Normalerweise wird über die Herkunft von Geflüchteten und ihren Fluchtgrund nach der mündlichen Anhörung befunden. Denn in dieser Anhörung sind Sachkundige und Dolmetscher anwesend, welche die Herkunft und Fluchtgründe beurteilen können.
Die Bundesregierung will mit ihrem „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ nun eine massenhafte Durchsuchung von Smartphones der Geflüchteten erlauben, um die Herkunft zu bestimmen. Das Gesetz, an dessen Verfassungsmäßigkeit die Bundesdatenschutzbeauftragte zweifelt, könnte bis zu 60 Prozent aller Asylbewerber betreffen.
Die Befürworter des Gesetzes argumentieren gerne damit, dass das Durchsuchen der Handys die letzte Maßnahme sei. So sagte zum Beispiel der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci bei der ersten Beratung im Bundestag:
Wenn jemand keine Papiere hat, aber ein Handy, dann muss man im Zweifel nach Ausschöpfung aller anderen Mittel, nach dem Interview und nach Hinzuziehung von Experten, auch die Handydaten nutzen können.
Der Gesetzentwurf selbst scheint hingegen so weit gefasst, dass man beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der Meinung ist, schon gleich bei der ersten Anhörung – also vor Ausschöpfung aller Mittel – die Handys durchsuchen zu können. Das geht aus Sachverständigenanhörung zum Gesetz am vergangenen Montag hervor. Markus Richter, Abteilungsleiter Infrastruktur und IT beim BAMF, sagte mehrfach, dass die Auswertung der Handydaten „kurz vor“ oder „während der Anhörung“ stattfinden solle.
In der schriftlichen Stellungnahme des BAMF ist davon die Rede, dass das Durchsuchen der Handys „dem Anhörer eine Hilfestellung in der Durchführung der Anhörung“ geben könne. Weiter heißt es:
Die Daten sollen während der Registrierung oder unmittelbar vor der Anhörung in den Außenstellen ausgelesen und in einem Report synthetisiert werden. Ergebnisse werden zur Assistenz in die Anhörung einfließen.
Zwar erkennt auch das BAMF auf dem Papier an, dass das Auslesen nicht regelhaft erfolgen soll und es eine Einzelfallprüfung geben soll. Die Aussagen aus der Stellungnahme und der Anhörung sind aber wenig anders zu interpretieren, als dass sich die Durchsuchung von Handys entgegen der datenschutz- und verfassungsrechtlichen Bedenken zu einem Standardinstrument vor Ausschöpfung aller anderen Mittel entwickeln könnte.
Man darf auf dem Standpunkt stehen, dass es im Sinne eines Asylbewerbers sein sollte, dass sein Asylantrag möglichst zügig bearbeitet wird, wenn der Asylsuchende auch tatsächlich ein Asylsuchender nach den geltenden Asylgesetzen ist. Es ist im Prinzip effizient, wenn bei seiner 1. Anhörung das Instrument der Datenauskunft über das Smartphone mitberücksichtigt wird. Es sollte eigentlich die aktive Mitwirkung des Asylsuchenden zur Identifikationsfeststellung Voraussetzung für ein erfolgversprechendes Asylverfahren sein. Es sollte nicht die Beweislast des aufnehmenden Staates sein, dem Asylbewerber dessen Identität nachweisen zu müssen. Der Datenabgleich sollte definitiv nicht als 1. Instanz genutzt werden und sollte im Eigeninteresse des Asylbewerbers auch freiwillig sein. Man muss davon ausgehen, wenn ein Asylbewerber großen Wert auf die Verschleierung seiner Identität legt, dass dieser auch unberechtigterweise einen Asylantrag gestellt hat. Ein Rechtsstaat muss auch wissen, wen er versorgt und unterstützt…
Nur ist es eben so, dass sie schwere Grundrechtseingriffe nicht mit Effizienz begründen können.
Solange es Methoden gibt die Identitaet von irgendjemandem ohne massive Verletzung der Intimsphaere festzustellen, hat das doch wohl auch per diesen Methoden zu erfolgen.
