Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hat sich laut Spiegel Online mit einer Stellungnahme an den Innenausschuss gewandt, in der sie die geplanten Änderungen am Anti-Terror-Datei-Gesetz (ATDG) kritisiert. Die Stellungnahme ist nicht im Wortlaut veröffentlicht worden und nur in Auszügen zitiert, wir bemühen uns jedoch, sie uns ansehen zu können, der Brief liegt uns aber mittlerweile vor. Wir veröffentlichen die anonymisierte Fassung.
Im Juni war ein Gesetzesentwurf vorgelegt worden, der auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes reagierte, die im Gesetz enthaltenen Hürden zum Datenaustausch zwischen Sicherheitsbehörden zu erhöhen. Tatsächlich geht der neue Entwurf in die entgegengesetzte Richtung und enthält diverse verfassungsrechtlich fragliche Punkte. Unter anderem kritisierten Rechtskundige die Missachtung des Trennungsgebotes von Polizei und Geheimdiensten, bereits zuvor im Gesetz enthaltene Datenaustauschmöglichkeiten sollen erweitert werden. Auch der Bundesrat lehnte den Entwurf in großen Teilen aufgrund der mangelnden Rechtfertigung der Kompetenzerweiterungen und der Abkehr von einer reinen Hinweisdatei ab und forderte zur Präzisierung von Formulierungen auf, die Regelungsspielraum ließen.
Verfassungsrechtlich ist zu bedenken, dass mit der erweiterten Datennutzung die Konzeption der Antiterrordatei als Verbunddatei, die im Kern auf die Informationsanbahnung beschränkt ist und eine Nutzung der Daten zur operativen Aufgabenwahrnehmung nur in dringenden Ausnahmefällen vorsieht, zumindest aufgeweicht wird. Denn die Ausnahme ist nun nicht mehr auf die eng konturierten Eilfälle im Sinne von § 5 Absatz 2 ATDG beschränkt, sondern umfasst auch bestimmte einzelfallbezogene Projekte. Daneben löst sie sich von dem Prinzip der Einzelabfrage. Beide Elemente waren maßgeblich für die positive Bewertung der Antiterrordatei durch das Bundesverfassungsgericht […] Ob diese Gesichtspunkte durch die in § 6a ATDG-E vorgesehenen sehr hohen inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Eingriffsschwellen und durch die Herausnahme der teilweise besonders sensiblen verdeckt gespeicherten Daten aus dem Anwendungsbereich aufgewogen werden, bedarf genauer Prüfung.
Voßhoff mahnt die selben Punkte an und kritisiert zusätzlich die lockeren Maßstäbe für die Speicherung von Personen in der Datei und die mangelnde Berücksichtigung von Datenschutzkontrollen, die „faktisch bestehende kontrollfreie Räume“ offen lasse. Diesbezüglich schlägt sie eine Novellierung des §24 Abs. 2 Satz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes vor, das die Kontrollmöglichkeiten des BDSB gegenüber den Nachrichtendiensten regelt.
Außerdem stellt sie fest, dass der Gesetzesentwurf auf einem Bericht der Bundesregierung beruht, den sie als nicht hinreichend bewertet:
Gegen diesen Bericht bestehen bereits in grundsätzlicher Hinsicht schwerwiegende Bedenken. Er basiert […] nicht auf einem für die Evaluierung zu erstellenden „staatsrechtswissenschaftlichen Gutachten“ […]. Mit diesem Gutachten sollten u.a. die grundrechtlichen Folgen der Eingriffsmaßnahmen untersucht werden, da der vorgenannte Bericht diese Untersuchungen nicht beinhaltet. Er basiert lediglich auf Nutzerbefragungen und statistischen Datenauswertungen […] Der Bericht bietet mithin keine Legitimationsgrundlage zur Ableitung valider Evaluierungserkenntnisse.
Bis zum 31. Dezember diesen Jahres ist noch Zeit, die Forderung des Bundesverfassungsgerichtes umzusetzen. Das ist ein weiterer Faktor, den Voßhoff erwähnt, denn sie halte es nicht für nachvollziehbar „warum die Bundesregierung trotz dieser Bedenken und trotz des fehlenden Zeitdrucks an der geplanten Vorschrift festhält.“
Voßhoffs Stellungnahme bietet eine gute Gelegenheit, den Bundestag zu einer Überarbeitung und tatsächlich einen, wie die Obfrau der Grünen im Innenausschuss Irene Mihalic sagt, „grundrechtfesten Gesetzentwurf“ vorzulegen. Soweit das bei einer so massiven und intransparenten Datensammlung überhaupt möglich ist. Auch Jan Korte von den Linken begrüßt Voßhoffs Äußerung, vor allem da diese sich in der Vergangenheit mit Kritik sehr sparsam gezeigt hatte:
Der fortschreitende Emanzipationsprozess der Bundesdatenschutzbeauftragten von ihrer Partei und dem Bundesinnenministerium ist sehr zu begrüßen. Das bringt wohl ihr Amt zwangsläufig mit sich.
