseitige Entsendung von VerbindungsbeamtInnen vereinfacht werden. Der Datentausch soll „reziprok“ sein, die Militärs also auch Informationen aus dem JI-Bereich erhalten. Die bestehenden geheimdienstlichen EU-Strukturen könnten ebenfalls in zukünftige „Kriminalitätsinformationszellen“ eingebunden werden. Hierzu sollen die Beteiligten prüfen, ob das zivile Lagezentrum INTCEN und das militärische Lagezentrum EU MS INT die Verarbeitung und Analyse eingestufter Geheimdienstinformationen („classified intelligence”) übernehmen könnten.

Pilotprojekt vor der libyschen Küste

Nach einem Beschluss der Innen- und VerteidigungsministerInnen der EU-Mitgliedstaaten soll ein erstes Pilotprojekt einer „Kriminalitätsinformationszelle“ bei der Militärmission EUNAVFOR MED durchgeführt werden. Zehn BeamtInnen aus dem Bereich der Strafverfolgung werden hierzu auf dem italienischen Flugzeugträger stationiert, der auch das Hauptquartier von EUNAVFOR MED beherbergt. Schon jetzt kooperieren die Beteiligten von EUNAVFOR MED mit der EU-Grenzagentur EBCGA, dem „Zentrum gegen Migrantenschmuggel“ bei Europol sowie der Agentur für justizielle Zusammenarbeit Eurojust.

Der Kernauftrag von EUNAVFOR MED ist die „Bekämpfung krimineller Schleusernetzwerke“ vor der libyschen Küste. Nachträglich wurde die militärische Operation mit zwei „Unterstützungsaufgaben“ mandatiert: In mehreren Maßnahmen werden die libysche Küstenwache und Marine in der Kontrolle der Seegrenzen ausgebildet. Nach zwei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats wird in EUNAVFOR MED auch das Waffenembargo gegen Libyen überwacht.

Hier liegt das Problem des Pilotprojekts, denn die in EUNAVFOR MED ausprobierte „Kriminalitätsinformationszelle“ weicht stark vom Mandat der Militärmission ab. Dort steht nicht die Bekämpfung des Terrorismus im Fokus, ebenso sind die beteiligten Einheiten nicht dazu mandatiert, Straftaten in den Mitgliedstaaten zu verfolgen. Zur Rechtfertigung des Pilotprojekts werden deshalb die Erklärung von Malta vom 3. Februar 2017 sowie die Schlussfolgerungen des Rates für Außenbeziehungen vom 19. Juni 2017 herangezogen, in denen abermals die engere Zusammenarbeit von JI und GSVP in den Bereichen Terrorismus und Migration gefordert wird.

Nutzung von Daten aus militärischen Quellen problematisch

Ein weiteres Problem ist die Einstufung der ausgetauschten Daten. Im militärischen Bereich sind Informationen oft als geheim oder streng geheim klassifiziert, weshalb Strafverfolgungsbehörden sie nicht einsehen können. Um sie in einer „Kriminalitätsinformationszelle“ zu bearbeiten, müssten sie deshalb niedriger eingestuft werden. Die Informationen sollen auch auf Ebene der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Nicht in allen EU-Staaten ist es jedoch erlaubt, Daten aus militärischen Quellen für die Strafverfolgung zu nutzen.

Aus diesem Grund hatte sich beispielsweise das Bundeskriminalamt (BKA) in 2011 aus einem ähnlichen Projekt zum zivil-militärischen Datentausch zurückgezogen. Ungeachtet der damaligen Bedenken prüft die Bundesregierung derzeit, ob sich der Bundesnachrichtendienst und das BKA an einer Neuauflage des Projekts beteiligen.

Ergebnisse des Pilotprojekts nicht übertragbar

Welche einzelnen Datensätze von Interesse sind, sei unter den Beteiligten „gut bekannt”. Europol und die Grenzagentur hätten aber nach einem gemeinsamen Workshop weitere relevante Datensätze benannt, die insbesondere für das Militär interessant wären. Details dazu werden in dem Dokument jedoch nicht erwähnt.

Auch bei erfolgreicher Durchführung des Pilotprojekts in EUNAVFOR MED wären die dabei erlangten Erkenntnisse nur bedingt brauchbar für andere EU-Missionen. Denn nur in EUNAVFOR MED dürfen nach einer Erweiterung des Mandates auch Personendaten gesammelt werden, um diese zur Gefahrenabwehr sowie für Ermittlungen zu nutzen.

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