Der Deutsche Bundestag hat eben einstimmig die Einsetzung eines Ausschuss für digitale Agenda abgestimmt. Damit gibt es erstmals einen Hauptausschuss für netzpolitische Fragen. Über den Sinn, die Aufgaben und die Zuständigkeit gab es in der rund 38 Minuten langen Debatte unterschiedliche Meinungen zwischen Regierungskoalition und Opposition.
Auffallend war, dass die Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU vor allem wirtschaftliche Aspekte in ihren Reden in den Vordergrund stellten. Mit einem passenden Bingozettel wäre man ziemlich schnell fertig geworden, so häufig wurden Buzzwörter wie Industrie 4.0, e-Health, Wachstum und Smartgrids aufgesagt. In Nebensätzen wurde zumindest immer darauf verwiesen, dass es ja auch gesellschaftliche Fragestellungen geben würden, wobei Medienkompetenz hier immer der Spitzenreiter war.
„Wir wollen nicht quatschen, dafür ist uns die Zeit viel zu schade“, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Nadine Schön die Aufgabe des Ausschuss, der die „Fachkompetenz der Fraktionen“ sammeln soll.
Kritischere Worte kamen von Halina Wawzyniak von der Fraktion Die Linke. Sie freute sich, dass selbst die Union irgendwann einsehen musste, dass man Netzpolitik nicht einfach mal abfrühstücken kann. „Das werden vier spannende Jahre mit Ihnen!“ Sie wollte gar nicht wissen, wie das bei den Inhalten sein wird, wenn man sich erstmal nicht mal über den Namen einigen konnte. „Es ist schade dass wir auf Twitter über den Hashtag diskutieren müssen“. (Diskussion ist vorbei, #btada hat gewonnen).
Das Thema Netzpolitik sei zersplittert und auf zahlreiche Ministerien aufgeteilt. Insgesamt 11 Ministerien würden für netzpolitische Fragen zuständig sein. „Der Ausschuss könnte das Kompetenzgerangel auflösen, wäre er in netzpolitischen Themen federführend“. Sie befürchtet eher, dass er mangels Federführung ein Kaffeekränzchen wird, eine „Spielwiese ohne Entscheidung“.
Da die „Mitberatende Tätigkeit“ des Ausschusses nur in der Begründung stehe, sei die Federführung des Ausschusses noch nicht gegessen. Die Linke werde alle Überweisungen von Themen im Bundestag abstimmen lassen.
Lars Klingbeil (SPD) sprach im Anschluß von einem „bedeutenden Tag im Parlament“. Halina Wawzyniak solle sich lieber freuen, dass es einen Hauptausschuss gebe und „nicht meckenr“. Einer von 23 Hauptausschüssen gelte der Netzpolitik und damit werde man „ein Zeichen setzen“. Für Sozialdemokraten seien vor allem drei Themen wichtig, die digitale Spaltung zu stoppen, die wirtschaftliche Entwicklung zu stärken und Konsequenzen aus dem Snowden-Skandal zu ziehen. Dabei wandte er sich gegen IT-Nationalismus und erklärte seinen Glauben an ein No-Spy-Abkommen. (Ich würde ja gerne mit ihm wetten, dass das niemals kommt!) Sein Ziel: „Wir wollen dass die Menschen wieder dem Internet vertrauen können!“
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Konstantin von Notz, zitierte erstmal die Handlungsempfehlungen der vergangenen Enquete-Kommission, wie man mit Netzpolitik besser umgehen soll. Im Abschlußbericht wurde einstimmig gefordert, dass es eine bessere Koordinierung der Netzpolitik auf Regierungsebene geben solle und weniger Zuständigkeitsstreit und Stillstand. Die Große Koalition habe einfach ein weiteres Ministerium für zuständig erklärt, die Zuständigkeiten seien aber inkonsequent und ungenügend. Eine weiter Forderung sei ein ständiger Vollausschuss gewesen, weil der ehemalige Unterausschuss Neue Medien für kein Thema die Federführung hatte. Der neue Ausschuss für digitale Agenda habe aber auch keine Federführung und Zuständigkeit für ein Thema, damit werde Netzpolitik nicht angemessen verankert. Mit Verweis auf den Kampf um Mittelerde und dass digitales Blut fließen müsse, dankte er Jens Koeppen (CDU) für die Kritik an dem nicht anwesenden Ansgar Heveling als Koeppen medial das Ziel formulierte: „Entideologisierung ist super“.
Die Gesellschaft sei längst aus der Nische raus, der Ausschuss sei leider zu wenig und schuld sei die Mehrheit der Netz-Gegner in der Großen Koalition, die einen relevanten Ausschuss verhindert habe. Der Ausschuss habe letztendlich mit „digitale Agenda“ einen Wirtschafts-PR-Namen bekommen. Das sei in der Reduzierung nicht korrekt, aber ein Ausschuss sei besser als gar keiner.
Ulrich Lange von der CSU sprach daon, dass man die „Verkehrspolitik um digitale Infrastruktur erweitern“ würde, weil „das ist wie die Autobahnauffahrt, die wir in allen Regionen haben wollen“. Er hoffte auf „neue Impulse“ für die Netzinfrastruktur von der „innovationsfreudigen Wirtschaft“ und freute sich über Chancen- und Generationengerechtigkeit. Sonst hatte er auch die beste Laune am Rednerpult.
Sören Bartol, SPD, fand die Kritik von Konstantin von Notz kleinkariert und sah Neid, „Das haben sie uns nicht zugetraut“. Netzpolitik verlasse „den Katzentisch der Politik“ und rücke „in die Mitte des Bundestages“. Das werde der Realität gerecht.
Der neue Vorsitzende des Ausschuss, Jens Koeppen (CDU), erklärte, dass er bereits vor zwei Jahren bei einer Pressekonferenz die Einrichtung eines Hauptausschuss gefordert habe und die Enquete das dann ein Jahr später so abgestimmt hätte. Der Aausschuss arbeite „von gleicher Augenhöhe heraus wie die anderen Ausschüsse“, deshalb müsse „er auch die Geschäftsordnung einhalten“ und dürfe „kein Schattenboxen veranstalten“. „Es ist aus meiner Sicht eine logischee Konsequenz aus der Arbeitsweise des Bundestages“ [dass der Ausschuss nicht federführend, sondern beratend ist]. Auch er forderte „weniger palavern, weniger debattieren, sondern am Thema dran bleiben“. Der Bundestag und das Thema verdiene einen selbstbewussten Ausschuss und selbstbewusste Abgeordnete.
Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch zum Hauptausschuss, wir werden die Arbeit sehr genau verfolgen und kommentieren. Die Mitglieder des neuen Ausschusses haben wir hier vorgestellt.
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