Gelöschte Tweets von Politikern: Kanzlerkandidaten interessieren sich nicht für Netzpolitik

Im Jahr 2013 müssen Politiker anscheinend auf Twitter sein – mit allen Vor- und Nachteilen. Die Plattform Politwoops.de dokumentiert automatisch Tweets von Bundestagsabgeordneten, die diese wieder gelöscht haben. Dass das im anstehenden Wahlkampf ganz lustig werden kann, bewies jetzt der Account des SPD-Kanzlerkandidaten.

Die Plattform Politwoops archiviert gelöschte Tweets von Politikern, automatisch per API:

Politwoops is a way for us to get transparency from politicians and hold them accountable. With the free flow of information online the playing field is more equal. Politwoops is a way of making politicians feel that equality.

Jetzt gibt es diesen Service auch für Deutschland. Auf Politwoops.de finden sich gelöschte Tweets von Deutschen Bundestagsabgeordneten.

In Zusammenarbeit mit Netwerk Democratie und Hack de Overheid hat netzpolitik.org schon seit einiger Zeit an der deutschen Version gearbeitet, wir wollten demnächst™ launchen.

Vor ein paar Minuten gab es jedoch einen Tweet vom offiziellen Twitter-Account des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der zu gut ist, um ihn zu ignorieren:

Peer Steinbrück (@peersteinbrueck): Wann hat sich ein Kanzlerkandidat irgeneiner Partei schon mal für Netzpolitik interessiert! Wann? cc @pottblog


Wie wichtig die SPD die Netzpolitik findet, hat sie ja diese Woche bewiesen. Danke, dass das auch der Kanzlerkandidat nochmal klarstellt, auch wenn der Tweet gleich nach einer halben Minute wieder gelöscht wurde. Jetzt ist er für die Nachwelt dokumentiert.

Wir erwarten noch viele weitere lustige Tweets, vor allem im anstehenden Wahlkampf. Auf Politwoops.de gibt es einen eigenen Twitter-Account PolitwoopsDE, der gelöschte Tweets nochmal postet. Viel Spass beim Beobachten.

Da wir eigentlich noch nicht launchen wollten, dürften sich auf der Seite noch ein paar Bugs und fehlende Übersetzungen finden. Hinweise nehmen wir gerne in den Kommentaren entgegen und fixen sie, sobald wir dazu kommen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

19 Ergänzungen

  1. Ähm, und das soll gut sein? Ich meine, was soll es denn bewirken? Man überlegt sich jetzt doch zwei, oder drei Mal einen Tweet abzusenden. Ich habe auch schon einmal einen Tweet gesendet und ihn nach einer Minute gelöscht (ehrlich: wer hat das noch nie gemacht?). Manchmal, weil ich irgendeinen Rechtschreibfehler drin hatte, manchmal aber auch, weil ich mir dachte: „Puh, hättest du vielleicht noch einmal durchgeatmet bevor du auf Senden gedrückt hast“ . Natürlich muss mir bewusst sein, dass was einmal öffentlich ist, prinzipiell für alle Ewigkeit öffentlich bleibt. Wenn aber ein System oder ein Dienst genau auf solche „Fehler“ hofft, dann scheint es meiner Meinung nach der politischen Kultur nicht wirklich gut zu tun.

    1. Wie immer im Internet gilt: Wer’s nicht lesen will, klickt nicht drauf.

      Bezüglich Typos arbeiten wir an einer Erkennungs-Automatik, um das rauszufiltern.

      1. Nach der Logik ist im Internet tatsächlich *alles* erlaubt. Wenn ich etwas nicht wahr haben möchte, klicke ich einfach nicht drauf und gut ist, oder wie?

