Post aus Big Brothestan

Unser Bundesdatenschutzbeauftragter hat ein schönes Gleichnis gebloggt: Post aus Big Brothestan.

Nehmen wir mal an, die Post eines fernen Staats – nennen wir ihn Big Brothestan – würde eine schnelle Luftpostverbindung von und nach Europa anbieten, praktisch kostenfrei. Die Frachtflugzeuge landen im Stundentakt auf fast allen größeren Flughäfen. Über den Umweg Brothestan könnten Sendungen fast genauso schnell, aber deutlich kostengünstiger, von Hamburg nach München transportiert werden als mit der Bahn. Für die Postunternehmen, die im scharfen Wettbewerb stehen, durchaus eine lukrative Alternative – auch wenn ihnen das brothestanische Geschäftsmodell nicht ganz plausibel erscheint.

Würden Sie einem Postdienstleister, der diesen Weg nutzt, vertrauen? Würden Sie ihm ihre private oder geschäftliche Korrespondenz anvertrauen? Und was würden Sie sagen, wenn herauskommt, dass die brothestanischen Sicherheitsbehörden alle Absender und Adressaten speichern? Wenn sie die Sendungen öffnen und den Inhalt kopieren, aber nur auf eigenem Territorium, und nur, wenn Absender oder Empfänger nicht in Big Brothestan wohnen? Und würde Sie die Aussage der brothestanischen Regierung beruhigen, all das geschehe „streng nach dem Gesetz“ und werde kontrolliert durch ein Geheimgericht?

Und was würden Sie von der Einschätzung eines hiesigen Politikers halten, man könne da nichts machen, denn so sei nun mal die Welt? Jedem stehe es im übrigen frei, keine Päckchen mehr zu versenden. Und man könnte seine Briefe ja auch mit Geheimtinte schreiben, die von Kopierern nicht erfasst werde. Zudem müsse man Verständnis für die Praxis der brothestanischen Behörden aufbringen, denn auch bei uns ginge die Sicherheit allen anderen Grundrechten vor.
Zum Glück ist das eine rein fiktive Geschichte. Big Brothestan gibt es nicht, es gibt keine kostenlosen Luftfrachtverbindungen in dieses Land und auch nicht Politiker, die zur Geheimtinte raten. Wir können also beruhigt sein.

Wirklich?

Ihr

Peter Schaar

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13 Ergänzungen

  1. hm finds ein wenig komisch…
    Man könnte auf den Gedanken kommen, der Herr Schaar möchte als Konsequenz, dass wir in Zukunft unseren Datenverkehr nicht mehr durch Staaten schicken sollen, mit deren Gesetzen wir nicht einverstanden sind ?!
    Mal abgesehen davon, dass ich sowas nicht für sehr realistisch halte, entspricht es auch nicht meinem Verständnis des Internets…

    1. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass wir keine Daten unnötig durch Länder führen, die keinen Datenschutz kennen.
      Abgesehen davon ist es natürlich ineffizient, Daten von Europa nach Europa über die USA zu leiten.

    2. Sehe ich auch so, das wäre kein Internet mehr, denn das Prinzip des Internets ist ja gerade die Dezentralität und eine fast unendliche Redundanz.

  2. Peter Schaar sollte sich jetzt knallhart positionieren und eine umgehende Aufhebung der Abkommen SWIFT, PNR und Safe Harbour fordern.
    Die Nichteinhaltung der Zusagen über Zweckbindung und Speicherfristen wurden von us-amerikanischer Seite ja bereits öffentlich bestätigt.

    Das ist mehr als bloße Symbolpolitik. Es soll deutlich werden, dass zukünftig mit derlei Fake-Abkommen keine Pseudolegitimität mehr erzeugt wird, auf die sich die Evildoer dann in aller Scheinheiligkeit berufen können.

  3. routing innerhalbs deutschlands, direkt die mail zu deutschen servern und nicht erst in die usa.

    zb. sprich telekom mail von dresden nach berlin…je nach server zentrum.
    die mail müsste nicht deutschland verlassen…..

    anders gesagt, provider xyz domain.de muss mail-server in deutschland haben und direkt routen, wenn email *.de.

