Datenschutz-ZentrumWer in einer Funkzellenabfrage landet, muss endlich darüber informiert werden

Täglich landen millionenfach Handy-Daten Unschuldiger mittels Funkzellenabfragen bei der Polizei. Das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz fordert, dass Betroffene informiert werden, beispielsweise per SMS. Denn obwohl die Abfragen zur Routine geworden sind, bleiben Betroffene bisher im Dunklen.

Bei einer Funkzellenabfrage werden sämtliche Handy-Verbindungen innerhalb einer oder mehrerer dieser Funkzellen an die Polizei gegeben. Bild: Jimmy Chang. Lizenz: Creative Commons Zero.

Dieser Beitrag vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein erschien zunächst unter dem Titel „Möglichkeiten für verbesserte Transparenz bei Funkzellenabfragen“ als Umdruck 18/7553 in den Parlamentsdokumenten des Landtags Schleswig-Holstein.

I. Zusammenfassung

Heimliche Überwachungsmaßnahmen, wie z. B. die Funkzellenabfrage, stellen einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Nach einer Funkzellenabfrage müssen daher insbesondere diejenigen von einer solchen Maßnahme in Kenntnis gesetzt werden, deren Verkehrsdaten erhoben werden, ohne dass sie Beschuldigte einer Straftat oder Adressaten der Maßnahme sind.

Unter Hinweis auf einen unverhältnismäßig hohen Aufwand zur Identitätsfeststellung unterbleibt jedoch regelmäßig die Information dieser Betroffenen, die nicht Zielpersonen sind und deren Identität mangels Relevanz für das der Maßnahme zugrundeliegende Verfahren nicht ermittelt wird. Allein das Erheben und Übermitteln der Verkehrsdaten an Strafverfolgungsbehörden macht es aber auch in diesen Fällen des „Beifangs“ notwendig, die Betroffenen im Nachhinein zu informieren.

Im Folgenden werden ausgehend von den rechtlichen Grundlagen zur Funkzellenabfrage verschiedene Möglichkeiten für die rechtsstaatlich gebotene Transparenz kurz dargestellt. Dieser Überblick zeigt, dass den rechtlichen Anforderungen in datenschutzfördernder Art und Weise Genüge getan werden kann. Insbesondere sind datenminimierende Lösungsansätze denkbar, in denen Betroffene informiert werden können, ohne dass es einer umfangreichen zusätzlichen Datenerhebung über ihre Person bedarf. Damit würde dem Willen des Gesetzgebers, grundsätzlich umfassende Transparenz herzustellen, entsprochen.

II. Ausgangslage

Die Strafprozeßordnung (StPO) regelt in § 100g Abs. 3 die Erhebung von angefallenen Verkehrsdaten in einer Funkzelle (Funkzellenabfrage). Die Betroffenen sind hierüber gemäß § 101a Abs. 6 StPO zu benachrichtigen:

Die Beteiligten der betroffenen Telekommunikation sind von der Erhebung der Verkehrsdaten nach § 100g zu benachrichtigen. § 101 Absatz 4 Satz 2 bis 5 und Absatz 5 bis 7 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass

  1. das Unterbleiben der Benachrichtigung nach § 101 Absatz 4 Satz 3 der Anordnung des zuständigen Gerichts bedarf;
  2. abweichend von § 101 Absatz 6 Satz 1 die Zurückstellung der Benachrichtigung nach § 101 Absatz 5 Satz 1 stets der Anordnung des zuständigen Gerichts bedarf und eine erstmalige Zurückstellung auf höchstens zwölf Monate zu befristen ist.

In welcher Form die Benachrichtigung geschehen soll, wird nicht konkret geregelt. Allerdings verweist § 100g Abs. 3 StPO auf § 101 Abs. 4 S. 2-5 und 5 StPO:

(4) […] Dabei ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 7 und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nummer 2 und 3 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer in Satz 1 bezeichneten Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist.