        Ich bin auch zwiegespalten. Wenn ein User etwas öffentlich macht und dann löschen will, sollte man dies respektieren. Natürlich nicht umbedingt bei brisanten Dokumenten, aber bei Twitter-Postings auf jeden Fall.
        So werden die Politiker über früh oder lang einfach aufhören, Twitter zu nutzen. Ein Sieg für die Transparenz! Fehltritten nachschnüffeln, aus dem Kontext gerissene Zitate mit durchweg negativer Auslegung, das ist übelstes BILD-Niveau.

    2. Du solltest Dich vielleicht mal frei machen von der Vorstellung, ein beliebiger Politclown würde tatsächlich selbst auf Twitter/ Fratzenfibel klimpern. Mit Ausnahme der sogenannten Netzkasper & Genderisten jedweder Fraktion handelt es sich in 99,99% aller Fälle um prekär beschäftigte Auftragstipper.

  2. Najaa, Henning – wenn der selbe Tweet gleich drauf in korrekter Rechtschreibung kommt, seh ich kein Problem.

    Und statt „Angst vor Fehlern“ wäre ja vielleicht auch ein „Umgang mit Fehlern“ möglich: wenn ich was doofes geschrieben habe kann ich in einer drauf folgenden Diskussion ja zeigen, inwieweit ich kritikfähig bin, z.B.. Wäre ja auch mal was neues für den Standart-Politiker, aus dem „Politiker machen nie Fehler“-Bild auszubrechen. Und wer da nicht rauswill und das Bild des Unfehlbaren unbedingt aufrecht erhalten will – naja, gut, der muss sich dann eben tatsächlich anstrengen…

    BTW – Ich würde übrigens das System damit hacken, einen Tweet, den ich wahrgenommen haben will, rauszuschicken, zu löschen und gleich wieder rauszuschicken. Der Gelöschte wird ja automatisch retweetet und veröffentlicht… ;-)

  3. Coole Idee, aber ganz fehlerfrei fluppt es noch nicht:
    Tweet von Kai Gehring wurde angeblich „vor 2 Tage gepostet, nach 8 Monate gelöscht“ – Zeitreisen?

  4. Wer nicht selber schreibt, sollte Twitter nicht nutzen. Entschuldigen/vertun kann sich jeder mal. Ob man alles aus den USA nachmachen muss? SPD und Obama-Wahlkampf passen eh nicht zusammen.

    1. Naja, diese „Aussage“ des Kanzlerkanditaten-Twitter-Proxies ist aber schon harter Stoff, gerade im Zusammenhang mit der Entscheidung der NRW SPD zum Thema LSR. Und politisch neutral ist und war dieses Blog nie, wo ist das Problem. Es ist netzpolitisch. Und dann etwas grün. Und dann etwas blau-rot-orange. Who cares?

  5. Find es auch blöd. Warum sollen politiker einen tweet nicht löschen dürfen und was bringt es der öffentlichkeit, wenn solche „fehltweets“ archiviert werden? Also: echt ein recht jämmerliches projekt finde ich, dass weder transparenz fördert noch den meinungsaustasch über netzmedien. Schürt nur angst. Schwach.

    1. Es steht jedem frei einen Tweet zu löschen oder ein Update hinterher zu schicken. Bei Politkern (und ihren PR Leuten) zeigen diese Tweets (die sie oft nicht selber schrieben, wie Du ja bestimmt mitbekommen hast) aber interessante Tendenzen auf. Hier zeigt sich z. B. deutlich, dass die SPD im Bereich Netzpolitik komplett frei dreht, auch wenn man es nach außen lieber nicht so darstellen will. Ähnlich wäre es mit einer Pressemittlung die „plötzlich“ von der Startseite verschwindet.

      Guck‘ mal die die geposteten und auch in die gelöschten Tweets rein. Da ist teilweise bei LSR & SPD richtig rums drin …

      Aber da Du ja total durchblickst und sofort erkennst wann ein Projekt Mist ist — was denkst Du denn über das aktuelle LSR? Auch ohne Tweets und so?

  6. PS: In der TAZ vom Samstag gibt es einen nettes Interview mit Winfried Kretschmann über das man mal nachdenken sollte.

