Schwarz-grün in Hessen will Staatstrojaner für Verfassungsschutz

Der Entwurf für ein neues Verfassungsschutzgesetz in Hessen sieht Staatstrojaner für den Landesverfassungsschutz vor. Die Geheimdienstler sollen in Zukunft Kommunikation abfangen können, bevor sie verschlüsselt wird. Auch eine Onlinedurchsuchung soll in Gefahrenfällen durchgeführt werden. Möglich macht das die schwarz-grüne Landesregierung.

Einmal da, werden die Begehrlichkeiten geweckt: Verfassungsschutz in Hessen soll Staatstrojaner bekommen. CC-BY 2.0 Pascal Maramis

Im schwarz-grün regierten Hessen stellte der CDU-Innenminister Peter Beuth heute den Entwurf für eine Reform des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes und des zugehörigen Kontrollgesetzes vor. Mit inbegriffen sind Grundlagen für Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung. Oder auch: Staatstrojanereinsatz.

Der Innenminister begründet die Maßnahmen mit dem beliebten Argument, „Menschen bestmöglich vor Terror und Extremismus schützen“ zu wollen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen soll also in Zukunft Computer und Smartphones mit Schadsoftware infizieren und so Kommunikation abfangen können, bevor sie verschlüsselt wird. Bei der Onlinedurchsuchung geht es noch einen Schritt weiter: Mit dieser kann ein Gerät komplett durchsucht und überwacht werden, nicht nur die laufende Kommunikation.

Überraschender Vorstoß

Die Überwachung soll laut Gesetzesentwurf einem doppelten richterlichen Vorbehalt unterliegen. Einer, um die Maßnahmen durchzuführen, ein zweiter, um die erhobenen Daten verwerten zu dürfen.

Der Vorstoß der Hessischen Landesregierung überrascht, denn Koalitionspartner der CDU in Hessen sind die Grünen. Verwunderlich, die Grünen sind eher als vehemente Gegner solcher Werkzeuge bekannt. Die Hessische Entwicklung schmälert somit die Hoffnung auf eine grundrechtsfreundliche Politik, falls die Grünen an einer neuen Bundesregierung beteiligt sein werden.

Jürgen Frömmrich, innenpolitischer Sprecher der Grünenfraktion im Hessischen Landtag, antwortete uns auf eine Anfrage, warum der Gesetzentwurf so zustande kam:

Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis langer Diskussionen zwischen den Koalitionspartnern. In einer grünen Alleinregierung hätten wir wahrscheinlich einen anderen Entwurf vorgelegt. Wichtig ist uns, dass der doppelte Richtervorbehalt – einmal zur Genehmigung einer Maßnahme, einmal zur Verwertung der Resultate – den Kernbereich der privaten Lebensführung schützt und die Maßnahmen der Abwehr von dringenden Gefahren durch Terrorismus vorbehalten sind.

Staatstrojaner sind in der Regel polizeiliche Maßnahmen, erst vor Kurzem beschloss der Bundestag, ihren Einsatz stark auszuweiten – teilweise auf Alltagskriminalität. Für den Verfassungsschutz gehören Staatstrojaner in Deutschland kaum zum Repertoire, eine Ausnahme stellt Bayern dar. Nordrhein-Westfalen führte die Staatstrojanernutzung bereits 2006 ein, 2008 erklärte sie das Bundesverfassungsgericht jedoch in weiten Teilen wieder für verfassungswidrig und nichtig.

Im Zuge dieses Urteils formulierte das Gericht das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Auf Bundesebene warb Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Mai dafür, Online-Durchsuchungen für den Verfassungsschutz dürften „kein Tabuthema“ mehr sein. Bereits im letzten Jahr setzte sich die CDU zum Ziel, den Verfassungsschutzbehörden Befugnisse zur Online-Durchsuchung zu geben.

Neue Befugnisse und mehr Personal

Weitere Maßnahmen im Gesetzesentwurf sind eine Angleichung der Regelungen zum Einsatz von V-Personen an das Bundesverfassungsschutzgesetz sowie Akteneinsichtsrechte für die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission. Darüberhinaus soll das Kontrollgremium an den Landtag berichten, es sei denn, es geht um den Einsatz von V-Personen und verdeckten Ermittlern.

Zu den neuen Befugnissen gibt es mehr Personal obendrauf: Bis Ende 2017 erhalte die Behörde bereits „einen historischen Stellenzuwachs von rund 30 Prozent“, bis 2019 soll es dann 370 Planstellen geben. Der Hessische Verfassungsschutz „wird dann doppelt so groß sein wie es noch im Jahr 2000 mit gerade mal 182 Stellen war“.

