Es war keine Sternstunde des deutschen Parlaments: Obwohl die Chatkontrolle-Abstimmung im Rat der EU längst von der Tagesordnung genommen worden war, musste sich der Bundestag heute mit einem Antrag der AfD befassen. Die Partei beantragte darin (pdf), dass die Bundesregierung „bei der bevorstehenden Abstimmung“ über die Chatkontrolle „mit Nein“ stimmen solle. Doch die Abstimmung ist auf Dezember vertagt.
Durch die Tatsache, dass also gar keine Abstimmung akut bevorsteht, war der AfD der Spott der Redner aus dem anderen Parteien für den Antrag sicher. Konrad Körner von der CSU nannte ihn einen bloßen „Schaufensterantrag“. Es stehe nicht nur keine Abstimmung an, es gäbe ja nicht mal einen neuen Entwurf, über den man streiten könne.
Mit dem Begriff Chatkontrolle ist ein EU-Vorhaben gemeint, dass die Anbieter von Messaging- und anderen Kommunikationsdiensten verpflichten soll, in den Nachrichten der Nutzer nach Missbrauchsfotos und -videos (CSAM) zu scannen. Dagegen hat sich eine ganze Phalanx an Kritikern ausgesprochen.
Die Fraktionen des Deutschen Bundestages hatten sich letzte Woche auf Antrag von Grünen und Linken schon allesamt gegen den dänischen Vorschlag zur Chatkontrolle ausgesprochen. Genauer gesagt gegen eine „anlasslose Chatkontrolle“, wie die Regierungsparteien auch diesmal nicht müde wurden zu spezifizieren. Jeanne Dillschneider von den Grünen pochte in ihrem heutigen Statement daher auf eine inhaltliche Klärung. Man warte bisher „vergeblich“ auf eine klare Ablehnung durch das Bundesinnenministerium (BMI) und auch auf eine Klärung, was mit einer „anlassbezogenen“ Chatkontrolle technisch gemeint sein könnte.
Das wollte auch Sonja Lemke (Linke) wissen und wies darauf hin, dass die Bundesregierung in ihrem Formulierungen „jedesmal ein ‚anlasslos‘“ einfüge. Dabei bliebe bewußt offen, „was ein Anlass sein kann“ und ob technisch auch das Client-Side-Scanning abgelehnt werde.
Nur nicht „anlasslos“
Die Aussagen der drei Vertreter der Regierungsparteien, die in der kurzen Debatte sprachen, brachten wenige neue Erkenntnisse, aber immerhin ein paar deutliche Worte. Zuletzt war von der dänischen Regierung eine verpflichtende Chatkontrolle und Client-Side-Scanning befürwortet worden.
Katja Strauss-Köster von der CDU betonte, dass erfreulich viele Dienste-Anbieter freiwillig Missbrauchsmaterial aufdecken und an die Behörden melden würden. Aber diese freiwilligen Maßnahmen laufen im April 2026 aus, daher drohe „eine gefährliche Lücke“, wenn man nun nicht handele. Sie wolle eine „solide rechtliche Grundlage“, um den „Status Quo“ zu sichern, also das dauerhafte freiwillige Scannen. Eine solche EU-Verordnung sei anzustreben.
Verpflichtende Maßnahme hingegen solle es „nur im Einzelfall“ geben, so Strauss-Köster. „Ohne konkreten Verdacht“ dürfe private Kommunikation „nicht eingesehen werden“. Sie sagte außerdem, dass „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zentral für unsere Sicherheit“ sei, daher dürfe sie „nicht geschwächt werden“.
Da gab es Applaus aus der CDU/CSU-Fraktion. Doch Strauss-Köster war noch nicht ganz fertig mit ihren Ausführungen: Denn „gleichzeitig dürfen wir verschlüsselte Kommunikation nicht völlig ausnehmen“, fuhr sie fort. Man müsse das „Dunkelfeld“ in den Blick nehmen können. Wie dieser Spagat technisch zu meistern wäre, ließ sie allerdings offen.
