Im Bereich offen zugänglicher Lernunterlagen („Open Educational Resources“, OER) zählt Deutschland international zu den Schlusslichtern. Im Hochschulbereich findet sich beispielsweise keine einzige deutschsprachige Universität unter den über 200 Mitgliedern des Open Courseware Consortiums. Das bedeutet aber keineswegs, dass deutsche Universitäten nicht in die digitale Veröffentlichung ihrer Lehr- und Lerninhalte investieren würden, im Gegenteil. Die Universität Tübingen zählte 1999 mit dem Start der timms-Platform zu den allerersten Hochschulen überhaupt, die Videos zu Vorlesungen kostenlos online zugänglich machten.
In den letzten Jahren lässt sich ein Trend hin zur Bereitstellung von audiovisuellen Lerninhalten im Rahmen von Apples iTunes U beobachten. Vorreiter in dieser Hinsicht waren beispielsweise die RWTH Aachen (iTunes-Link) und die Ludwig-Maximilians-Universität München (iTunes-Link), aber auch die Universität Hamburg (iTunes-Link), die Leibniz Universität Hannover (iTunes-Link) und die Zeppelin Universität (iTunes-Link) setzen auf iTunes U. Meine Universität, die Freie Universität Berlin, informierte ebenfalls kürzlich in einem Rundschreiben alle Fachbereiche über Pläne, in Hinkunft auf iTunes U als Plattform für „die Bereitstellung von Lehrveranstaltungen und audiovisuellen Materialien“ zu setzen. Der letzte Absatz des Rundschreibens hatte es dabei in sich:
Abgesehen davon, dass eine derartige „Regelung“ wohl kaum rechtlich bindend einfach von Seiten einer Universitätsleitung dekretiert werden kann, ist die Strategie Lerninhalte exklusiv in iTunes U anzubieten gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch:
- Die Nutzung von iTunes U erfordert iTunes und ist damit auf Windows und MacOS beschränkt. Linux-Nutzer bleiben außen vor. iTunes U verfügt auch nicht über offene Schnittstellen, die automatisierten Export und/oder Einbettung in anderen Portalen erlauben würden. Selbst der browser-basierte iTunes-U-Kursmanager ist nicht plattformunabhängig zugänglich – Chrome liefert mir beispielsweise folgende Rückmeldung:
- Apple erhält kommerzielle Nutzungsrechte an sämtlichen Inhalten auf iTunes U, insofern diese zum Betrieb des Dienstes erforderlich sind. So heißt es in den Nutzungsbedingungen zum Thema „Beiträge zu den Stores“:
Sie räumen iTunes hiermit eine örtlich und zeitlich unbeschränkte, kostenlose und einfache Lizenz ein, solche Materialien als Teil der Stores und im Zusammenhang mit den Produkten zu nutzen, ohne Gegenleistung oder Verpflichtungen Ihnen gegenüber.
- Die Einräumung von kommerziellen Nutzungsrechten erschwert die Verwendung Creative-Commons-lizenzierter Inhalte, die eine kommerzielle Nutzung dieser Inhalte ausschließen (d.h. das NonCommercial-Modul verwenden). Das ist vor allem dann ein Problem, wenn nicht-kommerziell lizensierte Inhalte von Dritten in der Lehre eingesetzt werden.
- Für das Einstellen von Inhalten bei iTunes U ist ein Apple-User-Account (Apple ID) erforderlich.
- Das Co-Branding von Apple, also Kopfzeilen und Logos, darf nicht entfernt werden.
Zusammengefasst stellen die Investitionen in iTunes U eine Richtungsentscheidung dar: statt in offene Plattformen investieren die Universitäten in die Bereitstellung von Inhalten im Rahmen eines proprietären Angebots – eine fragwürdige Strategie für größtenteils öffentlich finanzierte Einrichtungen.
Völlig unverständlich sind aber Exklusiv-Strategien wie jene der FU Berlin. Worin sollte der Nachteil bestehen, wenn Vorlesungsvideos neben iTunes U auch auf YouTube oder Vimeo verfügbar gemacht werden? Umgekehrt wäre damit der Vorteil verbunden, dass Lehrvideos plattformunabhängig zugänglich wären und einfacher in Webseiten eingebettet werden könnten.
Ganz allgemein ist der schleichende Vormarsch von iTunes U an deutschen Hochschulen ein Beleg für das Fehlen institutioneller Akteure, die sich im Bereich von Lernunterlagen für offene Lizenzierung und offene Formate einsetzen. Während im Forschungsbereich die großen Wissenschaftsorganisationen, allen voran die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft, seit Jahren eine konsequente Open-Access-Strategie verfolgen, fühlt sich bislang niemand zuständig für einen offenen Zugang zu digitalen Lernunterlagen.
Es geht noch schlimmer. Die Technische Universitaet Hamburg-Harburg nutzt ‚mediasite‘ von sonicfoundry. Aus den Features:
Bisher ist unklar, ob diese Moeglichkeiten an der TUHH genutzt werden.
siehe http://www.sonicfoundry.com/mediasite/analytics
Auch die Goethe-Universität Frankfurt verwendet mediasite, zumindest in den MINT-Fachbereichen.
Im Gegensatz zum System aus dem Artikel läuft mediasite in IE, Firefox und Chrome und selbst unter Android.
siehe http://www.sonicfoundry.com/mediasite/analytics
Ein großes Problem bei iTunesU ist, dass die gesamte Welt der Android Nutzer praktisch ausgeschlossen wird, da es keine offizielle iTunes U app von Apple für Android gibt. die Mehrzahl der weltweiten Smartphone Nutzer hat somit keinen Zugriff auf die Materialien in iTunesU!
