Bei der Überwachung von NGOs in Ägypten und Südafrika hat der britische Geheimdienst GCHQ interne Regeln missachtet und damit gegen Menschenrecht verstoßen. So lautet das Urteil des britischen Geheimdienstgerichts „Investigatory Powers Tribunal“ (IPT), das heute veröffentlicht wurde.
Das GCHQ hat zwei Menschenrechtsorganisationen gezielt ausspioniert, das südafrikanische „Legal Resource Centre“ (LRC) und die „Initiative for Personal Rights“ (EIPR) in Ägypten [Update: nicht EIPR, sondern Amnesty International, siehe unten]. Im Falle der Ägypter wurden abgefischte E-Mails länger gespeichert als erlaubt. Bei der Überwachung der südafrikanischen Organisation LRC hat der GCHQ bestimmte Kommunikationsdaten unrechtmäßig zur Begutachtung ausgewählt.
Das Urteil macht deutlich, dass das GCHQ nicht in der Lage ist, eigenen geheimen Regeln zu folgen. Dass dies hiermit juristisch belegt wird, ist ein Erfolg. Die Überwachung der Menschenrechtsorganisationen per se hat das Gericht jedoch nicht in Frage gestellt. So bleiben auch die Gründe für die Aktionen unter Verschluss. Zudem fehlen nähere Informationen darüber, wie es zu der unrechtmäßigen Überwachung gekommen ist und ob die Fehler intern behoben wurden.
Die beiden betroffenen NGOs gehören zu einer Gruppe von Organisationen, die 2013 als Reaktion auf die Snowden-Enthülllungen zusammen mit Privacy International Klage gegen die Massenüberwachung des GCHQ eingereicht hatten. Die Kläger-Organisationen vermuten, dass sich das GCHQ über das TEMPORA-Programm illegal Zugriff auf ihre Daten verschafft. Nur für zwei Organisationen hat das Geheimdienstgericht ein Urteil abgegeben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nur diese überwacht wurden. Vermutlich konnten nicht bei allen Überwachungsmaßnahmen Fehler im internen Prozedere ausgemacht werden.
Dies ist das dritte und vorerst letzte Urteil im Verfahren gegen die Beteiligung des GCHQs an den NSA-Programmen. Im Dezember 2014 wurde der Datenzugriff des GCHQ über Programme wie PRISM und UPSTREAM als grundlegend rechtmäßig befunden. Dies war allerdings nur möglich, weil der GCHQ in einer geheimen Anhörung interne Regeln offenlegte. Die Forderung der Europäischen Menschenrechtskonvention, dass Einschränkungen der Privatsphäre vom Gesetz gedeckt sein müssen, hatte das IPT damit als erfüllt gesehen. Das Abgreifen der Daten durch den GCHQ war demnach nur illegal, solange es dazu keine öffentlich einsehbaren Regeln gab, urteilte das IPT im Februar.
Die Organisationen bereiten bereits eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor.
Eric King, Deputy Director von Privacy International, kommentiert:
„If spying on human rights NGOs isn’t off-limits for GCHQ, then what is? It’s now clear our spy agencies have lost their way. For too long they’ve been trusted with too much power, and too few rules for them to protect against abuse. How many more problems with GCHQ’s secret procedures have to be revealed for them to be brought under control?
Mass, suspicionless surveillance can never be justified. Secret internal safeguards were always a poor fix for a bigger problem, and today’s judgment shows that plain as day. If GCHQ cannot follow their own internal guidelines, why should they be trusted with some of the most intimate details of our lives?Make no mistake, these internal failures will not be limited to just these instances. Trying to pass off such failings as ‚technical‘, or significant changes in law as mere ‚clarifications‘, has become a tiring defence for those who know the jig is up. The courts are helping to ensure that the sun is slowly setting on GCHQ’s Wild West ways. Now we need Parliament to step in to fix what should have been fixed a long time ago.“
Update: Nicht die ägyptische NGO EIPR, sondern die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurde vom britischen Geheimdienst GCHQ illegal ausspioniert. Dies teilte das Geheimdienstgericht IPT der Organisation am Mittwoch, den 1. Juli 2015, per E-Mail mit. Das Gericht hatte die Überwachung als grundlegend rechtmäßig beurteilt, illegal waren nur bestimmte interne Vorgänge. Da kommt nun die Frage auf, wie die Proportionalität der Überwachungsmaßnahme bemessen wurde, wenn der Behörde nicht einmal klar war, wer überwacht wird.
Alles gut und schön, aber… es bleibt die Frage: *was* bringt einem dieses Urteil? Wer und wie viele gehen jetzt dafür ins Gefängnis, wie werden die Opfer entschädigt?