Kunstaktion „Wanna play?“ verletzt die Privatsphäre von Grindr-Nutzern

7731_wanna_play_dires_verhoeven_9zuschnittDer niederländische Aktionskünstler Dries Verhoeven hat mit seinem am Donnerstag begonnenen Projekt „Wanna play?“auf dem Heinrichplatz in Berlin für einigen Ärger gesorgt.

Er hatte vor, die nächsten zwei Wochen in einem Glaskasten verbringen und dabei seine Kommunikation zur Außenwelt ausschließlich auf die Nutzung der Dating-App Grindr zu beschränken. Grindr ist eine vor allem in schwulen Kreisen verbreitete Dating-App, die hauptsächlich darauf abzielt, den Nutzern schnellen, anonymen Sex mit anderen Nutzern aus der direkten Umgebung zu verschaffen.

Verhoeven nahm über die App Kontakt zu nichtsahnenden Nutzern auf, mit denen er sich im Chat privat austauschte und einlud ihn zu treffen.

Die daraus resultierenden Chatverläufe wurden live auf eine LED-Wand hinter dem Glaskasten projiziert, wobei die Profilbilder der darüber nicht informierten Teilnehmer lediglich durch einen Negativ-Effekt verfremdet wurden.
Verhoeven zielte darauf ab, mit seinen Chatpartnern nicht-sexuelle Befriedigung zu erlangen, zum Beispiel durch ein Gespräch über sein Verhältnis zu seiner Mutter, das gemeinsame Backen eines Kuchens oder eine gegenseitige Rasur.

Dafür lud er die Teilnehmer ein, sich mit privat ihm zu treffen, nannte dabei aber die Adresse des Theaters Hebbel am Ufer (HAU) als seine eigene. Während des Treffens sollte die Box durch durchsichtige Gardinen anonymisiert werden.

Verhoeven wollte damit Kritik an Grindr üben, das zwar neue Möglichkeiten für schnellen Sex bietet, aber auch die mühsam über die letzten Jahrzehnte geschaffenen Räume homosexuellen Lebens ihrer Relevanz beraubt und somit die Schwulen wieder in die Anonymität drängt.

Dass er für diese Erkenntnis die Persönlichkeitsrechte seiner unfreiwillig ins Rampenlicht gestellten Chatpartner völlig außer Acht ließ, spielte bei der Vorbereitung der Aktion offenbar weder für ihn noch für die Veranstalter eine größere Rolle. Die wahrscheinliche Gefahr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen scheint er in seinem Statement etwas zu einfach auszuschließen, indem er voraussetzt dass seine Aktion allen Grindr-Nutzern in seiner Umgebung hinreichend bekannt ist:

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Geschädigten, der sich „digital vergewaltigt“ fühlte, nachdem er seinen privaten Chat im Zentrum der Betrachter einer Kunstaktion fast nicht verfremdet vorfand.
Nach einigem Protest wurde die Aktion zunächst durch Sicherheitsleute geschützt und
im Laufe einer Podiumsdiskussion am Sonntag Abend schließlich abgebrochen.

Das HAU äußerte sich dazu knapp:

„On 5 October, Dries Verhoeven and HAU Hebbel am Ufer have decided to end the project „Wanna Play?“ ahead of time. The project had led to numerous complaints from the public. The same evening, Dries Verhoeven and artistic and managing director of HAU Hebbel am Ufer Annemie Vanackere faced the critique in an open discussion.“

Die Entschuldigung des Künstlers wirkt auch etwas halbherzig. Den Abbruch des Projekts betrachtet er wie den Ausgang eines Experiments, das im Prinzip doch noch zu dem Ergebnis geführt hat, das er vorausgesehen hat, nämlich, dass das öffentliche Leben der schwulen Community durch Dating-Sex-Apps wieder ins Private gedrängt wird.

„Ich bedaure es sehr, dass sich im Rahmen meines Projekts “Wanna play?” Widerstand gebildet hat. Es tut mir leid, wenn Menschen das Gefühl haben sollten, tatsächlich in ihrer Privatsphäre verletzt worden zu sein. Ich finde den Widerstand exemplarisch für eine Zeit, in der wir uns als Homosexuelle wieder anfangen zu verstecken und unsere sexuellen Wünsche am liebsten in (scheinbarer) Anonymität äußern.“

Die App Grindr war zuletzt wegen der präzisen Ortung ihrer Nutzer durch Dritte in die Kritik geraten, als Berichte aus Ägypten laut wurden, dass Polizisten die App nutzten, um Schwule zu verhaften. Zudem wird die Möglichkeit zur Einordnung der Nutzer nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit als rassistisch eingestuft.

Auf kleinerdrei.org haben wir einen treffenden Beitrag zu der Aktion gefunden:

„Das Kunstprojekt “Wanna Play?” hat auf besondere Weise Profile der Dating-App Grindr öffentlich und ohne Zustimmung der Beteiligten ungefragt zur Schau gestellt. Es ist bedenklich, dass die Verantwortlichen die Gefahr durch Eingriffe in Persönlichkeitsrechte und Fremd-Outing nicht gesehen haben (wollen). Als Gesellschaft zeigt uns diese Geschichte unter anderem, dass wir stärker darüber nachdenken müssen, wie wir uns verantwortungsvoll untereinander verhalten können – vor allem wenn Räume involviert sind, die in erster Linie von marginalisierten Gruppen genutzt werden.“

2 Ergänzungen

  1. Das mit der ethnischen Zugehörigkeit ist doch nix neues. Ist doch auch bei Planetromeo und anderen schwulenportalen gang und gäbe.

    Wenn ich mir die Profile dort auf romeo oder GRINDR anschaue, dann stelle ich schockiert fest, dass dort sehr viele rassistisch agieren. Da werden Asiaten, schwarze usw. abgelehnt. Viele gehen soweit, dass sie nur MÄNNER mit blauen oder grünen Augen wünschen.

    Das ist erschreckend und erschreckend sind auch die offensichtlich rassistisch agierenden Menschen dort, die sich als Sarazin-Befürworter oder junge-freiheit Sympathisanten outen.

    haben schwule denn vergessen, dass sie auch zu einer Minderheit zählen ?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.