Berlin nutzt noch keinen Staatstrojaner, aber dankt dem BKA schonmal für die Entwicklung

Staatstrojaner.

Anfang Mai hat der Berliner Senat die Mitglieder des Abgeordnetenhauses darüber informiert, dass man im Jahr 2015 weder Maßnahmen zur akustischen Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchungen von Computern noch Quellen-Telekommunikationsüberwachungen durchgeführt habe. Das reiht sich in die Tradition der letzten Jahre ein, denn laut dem Berliner Senat habe die Berliner Polizei noch nie Software zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung eingesetzt. Zuletzt mit der Begründung, die Software sei „für einen Einsatz noch nicht freigeben.“

In diesem Februar hat das Bundesinnenministerium jedoch die Freigabe für den Staatstrojaner erteilt wenngleich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April schwere Grundrechtsprobleme bei dessen Einsatz angesprochen hat. So genügen die Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben.

In der Antwort des Senats klingt es zunächst so, als wolle man den Staatstrojaner per se nicht einsetzen, weil er gesetzeswidrig ist:

Die Polizei Berlin betreibt ermittlungsunterstützende Technik ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und plant daher keinen Einsatz von ‚Spionagesoftware‘.

Ganz so klar ist die Situation aber leider nicht, denn hinter der Formulierung steckt die Weigerung, den Staatstrojaner beim Namen zu nennen und als Spionagesoftware zu bezeichnen. Später heißt es, die „vom BKA entwickelte Software“ könne in Betracht kommen. Zu den Schwächen des Trojaners will man „aus einsatztaktischen Gründen“ keine Stellung nehmen. Aber auf die Frage, was noch hinzuzufügen sei, dankt man dem BKA schonmal:

Der Senat ist dem Bundeskriminalamt dafür dankbar, dass es im Rahmen von Absprachen innerhalb der Gremien der Innenministerkonferenz eine Software entwickelt hat, die im Einzelfall bei der Bekämpfung schwerer Kriminalität zum Einsatz kommen kann.

Angesichts dieses unaufgeforderten Dankeskommentar bleibt sehr genau zu beobachten, ob die Polizei Berlin nun nachzieht und sich ebenfalls mit Späh-Software bereit für Online-Durchsuchungen und Co. macht. Oder ob sie sich an die gesetzlichen Regelungen halten wird und einsieht, dass ein grundrechtskonformer Einsatz des Staatstrojaners nicht möglich ist.

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2 Ergänzungen

  1. Diese Art Antwort ist einzig der Frage geschuldet, die ein SPD-Abgeordneter unbeholfen so formuliert hat:

    1. Nutzt das Land Berlin bzw. seine Behörden den „neuen“ Bundestrojaner bzw. eine Version dieser Spionagesoftware?

    Auf diese Steilvorlage kann man nicht anders, als süffisant zu Antworten, dass man keine „Spionagesoftware“ einzusetzen gedenke, und sich dagegen verwahrt, dass der „Bundestrojaner“ als „Spionagesoftware“ bezeichnet wird.

    So gesehen fragt man sich, was denn der „Mehrwert“ dieses Artikels sein soll? Die einzige Offenbarung für Herrn Sven Kohlmeier wäre es, besser an seinen Fragen zu feilen.

    1. wer Fragen mit ehrlichen Begriffen drin formuliert, ist also selber schuld, wenn die gegenseite sich lügnerisch herauswindet?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.