Aufruf von mehr als 60 Wissenschaftlern: Die EU-Datenschutzverordnung nicht verwässern!

Die derzeit auf EU-Ebene diskutierte Datenschutzverordnung ist eine große Chance für den Datenschutz in Europa, die nicht vertan werden darf. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das schon von mehr als 60 Wissenschaftlern unterzeichnet wurde. Darin entkräften sie die Argumente der Datenschutz-Gegner, die derzeit massiv gegen die Pläne lobbyieren.

Vor drei Wochen berichteten wir über ein Positionspapier zur Datenschutz-Verordnung: Auch anonyme Daten brauchen Schutz.

Der Text wurde mittlerweile von über 60 führenden europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Informatik, den Rechtswissenschaften, den Wirtschaftswissenschaften, der Betriebswirtschaft und weiteren Fachbereichen unterzeichnet und hat eine eigene Seite erhalten: DataProtectionEU.eu. Das ist die Gliederung des Textes:

Um diesem politischen und fachlichen Ringen eine sachliche Bewertung beizusteuern, möchten wir fachlich Stellung beziehen und uns mit Argumenten, die gegen einen wirksamen Datenschutz vorgebracht werden, hier auseinandersetzen.

  • Innovation und Wettbewerb sind nicht bedroht
  • Zur Einwilligung des Kunden
  • Zum berechtigten Interesse
  • Wann greift die Verordnung überhaupt? Wann sind Daten ‚personenbezogen’?
  • Wer soll die Datenschutzanforderungen festlegen?

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Eine Ergänzung

  1. Datenschutz: Ja, bitte!

    Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde 1983 von oberster Instanz – dem Bundesverfassungsgericht – als Grundrecht anerkannt.

    Aber wie war das? Warum nochmal wird das Zustandekommen einer sauberen Datenschutzverordnung seit Jahren ausgebremst?
    Achso, Innovation und Wettbewerb würden bedroht werden, aber klar doch!

    Grundsätzlich bemerkenswert, dass dieses Positionspapier existiert und jetzt sogar weitere fachkundige Unterstützung erhält. Angesichts der mehr als dürftigen Argumente der Datenschutzkritiker hätte ich mir allerdings einen deutlich bestimmteren Ton von den Autoren erwartet.
    Man hätte einfach einmal in den Raum werfen können, warum der extrem ausgprägte Datensammelwahn unserer Internetgiganten sogar hinderlich für Innovation und Wettbewerb sein werden.
    Ich meine, was geschieht eigentlich mit den Millionen und Milliarden von Daten, die täglich von jedem Internetnutzer gesammelt werden? Mal überlegen… also Google und Facebook kennen mich mit Sicherheit besser als meine beste Freundin. Ersterer speichert alle meiner Suchanfragen, was ja für sich gesehen schon super gruselig ist. Aber Googles Serviceangebot endet ja nicht beim Bereitstellen einer unübertroffenen Suchmaschine, weitere hausinterne Plattformen wie Googlemail, G+ oder Youtube bescheren dem Giganten eine zusätzliche Flut meiner intimster Daten. Einmal erfasst wird dann auch die kleinste Information über mich ausgewertet und zur Präzisierung meines persönlichen Google-Profils verwendet.
    Nicht ganz so umfangreich aber dennoch höchst aussagekräftig entpuppen sich die Datenberge, die Facebook fleißig von seinen Usern anlegt. Jede noch so banale Statusmeldung und Konversation zwischen den Nutzern wird mitgeschnitten. Anhand der freiwillig preisgegebenen Daten wie Alter, Beruf, Freundeskreis und „I Like“s lassen sich sehr detaillierte Profile der User erstellen. In ihrer nicht stillbaren Neugier finden die Datenjunkies von Facebook auch immer wieder neue Hintetürchen, um noch tiefer in die Privatsphähre ihrer Kunden einzudringen: Dank der im Internet nahezu überall zu findenden „Gefällt mir“ Buttons neben diversen Warenangeboten, Musik-Videos, Blogbeiträge, Zeitungsartikeln,etc. wird jede dieser angesurften Seiten erfasst und in das interne Facebook-Profil eingearbeitet. Desweiteren nutzt unser unersättlicher Freund eine hochmoderne Gesichtserkennungs-Software, mittels derer sämtliche auf FB hochgeladenen Fotos gescannt und Personen auf diesen Bildern identifiziert werden, um sie den entsprechenden Pofilen zuzuordnen. Letztere Methode wird allerdings nicht mehr angwandt, jedenfalls nicht offiiziell.
    Auch wenn Facebook gegenüber Google quantitativ unterlegen ist, was die Beherberbung einzelner Nutzerprofile angeht, so kann der Gigant trotzdem auf qualitativ hochwertigere Datensätze zurückgreifen. Immerhin kann das Unternehmen deutlich mehr registierte Mitglieder vorweisen. Neben diesen zwei Vorzeige-Ausspäh-Konzernen gibt es noch eine ganze Latte anderer Unternehmen, die sich durch massenhafte „Datenerfassung“ ihren Teil vom großen Kuchen sichern wollen (Microsoft, Twitter, Apple, Browser, Email-Dienste, diverse Softwarehersteller)