Es kann doch irgendwie nicht sein, dass aus Geschwindigkeitsgruenden – die ich nebenbei stark bezweifele – die Menschlichkeite einfach mal auf der Strecke bleibt. Diese Argumentation, es sei ja im eigenen Interesse der Asylsuchenden ist doch Mumpitz.
Wenn ein Asylbewerber seine Identität und Herkunft aus welchem Grunde auch immer verschleiern möchte, dann kommt er heute ins Land ohne Reisepass (wurde gestohlen, verloren, entwendet), morgen dann eben ist er (vorübergehend ) ohne Handy. Ich kann daher nicht sehen, dass all diese Maßnahmen so wirklich sinnvoll sind. Klar, es gibt pro und contra zu jeder Maßnahme, aber das mal als eine Bemerkung an der Seitenlinie.
Würdest Du bei ALG II-Empfängern genauso argumentieren? Auch bei ALG II-Empfängern könnte man ja einfach mal sämtliche elektronischen Geräte scannen, um festzustellen, ob sie z.B. nicht doch in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Wenn nein, warum?
@Thomas Brück
„…muss auch wissen, wen er versorgt und unterstützt…“
Wenn Sie demnächst eine neue Tätigkeit anvisieren,plädiere ich dafür dass Ihr zukünftiger Arbeitgeber ihr Handy ebenfalls auswerten darf,vielleicht sind Sie charakterlich ungeeignet und haben eine kriminelle Vita.
Frei nach Ihrer Aussage,Ein Arbeitgeber „muss auch wissen, wen er versorgt und unterstützt…“
Das Beschneiden der Rechte von Anderen,besonders von stark Bedürftigen ,scheint groß in Mode zu sein,gleiches Recht für alle mutiert durch Leute wie Sie zum Auslaufmodell.
Ersetzen Sie bei Ihrem Post das Wort Asylsuchender,Flüchtling mit Arbeitnehmer ,Mitarbeiter,Bürger,
dann wird Ihnen bewusst,welch massiven Grundrechtseingriffe sie fordern
Gut, mein Arbeitgeber könnte das Smartphone bekommen. Da ließe sich garantiert nichts auslesen. Aber es dürfte auch im Interesse der Flüchtlinge sein, wenn ihre Identität zweifelsfrei geklärt wäre. Die Handy-Masche würde ich sogar als guten Willen der Behörden auffassen. Normalerweise wären Leute mit Handy und ohne Papiere sehr sehr suspekt.
Von welchen Daten genau wird sich denn eigentlich Aufklaerung erhofft? Dem Telefonbuch? Den Bildern? Hoffen die Beamten, dass das Bewegungsprofil mitgeschnitten wurde? Was, wenn nur per Skype App telefoniert wird? Muessen die Passwoerter zu saemtlichen Onlinediensten auch bereitgestellt werden? Verzeiht meine Ignoranz aber gibts da irgendwo ein Dokument/einen Link, der das naeher eroertert?
Sind da auch meine Daten mit dabei? Es könnte sein, dass ein Asylbewerber nämlich das Kärtchen mit den Zugangsdaten mit PIN & PUK gefunden hat! Die Festnetzanschlussnummer konnte ich aufgrund regen Interesses der Leiharbeitsfirmen nicht mehr beibehalten, 2012 war nicht nur ich etwas zu hastig. Der Max Maulwurf, der jetzt die Bahnschienen immer dort aufzureißen scheint, wo ich gerade einstöckig reise, mag meine Telefonnummer zum Anlegen des Suchauftrages. Den 2. Wanderstock vergaß ich übrigens in der S-Bahn, einen in Karlsruhe durch Deutschland fahre. Inzwischen weiß ich aber, dass ich die verlorenen Hörgeräte ggf. in der Tullastraße hätte finden konnenun nicht in der Nähe des dortigen Marktplatzes. Das Berliner S-Bahn-Fundbüro suche ich noch. Meine Zet im Internetcafé läuft leider ….
Das Acid wirkt stark aber es wirkt.
Grundsätzlich besteht bei allen Maßnahmen, die sich derzeit „nur“ gegen Geflüchtete richten, die Gefahr, dass der Personenkreis ausgeweitet wird. Erfahrungen hat man dann ja schon gesammelt. Ich verweise da mal auf Martin Niemöller.
@Skeptiker
Der Niemöller Verweis ist mehr als berechtigt.