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28 Ergänzungen

  1. Zweiter Absatz: *infizieren
    Wenn schadsoftware identifiziert werden würde bisse sich die Schlange ja in den eigenen schwanz…

  2. „In einer grünen Alleinregierung hätten wir wahrscheinlich einen anderen Entwurf vorgelegt.“

    Ja, wahrscheinlich, vielleicht, wer weiß das schon.

    Und natürlich nur im vollkommen utopischen Fall einer grünen Alleinregierung.
    Heißt in der Konsequenz, die Grünen werden immer bürgerrechtsfeindliche Gesetze und massiv invasive Instrumente mittragen, da sie ja immer nur Koalitionspartner sein werden. Gut zu wissen.

    Das mal abgesehen davon, wie ein rein grünes Gesetz aussehen würde. Vielleicht noch mit einem dritten nutzlosen Richtervorbehalt oder irgendeinem anderen Placebo. Vermutlich aber nie *kein* Gesetz bzw. eines, das derartige Instrumente verbietet. Denn nur das ist die einzig korrekte Haltung, wenn man Freiheitsrechte ernst nimmt.

    1. Dachte ich mir auch. Die Terror-Keule dient wieder als Argumentationshilfe.
      Wer sich zu einem Terroranschlag mittels Skype unter Win10 verabredet, macht ganz andere Fehler.

  3. Hoffentlich opfern die Grünen in der Bundesregierung nicht so schnell Bürgerrechte für den Koalitionsvertrag.

    1. Bleibt noch auf die FDP zu hoffen. Ob unsere Bürgerrechte mit „Bauchschmerzen“ für das Wirtschaftsministerium geopfert werden?

  4. Grün, grün, grün sind alle meine Kleider,
    grün, grün, grün ist alles was ich hab.
    Darum lieb ich alles, was so grün ist, weil mein Schatz ein Überwacher ist.

  5. Wer eine bessere Idee hat, wie man die Daten von Straftätern online auslesen kann, darf sich melden.

    1. Nachdem das letzte Mal ja schon nichts Deinen Geschmack traf, versuche ich es diesmal mit was Neuem: Wie wäre es, endlich Zwangs-Keylogger einzuführen, natürlich auf Vorrat, aber nur im Verdachtsfall auszulesen? Oder besser verpflichtende Schlüssel-Hinterlegung bei verschlüsselter Kommunikation (das geht auch zusätzlich)? Einen hätte ich noch: Der Hälfte der Bevölkerung, die statistisch als mehr verbrechensgeneigt errechnet wird, das Kommunizieren nur mit registrierten Geräten erlauben?
      Denn: Der Zweck heiligt bekanntlich alle Mittel.

      1. Nee, der Trojaner rennt offene Türen ein. Sogar in meiner WinXP-VM waren im Verzeichnis assembly unter Windows drei in Rootkit-Manier versteckte Microsoft – Treiber und in der Registry zwei mit * versteckte Einträge. Warum und wozu sollte Microsoft in seinem eigenen System Treiber verstecken müssen? Zu deutsch, die meisten Windows-Systeme hierzulande dürften Hintertüren haben und Otto Normalo findet die mit Sicherheit nie. Also reicht es, wenn die Geheimdienst-Paranoiden bei Microsoft anfragen, wie sie über solche Hintertüren auf jeden PC tun und lassen können, was sie wollen. Für Staatshacker kann es kein Problem sein, gefälschte Zertifikate zu bekommen. So eine Hintertür kann man mit jedem x-beliebigen update untergejubelt kriegen, siehe Ccleaner, der u.a. auch auf den Win 32-XP einen versteckten Treiber und mehrere Registry-Einträge hinterließ. Das sollte man wahrscheinlich als Test betrachten, in dem die Chinesen mal andeuteten, dass sie das auch können. Mit anderen Systemen wird das nicht viel anders sein, aber der Generalbundesanwalt fand selbst mit Hilfe der geballten Kompetenz seiner Amtsbrüder natürlich keine Anzeichen dafür, dass GHCQ und NSA hier jeden und alle ausspionieren könnten und die Amtsbrüder stellten heute sogar noch „Forderungen“. Sind das ********* Gestalten!

      2. Also, wer Win 10 hat, braucht das alles nicht. Wird serienmäßig alles mitgeliefert. Kann garantiert über remote auch eingeschaltet werden, falls jemand glaubt, da mit normalem Abschalten rauszukommen. Die Win 8.(1)-und 10-Nutzer sind von vornherein gekniffen. Aber die haben ja (vor wem) nichts zu verbergen?! Nun sollten die Apple- und Android-Benutzer nicht arrogant grinsen, sie verkaufen alle Eingaben an Google und Apple, und somit auch an „interessierte Dienste“. Es bedarf keiner Trojaner, auch keiner Staatstrojaner. Diese sind total von vorgestern.