Der dänische Vorschlag sei eine Verbesserung gewesen. Es sei dennoch richtig, „dass die Bundesregierung dem nicht zugestimmt hat“. Sie sei für „starke Garantien für Datenschutz und Privatsphäre“, das hätte auch das europäische Parlament vorgegeben. Insgesamt war die kurze Rede Strauss-Kösters eher ein Plädoyer für das freiwillige Scannen.
Carolin Wagner von der SPD betonte, dass im deutschen Parlament Einigkeit bestanden habe: Eine „anlasslose Überwachung privater Inhalte“ sei bereits abgelehnt worden. Es solle auch „keinen Zwang zum Client-Side-Scanning und keinen Zwang in der Aufweichung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“ geben.
Da war es wieder, das Wörtchen „anlasslos“. Dennoch positionierte sich Wagner am deutlichsten gegen die verschiedenen vorstellbaren technischen Optionen.
CSAM
Wir berichten seit Jahren unter dem Stichwort CSAM (Child Sexual Abuse Material) über politische Vorhaben im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen von Kindern. Unterstütze unsere Arbeit!
Konrad Körner (CSU) war der dritte und letzte der Regierungsparteivertreter und betonte pflichtschuldig, man verteidige die Grundrechte und wolle „keine anlasslose Chatkontrolle“. Man setze sich hingegen für „anlassbezogene Maßnahmen“ ein. Dieser Begriff sei nicht in einer „aufgebauschten Debatte“ zu skandalisieren, schließlich wolle der Bürger, dass sowohl seine Chats als auch seine Kinder sicher seien. Es gehe dabei nämlich um „Ermittlungsbefugnisse“, wenn es einen „Anlass oder Verdacht“ gäbe, dass jemand solches strafbare Material verschicke.
Es gehe hier um „wichtige technische Details“, so Körner. Diese Details würden darüber entscheiden, ob „wir mit einem Gesetz eine Büchse der Pandora öffnen“ könnten. „Glauben Sie mir“, sagte der Abgeordnete, „auch wir haben da große Bedenken“. Denn mit Blick zur AfD sagte Körner: „Wenn Sie an der Macht wären, würde jede inkorrekte Äußerung in der Stammtischgruppe zum Hassverbrechen stilisiert, oder wenn die anderen reden, würde jeder depperte Genderstern noch zum Vaterlandsverrat.“
Das Niveau der Debatte hatte er damit wohl nicht erhöht, aber doch klargestellt, was die CDU/CSU-Fraktion unter „anlassbezogen“ versteht.
Der Schutz von Kindern
Die Abgeordneten betonten, dass nicht vergessen werden dürfe, dass es in der EU-Verordnung um den Schutz von Kindern gehe. Doch der Deutsche Kinderschutzbund und andere Kinderschützer stellten sich mehrfach und deutlich gegen die EU-Pläne einer Chatkontrolle.
Lemke von den Linken beklagte, dass immer wieder „sexuelle Gewalt an Kinder vorgeschoben“ werde. Es gäbe doch zahlreiche Maßnahmen, die man sofort dagegen ergreifen könne, etwa in den Ausstattungen von Jugendämtern, Schulen, Kitas und in der Jugendhilfe, bei Erziehern und Sozialarbeitern. „Keinem Kind ist durch Chatkontrolle geholfen“, betonte sie.

Die Erläuterungen von Katja Strauss-Köster werden wirr dargestellt. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Liegt das an NP? Vermutlich nicht. An mir? Vielleicht.
Wenn die Dienste-Anbieter freiwillig „Missbrauchsmaterial“ aufdecken, dann ist klar, dass sie Nutzerdaten scannen und naheliegend, dass die dabei gewonnen Daten nutzen werden. Privatsphäre gibt es da nicht.