Wieder hantiert die Politik mit Sündenböcken ,deren Grundrechte beschnitten werden,an denen jedwede Sauereien verübt werden ,ohne das ein Aufbegehren erfolgt,wieso auch ,es sind ja keine Deutsche,oder Christen.
Nationalismus und religiöser Chauvinismus feiern freudige Auferstehung.
Volker Kauder ,homophober, den Evangelikanern nahestehender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, die Inkarnation des Biedermanns als Brandstifter „Jetzt auf einmal wird Deutsch in Europa gesprochen“ lässt Erinnerungen an den unsäglichen Spruch „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“ wach werden.
Zitat George Berhard Shaw: Wir lernen aus Erfahrung,dass die Menschen nichts aus Erfahrung lernen.
Das ist eine Sauerei! Ausserdem, woher wollen die denn geänderte Positionsdaten prüfen?
Geht nicht vollumfänglich, Sie können jedoch Plausiblität der gemachten Aussagen mehr oder weniger einfach überprüfen. Das wird wohl auch eher der Gedanke dahinter sein.
Vor der Anhörung kann ich das in der Tat nur bei nicht hinreichenden Gründen des Landeseintrittes [Fehlen von Pass ohne hinreichende Begründung] oder Anreise aus „sicherem“ Land nachvollziehen.
Dieser Passus als Einschränkung fehlt jedoch gänzlich und daher seh ich das kritisch, zumal die Daten ja auch nicht vernichtet werden müssen etc.
Geflüchtet von einem Überwachungsstaat in den nächsten.
Wer nichts zu verbergen hat…blablablupp
Technisch ist sowas schwer bis unmöglich realisierbar. Bekanntlich haben die meisten Handy interne Sperren die ein Auslesen erschweren. Zunächst einmal gibt es einen Geheimcode, zusätzlich sind auch noch Dateisysteme verschlüsselt, teilweise so gut dass selbst Polizeidienststellen ihre Probleme haben, den Code zu knacken. Was kann man da tun? Eine Möglichkeit wäre die Vorratsdatenspeicherung, das also die Daten bereits Jahre vorher erhoben werden, damit sie irgendwann dann eingesehen werden können. Eine zweite Methode sind Quantencomputer wie das Modell dwave Two womit sich angeblich auch sehr komplexe Verschlüsselungsverfahren überwinden lassen.
Natürlich geht der obige Netzpolitik Artikel weniger auf den technischen Aspekte ein, sondern thematisiert eher die moralische Frage. Also ob im Prinzip es erlaubt ist, die persönlichen Daten von jemand anderes auszulesen oder nicht. Nur, die Vergangenheit hat gezeigt, dass gerade im Bereich der Informatik das Argumentieren mit Moral sehr kurzsichtig ist. Informatik ist gesellschaftlich neutral, das heißt es können nur die technischen Methoden bereitgestellt werden, nicht jedoch die Frage beantwortet werden ob sie auch zum Einsatz kommen sollen.
Sie stellen die Berufsgruppe Inormatiker in ihrer Berufsausübung ausserhalb der gesellschaftlichen Moral? Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.
Zu Erinnerungsauffrischung:
Es gab eine Dekade in der deutschen Geschichte wo Wissenschaftler,Ärzte,Richter…. jegliche Moral und Empathie bei ihrer Berufsausübung ausser Acht gelassen haben.
Leute wie Filbinger entzogen sich hinterher Ihrer moralischen Verantwortung :“Was damals rechtens war,kann heute nicht Unrecht sein.“
Ich bin froh wenn Informatiker über ihren Tellerrand sehen können,denn keine Wissenschaft und kein Ressort ist moralisch ungebunden und Kadavergehorsam gegenüber der Obrigkeit oder dem Arbeitgeber ist niemals alternativlos.
Wer Überwachungswerkzeuge entwirft, ist für den Überwachungsstaat mit verantwortlich.
Wer Atombomben kostruiert,sollte wissen welch Schindluder damit betrieben werden kann und ist selbstverständlich moralisch für sein Schaffen verantwortlich,ebenso die Hersteller von Landminen … und anderem kostspieligem Militärunfug.
Sagt ihnen der Name Sacharow etwas?