(5) Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit einer Person und von bedeutenden Vermögenswerten, im Fall des § 110a auch der Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers möglich ist. Wird die Benachrichtigung nach Satz 1 zurückgestellt, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

In Abbildung 1 wird die aktuelle Situation veranschaulicht:


Darstellung der Funkzellenabfrage und der nachträglichen Benachrichtigung

Von einer Funkzellenabfrage sind in der Regel diejenigen zu benachrichtigen, von denen Namen und Adresse bekannt sind. Dazu gehören in der Regel die Beschuldigten, aber auch Nicht-Beschuldigte können davon umfasst sein.

III. Kommentarlage zur Benachrichtigungsform

Der Beck’sche Online-Kommentar StPO/Hegmann StPO § 101 Rn. 39-41 führt hierzu aus:

Die Benachrichtigung erfolgt schriftlich. Ihr Inhalt muss so viele Angaben enthalten, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs sichergestellt ist und es dem zu Benachrichtigenden ermöglicht wird, die verdeckte Maßnahme einer gerichtlichen Prüfung zu unterwerfen. Die Benachrichtigungspflicht reicht demnach nur soweit, wie die Beteiligten tatsächlich von der Maßnahme betroffen sind (Bundestags-Drucksache 12/989, S. 41). Um Nachfragen zu vermeiden, sollte die Benachrichtigung jedenfalls die Art der Maßnahme benennen, den überwachten Zeitraum anführen und Angaben darüber enthalten, welcher Anschluss überwacht wurde oder mit wem die Kommunikation geführt wurde oder mit wem der Kontakt stattfand (KK-StPO/Bruns Rn. 22a). Die Betroffenen sind gem. § 101 Abs. 4 S. 2 über die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes und die Zwei-Wochen-Frist des § 101 Abs. 7 S. 2 zu belehren.

Auch der Münchener Kommentar zur StPO/Günther StPO § 101 Rn. 45-47 fordert die Schriftlichkeit:

Die Benachrichtigung muss schon aus Gründen der Rechtssicherheit schriftlich erfolgen. Nur so kann sich der Betroffene einen Überblick über Art und Umfang der Maßnahme verschaffen und ist später substanziell überprüfbar, ob und in welchem Umfang er tatsächlich unterrichtet wurde.

Verfassungsrechtlich verankert ist die Benachrichtigungspflicht sowohl im Recht auf informationelle Selbstbestimmung als auch in der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz.

IV. Besonderheiten der Funkzellenabfrage

Die Besonderheit der Funkzellenabfrage ist, dass hierbei oftmals Daten zahlreicher unbeteiligter Personen erhoben werden, deren genaue Identität erst anhand von erhobenen Telefonnummern bzw. anderen Identifikatoren wie der International Mobile Station Equipment Identity (IMEI; eine eindeutige 15-stellige Seriennummer) ermittelt werden müsste. Das bedeutet, dass aus Anlass der Benachrichtigung weitere Daten über die Betroffenen erhoben würden und somit der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch intensiviert würde. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und hat in § 101 Abs. 4 S. 5 StPO geregelt, dass eine solche Nachforschung nur erfolgen soll, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist. Bei Funkzellenabfragen dürfte in der Regel diese Gebotenheit entfallen und damit auch keine direkte Benachrichtigungspflicht bestehen. Dies widerspricht jedoch dem Grundgedanken des § 101a Abs. 6 StPO, der bei Verkehrsdatenerhebungen, zu denen auch Funkzellenabfragen gehören, eine Benachrichtigungspflicht ausdrücklich regelt.

Es ist daher notwendig, ein abgewogenes Verfahren zu etablieren, das einen Ausgleich zwischen der Transparenz über die Betroffenheit von einer Funkzellenabfrage und der Minimierung der erhobenen Daten erreicht. Hierbei sind mehrere Modelle denkbar, wie sie im folgenden Abschnitt dargestellt werden.

V. Möglichkeiten bzgl. einer Benachrichtigung und einer Erhöhung der Transparenz

a) Schriftliche Mitteilung nach Identifikation der Betroffenen im Einzelfall

Entsprechend den o. g. StPO-Kommentaren soll eine schriftliche Benachrichtigung der Betroffenen ergehen.