    „Dieses zusammenhanglose Zitieren aus Interviews erzieht uns Politiker zu etwas Falschem. Wenn wir dreimal erlebt haben, dass uns aus dem Zusammenhang gerissene Sätze um die Ohren gehauen wurden, biegt man in die Spur gestanzter Phrasen ein.“ (Winfried Kretschmann, TAZ, 23.03.2013)

  7. Super Sache, nein, Politiker sollen nicht selbst twittern, und somit auch mal fehler machen, die Sie kurz darauf wieder revidieren, sondern sollen twittern gefälligst bezahlten Profis überlassen, welche dann bei einen Versehen gefeuert werden können. Sagt mal, was für kleine Kinderhirne treibt Euch eigentlich um ???Whats next? Google auotmatisert Schnappschüsse von lustigen Posen der Politikern beim Essen? Die ARD schneidet im Nachtprogram Videoschnippsel zusammen, auf denen Politiker zufällig vor laufender Kamera pupsen müssen ? Was für ein Scheiß.Wie kann so einen blödsinn promoten, und sich klasse dabei fühlen., Shame On U.

  8. Mir gefaellt es. Insbesondere wird aufgezeigt, was es bedeutet sich im web 2.0 zu bewegen – was ein Befuellen der Datenbanken von US-Konzernen gleichkommt. Auch das Loeschen einer Information ist lediglich ein weiterer Datensatz.
    Betroffene koennen daraus lernen und sich Hirngespinsten a la „digitaler Radiergummi“ (der kommt sicher nochmal) entledigen. Fuer andere koennte auch eine Idee aufkommen, welche Spuren man im Netz stets hinterlaesst.

    In diesem Fallbeispiel werden die Konsequenzen besonders klar. Wie in einem vorigen Kommentar schon angemerkt waere ein offene Diskussion ueber diesen Fauxpas die richtige Loesung, wenn es denn ein Fauxpas gewesen ist.
    Interessanterweise gibt es hier auch eine Parallele zum Reallife „Einmal Gesagtes kann man nicht einfach zuruecknehmen.“

  9. Wunderbares Tool! Danke!
    Das gibt einen interessanten Einblick in die Gefühlswelt (und Realität) vieler Politiker die nach aussen hin A und nach innen hin B sagen. Ein schöneres Beispiel wie den gelöschten Tweet vom Superkanzlerkandidaten kann es doch gar nicht geben! Wer das gelesen hat und dann nicht für dieses Projekt ist muss doch was mit der SPD zu tun haben – wie auch immer. ^^
    Gerade Personen die in der Öffentlichkeit stehen sollten halt sehr vorsichtig damit sein was man so bei Twitter einstellt… auch wenn es nicht so entlarvend ist wie dies nun von Herrn Steinbrück. Interessiert doch niemanden wenn Klein-Heinz aus der Nachbarschaft einen Tweet zurücknimmt… aber wenn der Kanzlerkanditat der SPD ganz klar sagt das in Netzpolitik mal sowas von am A**** vorbei geht ist das doch wohl was anderes und sollte jeden Menschen der regelmässig im Netz unterwegs ist davon überzeugen das die SPD vielleicht nicht die richtige Wahl im Herbst ist…
    Nach aussen hin buhlen die ganzen großen Parteien nun um unsere Stimmen und in Wirklichkeit interessieren sie unsere Wünsche mal so gar nicht… Industrie, Lobbys und spätere Posten sind wichtiger… Punkt (siehe Gas-Gerd). Und solche Twitter-Whooops geben uns einblicke was „die da oben“ wirklich denken.

    1. Lern mal bissle Relaität. Politiker interessieren sich nur fürs Volk oder deren wünsche wenns net anders geht, sprich wenn Wahlen anstehen. Es ist auch scheiss egal was ein Politiker verbricht ob sprachlich oder real es hat selten Konsequenzen solange die klassischen MEdien mitspielen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.