Die Rechteprobleme rund um die Ausstrahlung des NDR-Interviews mit Edward Snowden haben wiedereinmal eine Reihe von Absurditäten rund um öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Zeitalter des Internets vor Augen geführt. Zwar wurde das Interview von einer Produktionsfirma erstellt, die eine 100-prozentige Tochter des NDR ist, dennoch war zu Beginn weder die englische Originalfassung des Interviews in Deutschland noch die deutsch synchronisierte Fassung außerhalb Deutschlands via Internet verfügbar. Als jemand, der in Deutschland seinen Rundfunkbeitrag zahlt, konnte ich so am Sonntag Abend in Wien trotz Breitbandinternet weder das Video noch die Sendung „Jauch“ ansehen; Thomas Lückerath formulierte für DWDL dementsprechend gleich eine ganze Reihe an Fragen:
Das Snowden-Interview markiert – auf einem Nebenschauplatz abseits der inhaltlichen Aussagen Snowdens – damit einen neuen Höhepunkt in der Fragwürdigkeit der seit vielen Jahren massiv kritisierten Töchterfirmen-Netze der Öffentlich-Rechtlichen. Zu welchen Konditionen verkauft eigentlich eine NDR-Tochter dem eigenen Mutterhaus ein Interview? Wer hat da eigentlich wem etwas zu sagen? Wie kann es sein, dass der NDR sich von der beauftragten Firma die Rechte vorschreiben lässt? Und wie sinnvoll ist ein solches Konstrukt, dass den zunächst so spektakulär klingenden Coup eines Exklusiv-Interviews mit Edward Snowden letztlich zum geo-begrenzten Regional-Spektakel macht?
Zwar ist das Interview mittlerweile zumindest in Deutschland auch in der Originalfassung verfügbar, deshalb aber noch lange nicht frei verwendbar. Ausschnitte davon in ein eigenes Blog einzubinden ist beispielsweise nicht möglich. Marcel Weiss kommentierte die Situation auf Twitter wie folgt:
Rechtemurks beim Snowden-Interview ist ein Bsp. dafür, dass öffentlich-rechtliche Medien Inhalte auch unter CC-BY veröffentlichen sollten.
— Marcel Weiss (@marcelweiss) 26. Januar 2014
Und das Snowden-Interview ist tatsächlich nur das jüngste und ein besonders sichtbares Beispiel für ein allgemeineres Problem: Obwohl öffentlich-rechtliche Inhalte von der Allgemeinheit über Beiträge finanziert werden, sind sie deshalb noch lange nicht für die Allgemeinheit frei zugänglich – und zwar nicht einmal in jenen Fällen, in denen es sich um reine Eigenproduktionen ohne Fremdmaterial und ohne nachgelagerte Verwertungsketten handelt. Die verstärkte Nutzung von Creative Commons könnte hier Abhilfe schaffen und so den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch ermöglichen, deren Bildungs- und Unterhaltungsauftrag noch besser zu erfüllen.
Nicht zuletzt deshalb habe ich auch für D64 e. V. ein White Paper (PDF) verfasst, das sich mit den Potentialen und Hürden für Creative Commons im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinandersetzt. Das White Paper wurde heute im Rahmen der laufenden D64-Intiative zur Förderung von Creative Commons vorgestellt (vgl. Pressemeldung). Der Abstract liest sich wie folgt:
Einer der größten von der Allgemeinheit finanzierten Produzenten urheberrechtlich geschützter Inhalte in Deutschland ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Dennoch sind, abgesehen von vereinzelten Ausnahmen, die so finanzierten Werke nicht für die Öffentlichkeit frei verfüg- und nutzbar. Eine verstärkte Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde der Verbreitung der produzierten Inhalte dienen und eine Weiternutzung in den verschiedensten Kontexten vereinfachen – etwa im Bildungsbereich. Hinzu kommt, dass offen lizenzierte Inhalte trotz der Depublizierungspflicht einfacher online verfügbar bleiben. Das vorliegende White Paper behandelt Fragen wie welche Hürden für eine Creative Commons-Nutzung bestehen, für welche Inhalte Creative Commons in Frage kommt und welche Lizenzoptionen dabei gewählt werden sollten. Im Ergebnis könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen ihm erteilten Auftrag besser erfüllen – die Beitragszahlenden informieren und unterhalten.
Wie aus dem ARD-Umfeld in Erfahrung zu bringen war, gibt es in der ARD bereits eine Arbeitsgruppe zum Thema Creative Commons. Vielleicht kann das White Paper ja auch dazu einen Beitrag leisten, dass es hier zu mutigen Empfehlungen und damit einem stärkeren Einsatz von Creative Commons im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt.