Einen Lösungsansatz bietet die Android App TuneSpace. die Funktion ist bisher allerdings auf das anschauen von Material beschränkt. immerhin ein Anfang.
https://play.google.com/store/apps/details?id=de.twokit.tunespace&hl=de
Zu erwähnen wäre: Die Universität Erlangen verfügt laut Studien derzeit über das größte Onlinearchiv auf Vorlesungsaufzeichnungen (deutlich über 2000): http://video.fau.de
Diese werden b>zum Teil aber nicht vollständig auch auf iTunesU exportiert. Der Zugriff dort ist aus Gründen der allgemein Zugänglichkeit aber auch unter einer selbst entwickelten Plattform möglich.
iTunes U ist nicht mehr als eine zusätzlich Zugriffsmöglichkeit. In etwa so bedeutet wie das RSS-Angebot.
Mehr Files als über iTunes erhält man über das eLearning-System ILIAS, welches angeflantscht ist und wo sich die Studis anmelden können.
Geplant ist neben einen Export auf iTunesU (die übrigens sich lediglich aus einem RSS bedienen und dann die öffentlichen Files auf den eigenen CDN-Servern kopieren) auch ein Export auf YouTube.
Das ganze ist durchaus Erfolgsmodell und zeigt das es geht.
Wenn jetzt erst andere Unis planen iTunesU exklusiv einzusetzen, dann muss man ehrlich sagen: Sorry, ihr seit 10 Jahre hinterher und ihr müsst diese (und andere) guten Beispiele kennen. Und trotzdem setzt ihr auf eine veraltete Verteilungsmethodik.
Genausogut könnte man ankommen und einen Website-Relaunch mit alten Frames machen, IE6-Browserweichen und WAP-Zugriff für Handys.
Was die Entscheidung & Verbreitung von iTunesU angeht: Apple macht Werbung. Und wendet sich gezielt und mit schönen Präsentationen an Hochschulleitungen (und gezielt nicht an die Fachleute!). Das ist das ganze Erfolgsrezept.
Andere Anbieter machen das derzeit nicht.
MS macht es ähnlich. Was der Grund ist, warum MSDNAA und nun DreamSpark an fast allen Unis angeboten wird. Und nicht etwa kostenfreie Alternativen, wie OO. Die Anbieter freier Lösungen machen kein vergleichbares Marketing für die eigene Sache.
Ebenfalls ergänzend:
Die Universität Regensburg bietet ebenfalls einige Vorlesungsmitschnitte und Videos auf einer eigenen Plattform an:
https://mediathek.uni-regensburg.de/m/playlist/index
Allerdings ist der Zugang oft beschränkt, etwas weniger als die Hälfte der Videos sind ohne Account (z.B. Ringvorlesungen, Programmierkurs Java) abrufbar. Auf die Lizenz-Frage wird allerdings nicht eingegangen, das Impressum erwähnt keine Videos; liegt wahrscheinlich daran, dass die Mediathek noch relativ neu ist.
Nach etwas Suchen bin ich gestern auf ein kleines Programm gestoßen, dass es sowohl für Linux als auch für Android gibt, und die Linuxversion funktioniert für mich (Nicht-mehr-Studentin, also ausschließlich für die Materialien, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen) ganz gut.
Soll auch mehr können, aber das kann ich nicht verifizieren.
Die Software liegt auf sourceforge und heißt TunesViewer.
Das soll jetzt nicht heißen, dass die iTunes – Lösung unproblematisch sei, aber für diejenigen, die erstmal in der Situation stecken, dass sie nur über iTunes U an das Material kämen, mag das von Nutzen sein.
Die Android Version ist übrigens nicht über den Play Store erhältlich, warum weiß ich nicht.
Hey Leonhard,
danke für den Beitrag.
Ich erwarte sowas ja mittlerweile von der FU Obrigkeit, die ist so unreflektiert, echt beschämend.
Da kann man bestimmt was machen, es würde mich jedenfalls freuen wenn dieses Apple- und iTunes-Zeugs auch weiterhin von einer Hochschule (!!!) fernbliebe,
Erst recht wenn die Ideen einer zentralisierten und vereinheitlichten Medienplattform ganz gecanceled würde.
Im Ernstfall kann man dann immernoch die Medien automatisiert von iTunes U rippen und auf andere Plattformen uppen, nur so zum Spass ;)
Meine Erfahrung in Hessen ist, dass es hier abgeschlossene Lernplattformsysteme wie ILIAS gibt, welche absichtlich nach außen verschlossen werden, da die Lernmaterialien, die man da mitunter findet, so nicht oder nur in bestimmten Fällen unter das Copyright fallen…
Ein Hinweis zur Berichtigung, bzw. näheren Erläuterung:
Die Universität Hamburg ist zwar in der iTunesU präsent, aber zu behaupten, sie setze auf die iTunesU scheint vor dem Hintergrund, dass sie eine eigene, offene Plattform ( http://lecture2go.uni-hamburg.de ) betreibt und in der iTunesU nur ausgewählte Inhalte erscheinen (ein geringer Bruchteil, der auf der hauseigenen, offenen Plattform zur Verfügung stehenden Inhalte) ein wenig übertrieben.
Auf Lecture2Go gibt es übrigens mehr als 3000 Vorlesungs- und Konferenzaufzeichnungen weltöffentlich einsehbar für alle und kostenlos :)
Gruß
Michael
Danke für den aufschlussreichen Artikel.
„Das Co-Branding von Apple, also Kopfzeilen und Logos, darf nicht entfernt werden.“
Wo kann man das in den Nutzungsbedingungen finden? Danke