Die schriftliche Benachrichtigung hat den Vorteil, dass hierbei ausreichend ausführlich über die Maßnahme aufgeklärt werden kann und die gerichtliche Überprüfung erleichtert wird, indem ein offizielles Schriftstück vorliegt und in ein Verfahren eingebracht werden kann.

Nachteil dieses Verfahrens ist jedoch, dass hierfür – veranlasst durch die Strafverfolgungsbehörden – zusätzlich umfangreiche Daten über die Betroffenen insbesondere bei den Mobilfunkprovidern erhoben werden müssen, um eine Zuordnung von Telefonnummern/IMEI etc. zu einer Person zu erreichen. Dabei muss es sich bei der ermittelten Person nicht einmal um denjenigen handeln, dessen Mobilfunkgerät von der Funkzellenabfrage betroffen war. So kann hierbei etwa einem Familienmitglied das Mobilfunkgerät überlassen worden sein. Derjenige, der den Mobilfunkvertrag geschlossen hat, würde somit zusätzliche Informationen über den Nutzer des Geräts erfahren.

Schwerer wiegt jedoch, dass der Grundrechtseingriff durch die zusätzliche Ermittlung der Betroffenendaten noch deutlich intensiviert wird. Zunächst waren nur Telefonnummern erhoben worden. Nunmehr würden auch Namen und Adressen Unbeteiligter zumindest kurzfristig im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erhoben und gespeichert werden. Das Risiko, dass hierbei Fehler im Umgang mit den Daten geschehen, erhöht sich.

b) Schriftliche Information an registrierte Betroffene

Betroffene könnten die identifizierenden Daten auch selbst an die Strafverfolgungsbehörden liefern, um damit ihrem Wunsch Ausdruck zu verleihen, im Fall von Funkzellenabfragen informiert zu werden. Zu diesem Zweck werden verschiedentlich im Internet Musterbriefe angeboten.

Die Vorteile der Lösung entsprechen den Darstellungen unter a). Zudem unterbleibt seitens der Strafverfolgungsbehörden eine aufwendige Recherche, auch wenn die von den Betroffenen offenbarten Informationen geprüft werden müssen.

Als Nachteil ist zu vermerken, dass durch die selbst dargebotenen Informationen diese Daten bei den Strafverfolgungsbehörden für längere Zeit gespeichert werden müssten.

c) Information per SMS-Nachricht

Denkbar wäre es, die Betroffenen im Nachgang zu einer Funkzellenabfrage per SMS hierüber zu informieren. Vorteil dieses Vorgehens wäre, dass keine zusätzlichen Daten erhoben werden müssten, sondern die schon vorhandenen Daten genutzt werden würden.

Nachteil ist jedoch, dass technisch bedingt der Umfang der Benachrichtigung eingeschränkt ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, müsste im Rahmen der Benachrichtigung ausführlich darüber aufgeklärt werden, was für eine Maßnahme es war, wieso der Betroffene hiervon erfasst wurde und was dieses konkret bedeutet. Auch müsste ggf. auf mögliche Rechte hingewiesen werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass bei Personen, die nicht mit den Hintergründen der Funkzellenerfassung vertraut sind, der Eindruck entsteht, sie seien nunmehr unmittelbarer Gegenstand einer polizeilichen Ermittlung. Ein solch ausführlicher Text dürfte nicht in eine SMS-Nachricht (160 Zeichen) und auch nicht in eine verbundene SMS-Nachricht von typischerweise maximal 640 Zeichen passen. Hinzu kommt, dass aufgrund der leichten Fälschbarkeit von SMS-Absenderadressen solche SMS-Nachrichten als Spam angesehen werden könnten oder dass Betrüger ähnliche imitierende SMS-Nachrichten zu eigenen Zwecken verschicken.