Niemand kann diese Firmen kontrollieren. Niemand kann kontrollieren, wie privat oder öffentlich diese durchkämmten Daten sind. Wir wissen nur, dass etwa Google mit Nutzerprofilen zu einer der reichsten Firmen der Welt geworden ist und jedes Mittel verwendet, noch reicher zu werden. Die Gier der Firmen wird hier als „Kinderschutz“ dargestellt. Und Frau Strauss-Köster fällt darauf rein und möchte das legalisieren und sogar vorschreiben, als gäbe es keine Datenschutzverordnung.
Anlassbezogen ist was? Die Polizei darf und muss bei Verdacht nachforschen. Das ist aber keine Ermächtigung, Daten unbescholtener Bürger auf Vorrat zu speichern und dann „anlassbezogen“ auszuwerten. Weil, irgendwas findet man immer? Vielleicht sollten wir das Prinzip mal bei Politikern in Erwägung ziehen. (IMHO, bitte nicht wirklich! Rechtsstaat anyone?)
BTW, natürlich können die Anbieter öffentliche Daten schon jetzt durchsuchen. Google scannt sogar jede einzelne EMAIL, die sie in die Finger bekommen und das gesamte Netz dazu. Selbstverständlich müssen sie Straftaten bei Kenntnisnahme melden.
Was also will die Politik da noch mehr? IMHO reden die wirres Zeug.
„Das Niveau der Debatte hatte er damit wohl nicht erhöht, aber doch klargestellt, was die CDU/CSU-Fraktion unter „anlassbezogen“ versteht.“
Nein, ist mir aus dem Zitat nicht klargeworden. Gendersterne sollen kein Vaterlandsverrat sein und Stammtischäußerungen sollen nicht zum Hassverbrechen stilisiert werden, aber was das mit einem zulässigen Anlass für Client-Side-Scanning zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.
„Keinem Kind ist durch Chatkontrolle geholfen“, betonte sie.“ Zwar völlig richtig, aber in meinen Augen immer noch zu kurz gedacht.
Denn -von den Möglichkeiten, die man allen durch die Alterskontrollen nehmen wird mal abgesehen -ich glaube nicht, dass alle ihre bisherige Einstellung zu minderjährig aussehenden Personen beibehalten werden, sobald ihnen klar wird
a) wie das ganze System der Chatkontrolle funktioniert
b) wie fehlerhaft es ist und vor allem
c) das nach dieser Denkweise der Politiker bzw Strafverfolger jeder, der irgendwie mit minderjährig aussehenden Personen zu tun hat, sich quasi bereits verdächtig macht.
Schließlich sind in deren Welt ja anscheinend außer ihnen alle volljährigen Personen potenzielle Kinderschänder.
Warum sollte man z.B. als Außenstehender mit diesen Gegebenheiten auch nur irgendeinem Kind noch helfen (egal in welcher Situation dieses ist)?
Denn letztendlich ist mit so einem System die entscheidende Frage doch:
Ist man bereit für eine minderjährig aussehende Person zu riskieren, u.U. fälschlicherweise eine Anzeige (und evtl Hausdurchsuchung) zu bekommen, die einen für den Rest seines Lebens brandmarken und verfolgen wird? Bzw will man dann mit Minderjährigen überhaupt noch irgendwas tun haben, bei dem, was die Politiker da aus ihnen machen?
Der Fall mit Google und dem Vater mit Arztbildern ist ein super Beispiel. Denn so, wie das System ablaufen soll, sehe ich keine Chance irgendwas im Falle eines Fehlalarms zu erklären.
Daher ist für mich die Antwort auf diese Frage bereits glasklar
Viele Anbieter wie Google, Facebook, Microsoft, Apple und viele andere prüfen nicht nur freiwillig, sondern sind schon heute nach US-amerikanischem Recht verpflichtet, verdächtige Inhalte der sogenannte CyberTipline (NCMEC) zu melden.
Falls beispielsweise ein Foto oder Video auffällt, das den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen könnte und die IP-Adresse einem deutschen TK – Provider zuzuordnen ist, wird NCMEC die Daten dann an das BKA weiterleiten.