„in denen es sich um reine Eigenproduktionen ohne Fremdmaterial und ohne nachgelagerte Verwertungsketten handelt.“
Ich stimme dir insgesamt vollkommen zu, aber mit dem Satz könntest du dich auf dünnen Eis bewegen. Also ohne mich in der Szene groß aus zu kennen. Aber woher weißt du, wann es eine nachgelagerte Verwertungskette gibt und wann nicht?
Und gerade in solchen Fällen ist es nicht verkehrt auch mal selber aktiv zu werden. Und das sind ja offensichtlich auch Leute:
https://archive.org/details/snowden_interview_en
sagen wir mal so, das White Paper wurde freundlicherweise vor der Veröffentlichung von jemandem gegengelesen, der seit langen Jahren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet und der mir gerade diesbezüglich versichert hat, dass es eine beträchtliche Menge an Inhalten gibt, auf die dieser Satz zutrifft. Welche das genau sind, dafür bräuchte es eben eine diesbezügliche interne Erfassung (siehe Handlungsempfehlungen am Ende).
hast du eine gängige Definition parat, was ich mir darunter vorstellen kann? Also so spontan verstehe ich halt, dass man das Video vielleicht in einen Dokumentarfilm mit einbaut. Und da kann man ja nie wissen, ob das nicht irgendwann mal der Fall sein wird.
Aber evtl. habe ich auch nur fälschlicherweise Angenommen, dass der Satz auch auf das Snowden Interview bezogen war. Aber unabh. davon würde mich die Definition interessieren.
Ich denke beispielsweise an unzählige Deutschlandradio-Interviews samt Transkripten, an selbstproduzierte Fernseh(-nachrichten-)Sendungen etc.
Derzeit ist es so: wenn mich Deutschlandradio interviewt, darf ich das MP3 der Sendung eigentlich nicht in mein privates Blog einbetten.
Ja, dass du das nicht darfst ist mir bewusst. Ich denke auch verstanden zu haben, was mit Eigenproduktion gemein ist. Ich würde jetzt nur gerne verstehen, was mit „nachgelagerter Verwertungskette“ gemeint ist.
Der zitierte Satz sagt, dass etwas nicht Allgemeinfrei ist, selbst wenn es sich um eine komplette Eigenproduktion handelt. Verstehe ich, dass das doof ist, wenn das von den Menschen über einen Beitrag finanziert wurde. Bin ich auch der Meinung dass das schlecht ist. Ich brauch schon an der Stelle nicht weiter überzeugt werden.
Aber dann kommt halt noch der Nachsatz mit der nachgelagerten Verwertungskette. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man zu 100% ausschließen kann, dass es da nichts gibt (weil ich evtl. nicht weiß, was damit genau gemeint ist). Somit schwächst du deine Argumentation (aus meinem Verständnis), aber du benutzt es sogar noch als Steigerung, „wie schlimm das ist.“
Da hast Du schon Recht, dass man das zu 100% nicht ausschließen kann. Aber die Formulierung ist vor allem deshalb gewählt, weil es in manchen Feldern (z.B. Reportagen) regelmäßig als Gegenargument gebracht wird, es aber dennoch Bereiche gibt, wo das keine Rolle spielt.
Hinzu kommt ja, dass ich nirgends schreibe, dass man Inhalte nicht CC lizenzieren soll, wenn es so eine Verwertungskaskade gibt. Natürlich fände ich das auch dort gut. Aber der Anfang ist sicher einfacher in Bereichen, wo diese nur eine geringe Rolle spielt.
Die „Vermutung“ wie die Verwertungskette sein „könnte“ zeugt vor allen von brachialer Unkenntnis von Medienverwertung. In diesen speziellen Fall ist es sogar noch einfacher, da der Autor des Interviews bekannt ist, und es eher schwer als einfach ist, in 5 Minuten NICHT den derzeit produzierten Dok Film zu recherchieren, Mit Aufmerksamkeit verfolge ich die Lobbyarbeit für „Zwangsverschenkungsverpflichtungen“ der Kreativen, damit Sie für den ÖRR arbeiten können dürfen. Absurd. Das es diesbzgl. eine positive Sicht darauf der Anstalten selbst gibt, verwundert wiederrun wenig, na klar würden die die Kreativen gerne zu „Zwangsverschenkungen“ Ihrer Rechte verpflichten, wenn das die Politik so „wünscht“ und vorgibt. Aber ich glaube eher, dass das so langsam durch ist, das zappeln der CC Bewegung kann man vertragen.
Ist es eigentlich hinreichend bekannt, dass Studio Hamburg mit der Studio Hamburg MCI eine tief defizitäre Tochterfirma betreibt, die unter anderem den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Studioausrüstung zu – vorsichtig ausgedrückt – günstigen Preisen verkauft? Wir subventionieren also mit dem Rundfunkbeitrag Firmen, die auf dem freien Markt längst in Konkurs gegangen wären. Und die nicht subventionierten Konkurrenzfirmen müssen diese Preise dann mitgehen – oder in Konkurs.