Daneben kann auch bei diesem Verfahren nicht sichergestellt werden, dass der Empfänger der SMS-Nachricht derjenige war, der ursprünglich Träger des Mobilfunkgeräts war, als die Funkzellenabfrage erfolgte. Insbesondere bei längerer Verzögerung zwischen Funkzellenabfrage und der Information darüber kann die Nummer mittlerweile an einen anderen Mobilfunkkunden weitergegeben worden sein.

d) Öffentliche Bekanntmachung

Denkbar wäre, dass Funkzellenabfragen auf zentralen Webseiten der Strafverfolgungsbehörden im Nachhinein bekannt gegeben werden. Dies würde betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich diskret über die potentielle eigene Betroffenheit zu informieren.

Allerdings dürfte diesem Vorgehen in vielen Fällen entgegengehalten werden, dass die Ermittlungsbehörden der Öffentlichkeit weitgehenden Einblick in ihre Ermittlungsstrategien geben würden. Dritte könnten längerfristige Analysen hierüber anfertigen. Dies böte aber auch Transparenz über den tatsächlichen Umfang von Funkzellenabfragen. Für die Bedienung eines eher abstrakten Informationsbedarfs über Umfang, Reichweite und Verbreitung von Funkzellenabfragen ist eine öffentliche Bekanntmachung sicherlich geeignet.

Nicht geeignet ist die öffentliche Bekanntmachung jedoch, um die individuelle Benachrichtigung der einzelnen Betroffenen zu erreichen. Durch die Benachrichtigung soll dem Betroffenen Klarheit über seine eigene Betroffenheit geschaffen werden und für ihn auch die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung eröffnen. Eine allgemeine öffentliche Bekanntgabe erfüllt diese Voraussetzung nicht, da der Betroffene nie sicher sein kann, ob tatsächlich Daten von ihm erhoben wurden. Auch dürften nur wenige Personen tatsächlich regelmäßig die Webseiten der Ermittlungsbehörden hierfür besuchen.

e) Kombinierte Idee

Ausgehend vom Gebot der Transparenz könnte ergänzend zur Benachrichtigungspflicht eine Möglichkeit entwickelt werden, dass Bürgerinnen und Bürger über die Betroffenheit einer Funkzellenabfrage informiert werden, ohne dass weitere Nachforschungen zu ihrer Identität erforderlich sind (siehe § 101 Abs. 4 S. 5 StPO).

Aus den oben genannten Gründen ist zweifelhaft, ob auf Basis der heute verbreiteten Technik ein solches Modell sämtliche Anforderungen an eine Benachrichtigung nach § 101a Abs. 6 StPO abbilden kann. Insbesondere die sich aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ergebenden Anforderungen für eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme dürften mit diesem Modell schwer zu erfüllen sein. Die durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gebotene Transparenz kann jedoch auch durch Maßnahmen erreicht werden, die nicht die Voraussetzungen für die Gewährleistung des Rechtsschutzes erfüllen. Das Modell kann daher zur Erhöhung der Transparenz in solchen Fällen in Betracht kommen, in denen eine Benachrichtigungspflicht aufgrund der Ausnahmeregelung des § 101 Abs. 4 Satz 5 StPO nicht besteht. Auch wenn es sich nicht um die gesetzlich vorgesehene Benachrichtigung handelt, werden hierbei personenbezogene Daten verarbeitet. Daraus ergeben sich folgende datenschutzrechtliche Anforderungen:

  1. Der Inhalt der Information sollte auf das für die Herstellung von Transparenz erforderliche Mindestmaß beschränkt werden. Zweck der Information sollte sein, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der in der Funkzelle betroffenen Anschlussinhaber nachzukommen. Dafür ist eine Information über Ort und Zeitpunkt der Maßnahme und die Erfassung von Daten des Anschlussinhabers erforderlich. Informationen über das zu Grunde liegende Strafverfahren sind hingegen für diesen Zweck nicht erforderlich und sollten unterbleiben.
  2. Das Informationsverfahren sollte – zumindest initial bei seiner Einführung – nur auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen durchgeführt werden. Grundsätzlich besteht zwar die Möglichkeit, dass stets alle Anschlussinhaber informiert werden; jedoch sollten sie sich darüber bewusst sein, dass bei einer Weitergabe des Mobilfunkgeräts möglicherweise eine andere Person betroffen oder informiert wird.
  3. Letztgenannte Anforderung wird eine Registrierung derjenigen Anschlussinhaber erfordern, die an dem Informationsverfahren teilnehmen möchten. Damit entsteht eine weitere Datensammlung mit Anschlusskennungen derjenigen Personen, die eine Information wünschen. Dies kann mit weiteren Datenverarbeitungen verbunden sein, etwa zum Zweck des Identitätsnachweises. Diese Daten sollten einer strengen Zweckbindung unterliegen, die sowohl rechtlich, technisch als auch organisatorisch sichergestellt werden sollte.

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen käme folgender Lösungsansatz in Betracht:

Denkbar wäre etwa, dass Bürgerinnen und Bürger im Vorfeld selber entscheiden, ob sie über Funkzellenabfragen per SMS-Nachricht informiert werden möchten. Dies könnte im Rahmen des Abschlusses des Mobilfunkvertrages erfolgen. Wer sich dann für die SMS-Information entscheidet, müsste bestätigen, dass die Nutzer des Mobilfunkgeräts hierüber von ihm unterrichtet wurden. Außerdem müsste ein Abgleich erfolgen, so dass bei Neuvergabe einer Mobilfunknummer die zugehörige Beauftragung der SMS-Information für diese Nummer gelöscht wird. Wünschenswert wäre es, wenn der Wunsch nach Information im Fall einer Funkzellenabfrage auch auf die neue Nummer übertragbar wäre, so dass der Betroffene selbst nach einem Nummernwechsel noch über die vorhergehende Betroffenheit bei einer Funkzellenabfrage informiert werden könnte. Eine solche Speicherung der Nummernkette würde allerdings auch die Einwilligung des Betroffenen erfordern, da es sich hierbei um eine eigene Datenspeicherung handelt. Geprüft werden müsste auch, was beim Versterben des Betroffenen geschieht.

Die Mobilfunkprovider müssten eine gemeinsame Liste der Nummern führen, die eine SMS-Information wünschen. Diese müsste aktuell gehalten werden und ggf. Nummernänderungen beinhalten. Kritisch wäre es, wenn diese Liste an Strafverfolgungsbehörden übermittelt würde. Eventuell könnten dann bei eintragungswilligen Personen Bedenken bestehen, dass die Strafverfolgungsbehörden irgendwelche Rückschlüsse aus der Aufnahme in die Liste ziehen könnten. Somit sollte der Abgleich zwischen den betroffenen Telefonnummern und der Liste durch die Mobilfunkprovider erfolgen, die dann auch den Versand der Nummern vornehmen. Alternativ könnten die Strafverfolgungsbehörden die SMS-Informationen von einer den Mobilfunkprovidern bekannten und für diese Zwecke eingerichteten Nummer versenden, und für diejenigen Anschlussinhaber, die keine Information wünschen, wäre eine Zustellung von dieser Nummer vom Mobilfunkprovider gesperrt. Eine Eingangsbestätigung der zugestellten (und nicht blockierten) SMS-Nachrichten dürfte nicht, oder jedenfalls nicht mit Nennung der Nummern, erfolgen.


Lösungsansatz der Kombination von Benachrichtigung und Informations-SMS

Vorteil dieses Lösungsansatzes wäre, dass die Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Information per SMS-Nachricht entscheiden, schon im Vorfeld über den Einsatz des Instruments der Funkzellenabfrage und über sich daraus ergebende Benachrichtigungspflichten informiert werden. Die SMS-Nachricht könnte somit kürzer gehalten werden.