Die Zentralstelle des BKAs erhielt 2024 205.728 Hinweise des NCMEC. Es erfolgt eine Einzelfall-prüfung, ob eine strafbare Handlung nach deutschen Recht vorliegt. Falls Strafbarkeit fest-gestellt wurde, wird der Versuch unternommen den gewöhnlichen Aufenthaltsort des nun Tat-verdächtigen zu ermitteln.
Die zuständige ortsansässige Staatsanwaltschaft / Polizeibehörde eröffnet ein Ermittlungs-verfahren. Bei dem Fall „mit Google und dem Vater mit Arztbildern“ dürfte es den Ermittlungs-behörden tatsächlich sehr schwer fallen einen inhaltlichen Bezug zum §184 StGB herzustellen oder gar die Sache vor ein Gericht zu bringen. Dies gilt insbesondere auch „im Falle eines Fehlalarms“.
„Erfreulich viele Anbieter prüfen freiwillig…“
ÄHM, Anbieter von Pornoseiten? Anbieter von Social Media mit öffentlicher Sichtbarkeit? Anbieter von digitalen Fussgängerüberwegen? Anbieter von Mafiadienstleistungen?
Wie sind die Anbieter von sicherer privater Kommunikation davon abzugrenzen? Mittels Fussbalfeldern? Durch Bratwürste?
Geschützte Telekommunikation war gestern… „Geschützte“ eigentlich. Heute ist alles irgendwie Öl, und das kriecht natürlich auch überall hin. Man soll es auch nicht abwaschen.
Schlimmer geht immer!
NDR Info Diskussion gerade unterbrochen. Mixed Pickles.
Letzte Beiträge:
1. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt Täter und muss letztlich weg.
2. Ich bin ja gegen Totalüberwachung, aber bei Kindern muss alles gehen.
DAS ist das Problem mit dem Steuergeld…
3. Anbieter können doch Filter einbauen. Müssen sicherstellen das Kriminelles nicht passieren kann.
Einfach mal mit dem netten Polizisten vorstellen. An jeder Ecke.
Deutschland hat fertig?
(Zur Güte: Ein Zuschauer merkte Prinzipien der Tehcnik an, Datenschützerin und Anwalt nicken.)
2 Minuten Kritiker 60 Minuten unwidersprochene Propagandasülze. Bei den Propagandahendln ist auch wichtig, dass zu keiner Zeit davon die Rede ist, z.B. Kinder einfach mal konkret einzuzäunen, nein nein, leider leider, soll es nicht anders gehen, als dass alle dem Faschismuskonzept direkt ausgesetzt werden. Das ist ja wohin es nur gehen kann, mit diesen Leuten.
Solches unwidersprochen, länglich und kaum von Informationsgehalt gesegnet, sowie Sachen wie die Gruppe „Going Dark“ dürfen nicht unwidersprochen in den Vordergrund kommen. Das müssen extra Giftformate sein, in denen man sich mal hinsetzt und guckt, was soundso zu sagen hat. Da muss man aber begründen, warum das dann in der Breite behandelt werden soll, und nicht z.B. als geschnittene Notiz am Rande. Mit Steuergeld und dem Feuer spielen…
FYI
https://www.ndr.de/nachrichten/info/epg/chatkontrolle-sicherheit-oder-ueberwachung,sendung-24498.html
Die Enshitification ist längst auch bei den Staaten angekommen und sie bemühen sich nach Kräften das ohnehin schon ziemlich kaputte Internet ganz zu zerstören. Kommunikation hat grundsätzlich sicher und privat zu sein, ganz egal zu welchem Zweck sie dient. Besser mal man prüft die Kommunikation unserer Volksvertreter auf Hinterhältigkeit, Betrug am Wähler und Korruption.
Ich würde durchaus hinterfragen, ob das vielleicht die Agenda von Techkonzernen und Eliten sein könnte.
Lokale Eliten wollen etwas vom Schein abbekommen und die Kontrolle behalten, worüber auch immer. Zunehmend im Weg?