Ausspähen unter Freunden: BND überwachte jahrelang Weißes Haus

Der Bundesnachrichtendienst soll seit den 1990er-Jahren die US-Regierung, die US-Weltraumorganisation NASA und viele andere Ziele in den USA ausspioniert haben. Das berichtet der Spiegel.

Im Visier der BND-Spionage: Das Weiße Haus – CC0 David Everett Strickler

„Wen überwacht der Bundesnachrichtendienst eigentlich nicht?“, fragte der Geheimdienstexperte der Linken, André Hahn, als vor zwei Monaten bekannt wurde, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) Interpol und Europol jahrelang überwacht hatte. Auch die USA fallen nun aus der Liste raus. Wie der Spiegel berichtet, spähte der deutsche Auslandsgeheimdienst jahrelang Tausende Ziele in den USA aus, darunter das Weiße Haus und die NASA.

Zwischen 1998 und 2006 habe der BND rund 4.000 sogenannte Selektoren mit Ziel in den USA im Einsatz gehabt, heißt es im Spiegel. Selektoren sind beispielsweise E-Mail-Adressen, Telefon- oder Faxnummern. Sie werden zum Durchsuchen und Filtern von Telekommunikationsdaten genutzt. Beim BND waren neben der BND-Selektorenliste auch eine des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA im Einsatz. Um die NSA-Selektorenliste gab es im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss große Streitigkeiten. Die Bundesregierung erlaubte den Abgeordneten die Einsicht jedoch nicht – aus Rücksicht auf die USA. Nur ein von ihr ausgewählter Sonderbeauftragter durfte damals die NSA-Selektoren prüfen.

Ausspähen unter Freunden ist Alltag

Laut Spiegel finden sich auf der Selektorenliste Anschlüsse von US-Regierungseinrichtungen wie dem US-Außenministerium und dem US-Finanzministerium. Zudem spionierte der BND eine Reihe weiterer staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen aus, unter ihnen auch internationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und Botschaften.

Der deutsche Auslandsgeheimdienst spähte außerdem Telefon- oder Faxnummern sowie E-Mail-Adressen amerikanischer Firmen wie Lockheed Martin, der Weltraumorganisation Nasa, der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und von Universitäten in mehreren Bundesstaaten aus. Genauso gerieten Anschlüsse militärischer Einrichtungen wie der US Air Force, des Marinecorps oder der Defence Intelligence Agency, des Militärgeheimdienstes der amerikanischen Streitkräfte, ins Visier des BND.

Dass der BND Verbündete ausspioniert, ist kein Versehen, sondern langjährige Praxis. In den letzten Jahren kamen durch den Geheimdienst-Untersuchungsausschuss und Medienberichte heraus, dass der BND Journalisten, EU-Institutionen, Unternehmen, beinahe jede europäische Regierung und ausländische Botschaften ausspähte. Die neuen Enthüllungen wundern dementsprechend kaum jemanden; die öffentliche Empörung hält sich – anders als in der Vergangenheit – in Grenzen. Ausspähen unter Freunden ist Alltag.

In einer früheren Version des Artikels waren die Selektorenlisten der NSA und des BND vertauscht worden.

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