Reform des Archivgesetzes: Wenn große Koalition erfolgreich ist, wird #Landesverrat nie ganz aufgeklärt

Die anstehende Reform des Bundesarchivgesetzes verschlechtert die demokratische Kontrolle der Geheimdienste weiter. Wenn die Geheimdienste wie vorgesehen von der Pflicht ausgenommen werden, ihre alten Akten ins Archiv zu geben, wird die #Landesverrat-Affäre vermutlich nie vollständig aufgeklärt. Auch Akten zu vielen anderen Skandalen der Geheimdienste blieben für immer geheim.

Eingangstor an der alten BND-Zentrale in Pullach. Foto: CC-BY-SA 4.0 Bjs / Wikimedia Commons

Das Bundesarchiv soll bürgerfreundlicher werden – nur die demokratische Kontrolle der Geheimdienste wird weiter eingeschränkt. Der Entwurf fürs neue Bundesarchivgesetz sieht vor, dass alle Behörden ihre Akten vor der Löschung dem Archiv anbieten müssen. Nur die Nachrichtendienste sollen selbst darüber entscheiden, was sie anbieten und was nicht.

Daran ändert auch eine Neuregelung des ursprünglichen Reformvorschlags nichts, der morgen um 15 Uhr nichtöffentlich im federführenden Kultur- und anderen Ausschüssen beraten wird.

„Quellen- und Methodenschutz“ sind auf alle Dokumente anwendbar

Danach müssen die Geheimdienste dem Archiv nur dann ihre alten Dokumente übergeben, „wenn sie deren Verfügungsberechtigung unterliegen und zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes sowie der Schutz der Identität der bei ihnen beschäftigten Personen einer Abgabe nicht entgegenstehen.“ Da der Bundesnachrichtendienst bei all seinen Affären eine Möglichkeit finden wird, „Quellen- und Methodenschutz“ geltend zu machen, bedeutet die Regelung effektiv: Die Geheimdienste entscheiden selbst, was sie ans Archiv übergeben wollen und was nicht.

Entscheidet sich der Bundestag in der ersten Sitzung im Januar dafür, den Gesetzentwurf anzunehmen, hätte das ernsthafte Konsequenzen für die Aufklärung einer Reihe von Skandalen der Nachrichtendienste, darunter auch der #Landesverrat-Affäre. Bundesnachrichtendienst und Co. würden ihre Akten weiter unter Verschluss halten. Und damit auch Jahrzehnte danach eine öffentliche Einsichtnahme in die Dokumente verhindern. Das sehen auch die meisten Expertinnen und Experten so: Neben der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff sprachen sich im Oktober im Kulturausschuss die meisten Sachverständigen gegen eine Sonderregelung für die Nachrichtendienste aus.

Diese Skandale werden nie aufgeklärt

Wir würden also zum Beispiel nicht vollständig herausfinden, ob wir vor, während und nach den Ermittlungen zum angeblichen #Landesverrat von den Geheimdiensten überwacht wurden. Ähnlich würde auch die vollständige Aufklärung vieler weiterer Skandale vielleicht für immer verhindert werden. Darunter sind zum Beispiel

Die absurde Schutzfristregelung für Dokumente, die bisher nach dem Informationsfreiheitsgesetz zugänglich waren, hat die Koalition immerhin offensichtlich wieder aus dem Reformentwurf entfernt.

Die Grünen-Fraktion wird morgen im Kulturausschuss einen Änderungsvorschlag einbringen, nach dem Dokumente zu bedeutenden Ereignissen wie den oben genannten spätestens nach 20 Jahren zu öffnen sind. Derzeit sieht es aber so aus, dass sie im Gegenteil für immer im Giftschrank landen. Selbst die USA haben transparentere Regelungen im Umgang mit FBI- und CIA-Akten. Wie es aussieht, setzt sich die CDU in der Debatte um die Geheimdienste abermals durch. Die Öffentlichkeit verliert.

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4 Ergänzungen

  1. Die Bundesregierung will das Vertrauen der Bevölkerung in die Dienste nicht erschüttern. Denn dies würde noch deutlich mehr als bisher erschüttert, wenn der ganze Umfang der Zusammenarbeit der Dienste mit Terroristen ans Licht käme. Da sind z.B. die algerischen Terroristen die Deutschland nachweislich unterstützt hat. Da ist das Celler Loch und andere Verbindungen zu den RAF-Terrorist_innen. Da sind die Verbindungen zu den Rechtsterrorist_innen, dem NSU und anderen Organisationen.
    Wobei eigentlich klar ist, dass die mangelnde Aufklärung nicht nur dem Ansehen der Dienste langfristig deutlich mehr schadet, als eine Aufklärung mit anschließender Korrektur der rechtswidrigen Zustände. Aber genau darum geht es den Diensten ja. Jeder Skandal macht es für sie schwieriger die Gesetze zu brechen – selbst dann wenn die Bundesregierung wie aktuell geschehen ein Ermächtigungsgesetz nach dem nächsten durch das Parlament peitscht.
    Die Dienste berichten direkt dem Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt. Vermutlich berichten sie dabei nicht so selektiv und beschönigend wie gegenüber der parlamentarischen Kontrollkommission. Vermutlich erhalten sie dort auch die Anweisungen, wie sie bei der Aufklärung bzw. Verdunkelung der von ihnen begangenen Verbrechen vorgehen sollen. Doch niemand interessiert sich dafür, was Herr Heiß von den Verbrechen wusste, was er angeordnet hat, in wie weit Herr Altmaier als direkter Vorgesetzter darin involviert ist und in wie weit Frau Merkel in die Entscheidungen einbezogen werden. Die Geheimdienste geben sich als scheinbar steuerlose, ein wenig dumme Dienste, die aus Versehen die sie belastenden Akten schreddern, aus Versehen die falschen Leute überwachen und aus Versehen Terrorist_innen vor Strafverfolgung schützen. Allenfalls gibt es ein paar Leute in niedrigen Positionen, die vielleicht nicht gut genug beaufsichtigt worden sind. Die Leiter in den Geheimdiensten selbst und das Bundeskanzleramt haben bestimmt nie rechtswidrige Maßnahmen angeordnet und sind immer wieder völlig überrascht, warum ihre Anordnungen nicht verstanden werden.
    Warum kümmert sich denn ein Untersuchungsausschuss darum, in wie weit hier – wie es so schön heisst, „der Fisch vom Kopf her stinkt“?

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