Für mehr Hintergrundinfos zur Anti-Terror-Datei und dem informationellen Trennungsgebot gab es auch einen Vortrag auf dem letzten Netzpolitischen Abend der Digitale Gesellschaft e.V., den man sich hier anschauen kann.
Update Andre: Hier das Dokument in Volltext aus dem PDF befreit:
Sehr geehrt*
am 5. Juni 2014 hat der Deutsche Bundestag den vorgenannten Gesetzentwurf in erster Lesung beraten.
Zu diesem Entwurf bitte ich Folgendes zu bedenken:
I. Zu A: Problem und Ziel
1. Entgegen der Prämisse (vgl. s. 1 GE, Problem und Ziel; GE-Begründung S. 16) setzt der GE die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Urteil zum Antiterrordateigesetz -1 BVR 1215/07 vom 24.04.2013) nicht (hinreichend) um. Hieraus resultieren erhebliche verfassungsrechtliche Risiken. Weitere Risiken resultieren aus den nachfolgenden Punkten.
2. Mit dem GE „(…) soll ein Vorschlag aus der (…) Evaluierung des ATDG (…) umgesetzt werden“ (GE-Begründung, S. 17). Zur Begründung verweist der GE auf den „Bericht der Bundesregierung zur Evaluierung des Antiterrordateigesetzes vom 7. März 2013 (vgl. a.a..O.).
Gegen diesen Bericht bestehen bereits in grundsätzlicher Hinsicht schwerwiegende Bedenken. Er basiert – entgegen dem Fachfeinkonzept der Bundesregierung zur Evaluierung des Antiterrordateigesetzes (ATDG) – nicht auf einem für die Evaluierung zu erstellenden „staatsrechtswissenschaftlichem Gutachten“ (BT-Drs. 17/12665 (neu), S. 7). Mit diesem Gutachten sollten u.a. die grundrechtlichen Folgen der Eingriffsmaßnahmen untersucht werden, da der vorgenannte Bericht diese Untersuchungen nicht beinhaltet. Er basiert lediglich auf Nutzerbefragungen und statistischen Datenauswertungen (vgl. a.a.O.‚ S. 4) und beinhaltet keine „Betrachtung und Bewertung von Einzelfällen“ (a.a.O.). Der Bericht bietet mithin keine Legitimationsgrundlage zur Ableitung valider Evaluierungserkenntnisse.
Zudem ist für die Annahme der verfassungsrechtlich gebotenen Erforderlichkeit einer Norm nicht ausreichend, dass mit dieser Norm ein „von den Nutzern [der Antiterrordatei — Anmerkung Verfasser] als sinnvoll“ (GE-Begründung, S. 27) erachteter Vorschlag umgesetzt werden soll. Eine – vermeintliche – Sinnhaftigkeit begründet nicht notwendigerweise eine Erforderlichkeit der Norm im Rechtssinne.
II. Zu Artikel 1, Nummern 2, 3, 4
Die bestimmte, normenklare und verhältnismäßige Eingrenzung des betroffenen Personenkreises ist ein zentrales Anliegen der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Der GE wird diesen Vorgaben nicht gerecht, insbesondere in Bezug auf die Speicherung von Kontaktpersonen.
III. Zu Artikel 1, Nummer 7
Das Bundesverfassungsgericht hat die Antiterrordatei (ATD) vor allem deshalb in grundsätzlicher Hinsicht für verfassungsgemäß erachtet, weil die ATD als eine bloße Hinweisdatei ausgestaltet worden ist. Nach der Entscheidung des Gerichts sind „eine Rasterung, Sammelabfragen oder die übergreifende Ermittlung von Zusammenhängen zwischen Personen durch Verknüpfung von Datenfeldern“ (1 BvR 12/5107, Rdn. 194) in der ATD unzulässig.
Auch der Bundesrat hat die Regelung des Artikel 1 Nummer 7 des GE als eine Aufweichung und „Strukturveränderung“ (BR-Drs. 153/1/14, S. 4) der ATD kritisiert und zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift weder der Umsetzung des o.g. Urteils des Bundesverfassungsgerichts dient, noch durch die vorliegende GE-Begründung oder den vorgenannten Evaluationsbericht der Bundesregierung gerechtfertigt werden kann (vgl. a.a.O.).
Entsprechendes gilt für den in der GE-Begründung erfolgten Verweis auf die Komplementärregelung des § 7 Rechtsextremismusdateigesetz (RED-G) zur Legitimierung dieser Norm (vgl. GE-Begründung, S. 27). Bis dato liegt noch nicht einmal eine Evaluierung des § 7 RED-G vor, die als — vermeintlicher — Begründungsansatz herangezogen werden könnte. Dies hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme ebenfalls zutreffend betont.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Bundesregierung trotz dieser Bedenken und trotz des fehlenden Zeitdrucks an der geplanten Vorschrift festhält.