  4. Eigentlich ist es unverstaendlich, dass die Provider nicht schon seit Anbeginn der Zeit saemtlichen Traffic asymmetrisch verschluesseln, der das eigene Hoheitsgebiet verlaesst. Heutzutage waere die Rechenleistung auf jeden Fall vorhanden.

  5. Es gibt eine Tonne an Instrumenten in unseren europäischen und nationalen Werkzeugkoffern, mit denen man dieser Abschnorchel-Raserei beikommen kann – wenn man Willens dazu ist.

    – Aufhebung von Safe Harbour:
    Die dann wieder geltende verstärkte Schutzwirkung nach § 4b BDSG (kein angemessenes Schutzniveau) hätte quasi ein Speicher- und Verarbeitungsverbot von personenbezogenen Daten bei Amazon & Co. zur Folge. Das zielt auf das Geld, auf die Cojones, das tut weh.
    Im Gegenzug müssten sich deutsche Firmen um entsprechende Dienste in Europa bemühen.

    -Verbot des Datenhandels durch (Melde)behörden
    Eine Heuchelei³, ein Gesetz zum Handel mit diesen Daten je verabschiedet zu haben.

    -Pflicht für alle (größeren) Serviceprovider, sichere Kommunikation nach Stand der Technik auf allen Verbindungswegen standardmäßig einzurichten.
    Client-zu-Server (mail, web, storage), Server-zu-Server (smtp)

    -Pflicht der strikten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für jegliche behördliche elektronische Kommunikation
    Die Vorschrift zur Zwangsentschlüsselung be DE-Mail war keine legislative Schlamperei im Neuland.
    Das war und ist ein vorsätzlicher Schlag ins Gesicht der Privatheit. Die Begründung dafür so lächerlich und unverschämt, wie die US-Reise von BM Friedrich.

    -Gesetzliches Verbot der Tätigkeiten/Einrichtungen ausländischer Nachrichtendienste auf deutschem Boden
    Klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Wenn von Sachen wie Echelon und Dagger-Komplex und Radomen offen- und aktenkundig Kenntnis erlangt wird, wird der gute „Freund“ aufgefordert, umgehend die Anlagen rückzubauen und mit seinem Equipment das Land zu verlassen.
    Bei dem nächsten Leak hat man dann eine rechtliche Handhabe gegen mitwissende und mitwirkende Politiker und Beamte.

    Die Tatsache, dass man in der Regierung nicht handelt und in der Opposition nicht annähernd angemessen anprangert, zeigt eines: Man will nicht, macht im schlimmsten Fall sogar gemeinsame Sache mit den Feinden der Bürgerrechte und der Privatheit.

    Und bei den wenigen willigen und aufrechten Politikern ist die Schere im Kopf vor Karriere und atlantischen Brücken schlimmer, als die Schere im Kopf der Bürger.

  6. Die Balkanisierung des „Inter“net? Einen Artikel dazu gibt es bei einem ausländischen news servise (guardian). Die These lautet, dass es unmöglich wurde den Clouds, etc. aus Übersee zu vertrauen.

    Wer schreibt ein Stück aus Glasfaser-Satelitistan?

  7. Auf http://www.yougetsignal.com hab ich mal ein paar Tracerouts von meinem Anschluss/meiner Ip (Telekom) zu Webseiten in unmittelbarer räumlicher Nähe visualisieren lassen (proxit race): immer gehen die Daten zunächst in die USA.

    Kann vielleicht mal jemand erklären, WARUM das so ist bzw. so sein muss?

    1. …und welche Webseiten hast du aufgerufen?
      Wenn ich meine eigene aufrufe – gehts straight in die Schweiz,
      bei einem no-ip Dienst, über Spanien nach Portugal,…
      (aber coole Seite btw.)

      Falls du private Domains aufrufst,
      wo sind die gehostet?

      Sieben
      PS: Deine Frage kann ich auch nicht beantworten.

    2. Das liegt daran, dass der Host trace vom „yougetsignal.com“-Server aus durchgeführt wird. Und der steht natürlich in den USA.

      Wenn Du wissen willst, über welche Verbindung Dein Rechner Webseiten lädt, musst Du traceroute selbst ausführen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.