    2. Liebe Constanze, da in Schland die Unschuldsvermutung herrscht, gibt es keine Zwangsmittel ohne Verdacht. Aber technisch gut gedacht; juristisch, politisch und gesellschaftlich fragwürdig. Wenn du diese Schnittmengen noch mit deinen Vorschlägen vereinbaren kannst, werden wir beste Freunde.

  6. hallo,

    Danke !…., Anna .

    Allheimittel: wohl keine;; Grundrechtsmissbrauchs- verhinerung: Abschaffung des
    Berufsbeamtentums !

    p.s.: hilft ganz nebenbei der Bürgerversicherung;;

  7. …., sorry, das Papier hat vor Schreck ein “ d “ verschluckt– bei der „Verhinderung“– ;)

  8. Na klar, rechtlich absichern, das der !Landes-VS Datenverarbeitungs- und Erfassungsgeräte mit Trojaner vollwerfen darf. Eigentlich ne Super-Idee.
    Kann denn die so sorgfältig eingepflegte Richterentscheidung, wenn über Fälle der Geheimhaltungsstufe entschieden wird, öffentlich eingesehen und kontrolliert werden?
    Oder wird dann dort in Hessen so etwas wie ein teilzeit-Geheimgericht eingeführt, dessen Entscheidungen weder einsehbar noch überprüfbar noch anfechtbar wären?
    Wie stehts mit den Informationspflichten gegenüber angegriffenen? Wie stets mit den Möglichkeiten der rechtlichen Gegenwehr in akuten Fällen?
    Schlecht?
    Wie ist sichergestellt, dass Angegriffene (nicht nur die direkt angegriffenen, sondern eben auch die indirekt Betroffenen), die Möglichkeit erhalten sich wirkungsvoll und !kurzfristig gegen eine solche Maßnahme einzusetzen?
    Garnicht?
    Oh, wenn der Landes-VS das darf und öffentlich nicht umfassend kontrollierbar ist, was ist dann zu erwarten? Wie groß ist die Gefahr eines Missbrauchs, falls man schon den Gebrauch, das tue ich nicht, als akzeptabel einschätzen würde?
    So mittel?
    Die Grünen? Was für Opfer. Um das mal in Kindersprache zu fassen.

  9. Muss der VS dann auch jede gefundene Schwachstelle erst einem Richter vorlegen, ob sie dazu geeignet sei, bei Geheimhaltung Zivilbevölkerung, Krankenhäuser und/oder Wirtschaft zu schädigen, bevor sie zu einem Trojaner verwurstet und genutzt werden darf?

  10. „Computer und Smartphones mit Schadsoftware identifizieren“ sollte möglicherweise „Computer und Smartphones mit Schadsoftware infizieren“ heißen?

  11. Die derzeitigen Gruenen sind nur als Gegner von irgendwas konservativem bekannt, wenn sie nicht in einer konservativen Regierung sitzen. Sowohl Hessen als auch BaWue fuehren das derzeit vor, und die Bundesgruenen mit Cem und KGE werden das locker uebertreffen. Schliesslich will Cem Aussenminister werden und endlich seine transatlantischen Goenner begluecken…

  12. Es ist seit langem nötig, dem Verfassungsschutz mehr auf die Finger zu sehen. Doch dass er ermächtigt werden soll, Quellen-TKÜ und verdeckte Online-Durchsuchung zu nutzen, zeigt, dass man die Kontrollfunktionen des Parlaments nur vorsieht, damit DIE GRÜNEN eine Ausrede für ihre Zustimmung haben. Im Land Berlin wurden trotz Richtervorbehalt innerhalb eines Jahres mehr als eine Millionen Telefonate abgehört, die Internetüberwachung wurde nahezu verdoppelt, und in neun Jahren wurde kein einziger Antrag zur Überwachung abgewiesen. Die Stasi wäre froh gewesen, hätte sie solche Möglichkeiten gehabt.

    Auf Bundesebene sind die Grünen gegen die Maßnahme, die sie jetzt in Hessen durchwinken, um noch ein paar Monate an den Hebeln der Macht zu sitzen. Ich finde diese Verhalten einfach nur widerlich.

  13. Die Grünen in Berlin ziehen nach, hier unter rot-rot-grün: Personeller Zuwachs für den Landesgeheimdienst, Verdoppelung des Spitzel-Budgets und Aufrüstung in Big Data. Der grüne Abgeordnete im Fachausschuss hat damit eine persönliche 180-Grad-Wende zur vorangegangenen Oppositionszeit hingelegt. Für seinen peinlichen Auftritt erntete er den Spott des ganzen Saals.
    https://berlin-mitte.gegen-ueberwachung.de/2017/10/blau-ist-das-neue-gruen

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