Nachteil dieses Lösungsansatzes wäre es, dass er ggf. einer Gesetzesanpassung bedarf, um die Mobilfunkprovider zur Erhebung dieser Entscheidung beim Vertragsschluss zu veranlassen. Eine alternative freiwillige nachträgliche Anmeldung durch Mobilfunkkunden für einen Service, nach Funkzellenabfragen per SMS-Nachricht informiert zu werden, hätte den Nachteil, dass die Kunden nochmals gesondert ihre Identität belegen müssten. Auch würde dieses bedeuten, dass – wenn auch mit Einwilligung der Betroffenen – eine zusätzliche Mobilfunknummernliste mit potentiell besonders datenschutzinteressierten Personen bestehen würde.

f) Einbindung von Treuhändern oder datenschutzfördernden Systemen

Die obigen Lösungsansätze beschränken sich darauf, dass die Strafverfolgungsbehörden selbst oder die Mobilfunkprovider, die die Daten für die Funkzellenabfrage herausgegeben haben, die Daten über die zu benachrichtigenden oder zu informierenden Personen erfassen und speichern. Selbstverständlich könnten hierbei auch zusätzliche Parteien zum Einsatz kommen, die als unabhängige Treuhänder Register über die Wünsche der Personen bezüglich der Information zur Funkzellenabfrage führen könnten.

Auch könnten innovative Konzepte zu datenschutzfördernden Systemen verwendet werden, beispielsweise in Abwandlung der unter e) vorgestellten Lösungsidee:

  • Personen, die über ihre Betroffenheit bei Funkzellenabfragen informiert werden möchten, würden zu ihrer Telefonnummer eine Kennung hinterlegen. Da Fehlzuordnungen unterbunden werden müssen, wäre ein Nachweis erforderlich, dass die Person tatsächlich Anschlussinhaber ist und die Nummer verwendet.
  • Die Kennung würde darüber Auskunft geben, wie die Person erreicht werden kann.
  • Zu diesem Zweck käme als Kennung ein öffentlicher Kryptoschlüssel eines asymmetrischen Verschlüsselungsverfahrens infrage; der korrespondierende private Schlüssel wäre ausschließlich von der Person mit der entsprechenden Telefonnummer nutzbar. Nur diese Person könnte also Nachrichten, die mit dem öffentlichen Kryptoschlüssel verschlüsselt werden, im Klartext sehen.
  • Es bietet sich an, öffentlichen und privaten Kryptoschlüssel speziell für den Zweck der Information zu generieren, um nicht Verkettungen mit Schlüsseln aus anderen Lebenskontexten der Person zu ermöglichen.
  • Als Erreichbarkeitsmöglichkeiten könnten in der Kennung E-Mail-Adressen (wie beispielsweise im öffentlichen Schlüssel des Verfahrens Pretty Good Privacy (PGP)) oder Verweise auf Online-Portale enthalten sein. Da die Informationen über die Funkzellenabfrage nur individuell verschlüsselt bereitgestellt würden, wäre die Vertraulichkeit gegenüber allen Unberechtigten, d. h. allen anderen Personen ohne Zugriff auf den geheimen Schlüssel, gewahrt.
  • Auch bei einer Zustellung per E-Mail wäre es nicht erforderlich, eine Adresse zu wählen, die mit anderen verwendeten E-Mail-Adressen der Person verkettbar wäre. Zum einen ließen sich gesonderte E-Mail-Adressen generieren, zum anderen wäre sogar eine Zustellung über ein anonymisierendes Kommunikationsnetz möglich, wie dies beispielsweise im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt AN.ON-Next untersucht wird. Die Zustellung könnte unbeobachtbar und unter Wahrung der Empfänger-Anonymität geschehen. Damit wäre ausgeschlossen, dass auswertbare Register über alle Personen, die über eine Funkzellenabfrage informiert werden möchten, entstehen.
  • Die Authentizität der Information wäre mit Hilfe einer fortgeschrittenen oder qualifizierten elektronischen Signatur der Absender überprüfbar.
  • Grundsätzlich könnten mit einer solchen Lösung nicht nur die Information über die Funkzellenabfrage, sondern auch die Benachrichtigungen an Nicht-Beschuldigte gem. nach § 101a Abs. 6 StPO erbracht werden.