IV. Zu Artikel 1, Nummer 9
Als „rechtsstaatliches Korrektiv für die weitgehend fehlende Transparenz der Verarbeitung personenbezogener Daten in der ATD und die hierdurch eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten“ (BR-Drs. 153/1/14, S. 5) fordert das Bundesverfassungsgericht eine wirksame Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. In besonderer Weise betont das Gericht die „Kompensationsfunktion der datenschutzrechtlichen Kontrolle für den schwach ausgestalteten Individualrechtsschutz“ (BR-Drs. 153/1/14, S. 5).
Infolgedessen verpflichtet das Gericht den Gesetzgeber, die Kontrollorgane mit „wirksamen Befugnissen“ (1 BvR 1215/07, Rdn. 215) auszustatten, „durch technische und organisatorische Maßnahmen“ (a.a.O.) einen auch in praktischer Hinsicht wirksamen Vollzug der Kontrollen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Effizienz der Kontrollen weder durch „föderale Zuständigkeitsunklarheiten“ noch durch das „Zusammenspiel der verschiedenen Aufsichtsinstanzen“ (a.a.O.‚ Rdn. 216) beeinträchtigt wird.
Diese Vorgaben haben weit reichende Folgen – auch für die Zusammenarbeit der Kontrollorgane des Bundes (PKGr, G 10-Kcmmission‚ BfDI). In diesem Bereich faktisch bestehende kontrollfreie Räume könnten z.B. durch eine Novellierung des § 24 Abs. 2 Satz 3 BDSG geschlossen werden.
Sollten Sie weiteren Gesprächsbedarf haben, stehe ich gerne zur Verfügung.
Es soll auch am 8. Oktober eine Anhörung im Innenausschuss dazu geben.
schön. leider ist das völlig schnuppe. sie wird trotzdem kommen. welche anhörung war denn schon erfolgreich in den letzten jahren. schlussendlich ist die kasperregierung doch wieder in karlsruhe gelandet. aber selbst das ist den herrschaften völlig schnuppe, was da für rechtssprechung erfolgt. möchte nicht wissen, wie viele stunden dr.(?) uhl, krings, ziercke und die anderen betonköpfe darüber gebrütet haben, das EuGH-urteil zur VDS irgendwie und auf teufel komm raus zu umgehen…..
OT:
Manfred „Mani“ Stenner
*4.4.1954 – †17.7.2014
Die sozialen Bewegungen in Deutschland haben einen ihrer wichtigsten
Köpfe und aktivsten Mitstreiter verloren. Die alte Bundeshauptstadt
Bonn einen ihrer engagiertesten Bürger. Mani Stenner, seit
Jahrzehnten Geschäftsführer und guter Geist des Bonner Netzwerks
Friedenskooperative, ist tot. Sein ganzes Leben hat Mani dem Einsatz
für Frieden, Abrüstung und Gerechtigkeit gewidmet. Ein plötzlicher
Herzinfarkt riss ihn im Alter von nur 60 Jahren mitten aus der Arbeit
und dem Leben.
Ein großes Herz, aufgeschlossen für tiefe Freundschaft, mutig und
selbstlos risikobereit. Sein Kopf, angefüllt mit Ideen und stets offen
für Neues. Seine Füße, fest und standhaft auf dem Boden der Realität,
seine große politische Erfahrung im Hintergrund. Seine Bereitschaft zu
arbeiten, um das Unmögliche doch möglich zu machen und sein
großartiger Humor. Das ist jener Mani, an den wir uns noch lange gerne
erinnern werden.
Es wird dauern, bis wir begreifen werden, welch große Lücke
Mani Stenner hinterlässt. In Bonn, in der ganzen Bundesrepublik. Sein
Engagement in lokalen Initiativen und bei der Vernetzung bundesweiter
Kampagnen für eine bessere Welt ist sein Vermächtnis. Uns ist es
Ansporn, seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.
Wir trauern um den Freund, den Kollegen, den unermüdlich aktiven
Mani Stenner. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau und aktiven
Mitstreiterin Luise, die ihn mit unendlich viel Kraft und Leidenschaft
unterstützt und begleitet hat.
Kristian Golla (Netzwerk Friedenskooperative)
Jens-Peter Steffen (IPPNW)
Otfried Nassauer (BITS)
ich muss mal bei der misere anfragen, ob wir das nicht auch brauchen könnten…macht sich bestimmt gut bei den christlichen-wähler.
„Leitlinien geleakt: So leicht landen Sie in der US-Terrordatenbank“
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/us-terrordatenbank-aufnahmekriterien-von-the-intercept-veroeffentlicht-a-982641.html