    Aber nun um springenden Punkt: Wofür der ganze Aufwand?
    Also im BESTEN FALL glauben wir deren Pessesprechern und die Datensammelwut dient lediglich der Optimierung von individuell und gezielt eingesetzter Werbung beim Endkunden. Da stellt sich mir nun aber die Frage, welche „Innovationen“ und welcher „Wettbewerb“ durch das Nutzen dieser intimen Daten eigentlich beflügelt werden? Welche Unternehmen haben übehaupt die finanziellen Mittel, um auf Googles oder Facebooks exklusive Dienste zurückgreifen zu können?
    Das sind doch nicht die aufstrebenden kleinen und mittelständischen Untenehmen, die ihre Werbung an passender Stelle bei Google/ Facebook platzieren. Das Gegenteil ist doch der Fall, Google verkauft seine äußest begehrte Werbefläche natürlich an den höchstbietenden, wer will dem Unternehmen das schon vedenken? In Zeiten, in denen Mega-Konzerne fusionieren, sich zu Hauf Tochter-/ Schwester-/Mutterkonzerne und Cooperationen bilden und überhaupt die obere Wirtschaftselite immer weiter expandiert während der Mittelstand auszusterben droht, sollte man doch der Realität ins Auge blicken und offen zugeben:
    Beflügelnd wirkt sich die Möglichkeit der zielgerichteten Werbeplatzierung wohl eher auf mittlerweile fest etablierte Konzernstrukturen und weitere Monopolbildung aus – aber ganz sicher nicht auf „Innovation und Wettbewerb“.

    Es sei denn… ja es sei denn die Kritiker der Datenschutzverordnung meinten gar nicht Innovation und Wettbewerb im Allgemeinen. Möglicherweise sehen sie lediglich Innovation und Wettbewerb in der Datenhehler-Branche bedroht. In diesem Fall könnten sie mit ihrer Befürchtung natürlich Recht behalten.

    Mir drängt sich da aber noch eine ganz andere Frage auf: Was hat die Datenhehler-Lobby unseren Volksvertretern noch so alles versprochen, um weiterhin ihren verfassungswidrigen Machenschaften nachgehen zu dürfen? Oder anders gefragt: Welchen Nutzen hat das Speichern sämtlicher Nachrichten, die Erstellung eines Bewegungsprofils und das Ausspähen sämtlicher Webseiten, die ich besucht habe (also auch politische Blogs und kritische Zeitungsartikel) für die Werbewirtschaft? Entsteht hier überhaupt ein Mehrwert? Eher nicht.
    Ein Staatsapparat hingegen, der sich vor dem Widerstand einer größeren Bevölkerungsschicht fürchtet und dessen Kontrollzwang immer deutlicher zum Vorschein kommt, dieser wiederum würde sich die Finger nach derart aufbereiteten Persönlichkeitsprofilen lecken. Und ja, ich hab natürlich die Möglichkeit die Dienste dieser Datenimperien zu verweigern und anonym zu surfen. Aber macht mich das nicht auch automatisch „verdächtig“? Im 3.Reich galt es ebenfalls als höchst suspekt nicht Mitglied bei der NSDAP zu sein…

    Ach ja, wenn wir schon dabei sind unsere von der Verfassung zugesicherten Grundrechte aufzugeben, um Innovation und Wettbewerb demokratisch nicht legitimierter Geschäftsmodelle zu ermöglichen:

    -> Ich sehe noch reichlich Wachstumspotenzial in der Pharmabranche. Von den ersten Forschungarbeiten bis zur Markteinführung eines neuen Medikaments vegehen oft unsäglich viele Jahre. Ein immenser Aufschwung für Innovation und Wettbewerb wäre zu erwarten, würden Pharma-Firmen ein Medikament noch in der Forschungsphase an menschlichen Versuchsobjekten testen können. Kriminelle, Behinderte, Obdachlose und zur Not auch langjährige Hartz4-Empfänger können hierfür bedenkenlos als Versuchsobjekt fungieren.

    -> Desweiteren sollten wir über die Errichtung neuer Arbeitslager nachdenken. Eine Entlohnung der Arbeiter wäre nicht vorgesehen, Sicheheitsstandarts gelten in diesen Einrichtungen keine. Dort werden sich alle einfinden, die als Pharma-Versuchsobjekt überlebt haben. Desweiteren halte ich politisch andersdenkende Personen für diese Arbeiten würdig. Damit könnte sich die Regierung von den lästigen Oppositionellen befreien. Und nicht zu vergessen natürlich: Die Innovation und die globale Wettbewerbfähigkeit, die mit einer solchen Reform einhergehen würde. Win-Win für Staat und Wirtschaft.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.