USA-Kuscheltour durch Berlin und Brüssel (Update)

Eine Delegation aus den USA war auf Versöhnungsreise in Deutschland und Brüssel. Am Montag fanden sich der demokratische Senator Chris Murphy und der republikanische Abgeordnete Gregory Meeks in Berlin ein, um Beziehungsarbeit zu leisten. Zu einem Gespräch mit Kanzlerin und Bundespräsident kam es jedoch nicht, diese hatten schon im Vorfeld ein Treffen abgelehnt.

Stattdessen traf man sich mit Innenminister Hans-Peter Friedrich, Außenminister Guido Westerwelle und Thomas Oppermann, der dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorsitzt. Wie zu erwarten gab es nach außen Verständnis auf amerikanischer Seite, mehrmaliges Betonen der deutsch-amerikanischen Freundschaft und maskierende Mahnungen zu einer raschen Aufklärung der Situation. Da nichts Neues dabei war, nur ein kleiner Auszug an Zitaten aus Berichterstattung, Pressemitteilungen und -konferenz. Ähnlichkeiten zu vorherigen Äußerungen deutscher und amerikanischer Politiker wie immer rein zufällig:

Für uns ist die NSA-Affäre nicht beendet. (T. Oppermann)

Wir waren uns einig, dass der völlig ausgeuferten Abhörpraxis der NSA endlich Schranken gesetzt werden müssen. (T. Oppermann)

Die Deutschen sollen wissen, dass wir ihre Verärgerung nicht auf die leichte Schulter nehmen […] Unsere Beziehungen sind von enormer Bedeutung. Sie müssen noch stärker, noch enger werden.  (G. Meeks)

Wir wissen, dass Worte nicht reichen, um das Vertrauen wieder herzustellen, sondern dass es jetzt darum gehen muss, neue Grundregeln aufzustellen. (C. Murphy)

Ich persönlich finde, es gibt keine Entschuldigung für dieses Verhalten, und ich bin froh, dass es damit vorbei ist. (C. Murphy zur Überwachung des Kanzlerinnenhandys)

Wir wollen eine gute Balance zwischen den Anforderungen der Sicherheit und der Privatsphäre. (G. Westerwelle)

Vertrauen ist verloren gegangen und wir arbeiten gemeinsam daran, dass dieses Vertrauen wieder hergestellt werden kann. (G. Westerwelle)

Die Berichte sind irritierend und belasten das deutsch-amerikanische Verhältnis (H.-P. Friedrich)

Und der Klassiker aus der Pressemitteilung des Innenministeriums:

Der Bundesinnenminister sagte seinen Gesprächspartnern eindringlich, dass ein Ausspähen unter Freunden völlig inakzeptabel sei.

Aber die Tour der US-Delegation war in Berlin nicht zu Ende. Gestern stand ein umfangreiches Programm bei den Europaparlamentariern und der Kommission in Brüssel an, zuerst mit der Justizkommissarin Viviane Reding. Reding war vormals bereits selbst in die USA gereist, um über eine Datenschutzvereinbarung für europäische Bürger bei Strafverfolgung zu verhandeln. Sie betonte auch damals bereits mehrmals, dass Europäern in Amerika die gleichen Rechte zuteil werden müssen, die Amerikaner heute auf europäischem Boden genießen und twitterte zum gestrigen Gespräch:

Bei der später stattgefundenen Diskussion im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments zeigte Senator Murphy eine Spur Reue:

In der Art und Weise, wie wir Spionage betrieben, haben wir eine Linie überschritten. […] Wir können Ihnen voller Zuversicht mitteilen, dass sich Dinge ändern werden.

Diese Versicherungen und Eingeständnisse dürften jedoch primär das Ziel verfolgen, das Risiko einer Einstellung der Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen oder der „Safe Harbor“-Vereinbarung zu mindern. Denn nicht alle Parlamentarier und Kommissionsmitglieder sind von der Einsichtigkeit der USA überzeugt. Birgit Sippel aus der SPD, die im Europaparlament bereits an anderen internationalen Abkommen wie SWIFT mitgearbeitet hate und sich im LIBE-Ausschuss unter anderem für Datenschutz engagiert, drückt ihre Zweifel aus:

Wenn wir Europäer die USA wirklich unter Druck setzen wollen, wären ein vorläufiger Stopp der Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone oder eine Aussetzung des so genannten Safe Harbour Abkommens zielführender. […] Die EU-Kommission ist zugegebenermaßen in einer schwierigen Position, aber nur mit diplomatischen Schönwetterbestrebungen werden wir der Massenausspähung europäischer Bürger kein Ende setzen können.

Die EU-Kommission hat jedoch bereits bekannt gegeben, dass eine Aussetzung der Verhandlungen und Abkommen keine Option darstellt. Heute soll ein Bericht der Kommission veröffentlicht werden, der das weiter ausführt.

Ihre Beschwichtigungsarbeit – a.k.a. Lobbyarbeit – geleistet haben die USA auch in Hinsicht auf die UN-Resolution zum “Recht auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter”, die gestern in einem Ausschuss abgestimmt wurde. Wir hatten bereits über die geplante Resolution berichtet, die Ende Oktober von Angela Merkel und Dilma Rousseff auf den Weg gebracht wurde,  um bürgerliche und politische Rechte in der digitalen Welt zu verankern. In diesem Zusammenhang hatten wir auch erwähnt, dass eine Resolution der UN-Generalversammlung nicht bindend ist und daher die Gefahr besteht, dass außer einem diplomatischen Signal nur ein zahnloser Papiertiger zurückbleibt.

Aber das schien den USA nicht genug gewesen zu sein. Foreign Policy veröffentlichte ein internes Papier, das die USA ihren Verbündeten an die Hand gaben und das eindeutig deren Bemühungen zeigt, den Resolutionsentwurf so weit aufzuweichen, wie es nur möglich ist. Sie rufen dazu auf, „klarzustellen“, dass …

… sich Referenzen zu Rechten der Privatsphäre nur auf innerstaatliche Bereiche beziehen und nicht der Eindruck entsteht, ein Staat müsse sich auch um die Wahrung der Privatsphäre von Bürgern anderer Länder kümmern.

… der Fokus der Resolution nur auf „ungesetzlicher“ oder „illegaler“ Überwachung liegt.

… eine Verletzung der Rechte auf Privatsphäre nicht unbedingt auch eine Verletzung der Redefreiheit bedeutet, sondern bloß bedeuten könnte.

Worauf das abzielt, wird recht schnell klar. Die USA versuchen, sich jeglicher, auch zukünftiger Kritik, zu entziehen. Denn, wie wir wissen, spionieren die USA ja nicht ihre eigenen Bürger aus – oder zumindest wissen sie es dann nicht – und man bewegt sich sowieso niemals außerhalb gesetzlicher Pfade:

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Kein Problem also mit der Unterzeichnung. Einstimmig.

Update: Der oben erwähnte Kommissionsbericht zu den EU-US-Beziehungen ist mittlerweile veröffentlicht. Er trägt den optimistischen Titel „Rebuilding Trust in EU-US Data Flows“. Die Pressemitteilung macht zusätzlich klar, dass es derzeit keinerlei wirtschaftliche Konsequenzen aus dem Überwachungsskandal geben wird (Fettdruck und Unterstreichung aus Original übernommen):

Die Kommission macht deutlich, dass Datenschutzstandards nicht Teil der stattfindenden Verhandlung eines transatlantischen Freihandelsabkommens sein werden.

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