Es ist dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) bewusst, dass eine solche datenschutzfördernde Lösung – obwohl auf existierenden technischen Komponenten und Verfahren beruhend – voraussetzungsvoll ist und zunächst nicht viele Personen erreichen würde. Allerdings spricht dies nicht gegen die Machbarkeit, sondern der Lösungsansatz zeigt vielmehr auf, dass derzeit vom Gesetz angenommene Hürden in datenschutzfreundlicher Art und Weise durch innovative Technik überwunden werden können. Sollte Bereitschaft bestehen, in einem Pilotprojekt solche datenschutzfreundlichen Informationsmöglichkeiten – beispielsweise im Rahmen der Digitalen Agenda – unter Beweis zu stellen, bietet das ULD an, das Konzept weiter zu konkretisieren und Implementierung und Einsatz der Lösung zu begleiten.

VI. Fazit

Auch wenn zurzeit die Benachrichtigung gem. § 101a Abs. 6 StPO nicht in allen Fällen der Funkzellenabfrage in der gebotenen Form erfolgen kann, sollten doch dringend transparenzsteigernde Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Dazu gehört neben der Benachrichtigung für diejenigen, für die die Möglichkeit einer schriftlichen Zustellbarkeit bekannt ist, die Option einer Information per SMS oder mit Hilfe von datenschutzfreundlichen Konzepten. Notwendig ist die vorherige Aufklärung der Betroffenen in Bezug auf eine Weitergabe des eigenen oder Nutzung eines fremden Mobilfunkgeräts.

4 Ergänzungen

  1. Vielen Dank für die schöne Darstellung. Eine sehr sinnvolle Idee der ich drei Aspekte hinzufügen möchte:
    a) Es gibt viele Stellen, die Funkzellenabfragen durchführen können. Statt die Daten beim Provider zu sammeln, könnten sie auf eine Blockchain gelegt werden. Dort können sie nachträglich nicht manipuliert werden und es ist auch nachweisbar, wann die Information der Betroffenen erfolgte. Natürlich erfolgt die Ablage auf der Blockchain wie im Beitrag beschrieben verschlüsselt, so dass nur die Betroffenen selbst nachvollziehen können, wann sie wo von wem abgefragt wurden.
    b) Der Pushdienst zur aktiven Information der Betroffenen kann bei einer Blockchain von beliebigen unabhängigen Diensten angeboten werden, da Blockchains öffentlich sind. Dadurch wird vermieden, dass hierbei irgendwo zentrale Datensammlungen entstehen. Die Daten auf der Blockchain werden dafür mit zwei Verfahren verschlüsselt. Mit dem ersten Key werden alle Daten bis auf eine vom Nutzer gewählte ID verschlüsselt. Mit dem zweiten Key wird zudem die gewählte ID verschlüsselt. Der private Teil des zweiten Key wird an einen Pushdienst weitergegeben, die damit erkennen können, welche Einträge zu dieser ID gehören und dann das ansonsten noch verschlüsselte Datenpaket an den Betroffenen versenden kann.
    Damit hat der Pushdienst weder Inhalt noch Telefonnummer. Zudem gibt es nicht einen sondern viele unabhängige Pushdienste. Der Provider erhält keine Informationen und die überwachende Stelle wird weder über andere Überwachungsaktionen noch über die E-Mail-Adresse des Betroffenen informiert.
    c) Die Information darüber dass man von einer Funkzellenabfrage erfasst wurde, sagt wenig über die Tiefe des Eingriffs aus. Möglicherweise wurde man durch einen zweiten Abgleich gleich wieder aussortiert oder es wurden alle möglichen weiteren Daten beschafft und man wurde als Verdächtiger geführt. Dies sollte ebenfalls mitgeteilt werden. Sonst bringt die Information der Betroffenen wenig.

    Wenn Sie Interesse an einem solchen dezentralen Ansatz haben und die Idee weiterverfolgen möchten, kontaktieren Sie mich gerne https://erbguth.ch

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.