Acht Minuten NSA-Skandal im TV-Duell

Acht Minuten des 90 Minuten langen TV-Duells zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Peer Steinbrück drehten sich heute um den NSA-Überwachungsskandal. Dazu musste man 69 Minuten warten, bis das Thema endlich angeschnitten wurde.

Stefan Raab fragte Steinbrück, ob dieser seine Aussage wiederholen würde, dass Merkel ihren Amtseid in dieser Frage verletzt habe. Nach einigem Rumgelaber kam dann irgendwie noch ein Ja.

Merkel erzählte wieder das Märchen vom „deutschen Boden“ und dass man Fragen an die Amerkaner gestellt habe. Den Aussagen der NSA müsse sie vertrauen, „Ich habe auch keinen Anlass, dem nicht zu vertrauen“. (Vielleicht mal Nachrichten lesen?) Große Ausrede war, dass es andere Länder mit einem anderen Datenschutzverständnis gäbe. (Allerdings sagt das auch im Umkehrschluß: Natürlich wird unsere Kommunikation überall abgehört.) Kann man nicht viel machen. Muss man mal drüber reden und verhandeln.

Merkel versuchte zu suggerieren, dass auf ihre Initiative die EU-Datenschutzreform gestartet sei, um das Problem zu lösen.Allerdings zählten die Bundesregierung und die CDU/CSU-Europaabgeordneten bis zu den ersten Snowden-Enthüllungen zu den größten Bremsern auf EU-Ebene, die sich gegen starke Datenschutzregeln stellten. Das ist wenig glaubwürdig. Und es muss sich erst noch rausstellen, ob wir da nur Rhetorik hören oder die Bundesregierung und die Unionsabgeordneten sich nun tatsächlich für besseren Datenschutz einsetzen werden.

Sie erzählte dann noch die Geschichte, dass sich die Bundesregierung in der EU-Datenschutzreform dafür einsetze, dass Internetfirmen bei Weitergabe an Drittländer Nutzer informieren müssen. Damit meinte sie die Initiative für die Wiederaufnahme des Artikel 42 in die EU-Datenschutzverordnung, der auf Druck der USA rausgeflogen war und was unsere Bundesregierung bis zu den Snowden-Enthüllungen nicht interessierte. Es ist natürlich positiv, dass die Bundesregierung jetzt mehr machen will, aber in diesem konkreten Fall reicht das alleine noch lange nicht aus, weil im Zweifelsfall auch mit Artikel 42 EU-Recht gegen US-Recht steht.

Im Endeffekt führte Merkel die Linie der Bundesregierung weiter, nichts konkretes zu sagen und sich nicht festnageln zu lassen. Beliebteste Ausrede war immer: Da müssen wir international verhandeln. Einziges Abweichen von der Linie war die Aussage von Merkel, dass „Vertrauen verloren gegangen ist“. Immerhin. Aber deswegen will sie es mit dem No-Spy-Abkommen schwarz auf weiß haben. Wobei doch Pofalla schon stolz Briefe der USA und Großbritannien der Presse präsentierte, die sicherlich nicht in Farbe bedruckt waren.

Steinbrück war besser, zumindest in der Analyse, was da gerade passiert. Was aber auch kein Problem ist, wenn Merkel von nichts wissen will. Steinbrück lobte Snowden für seine Zivilcourage und seinen zivilen Ungehorsam, wollte ihm aber auch kein Asyl gewähren, weil dieser (technisch) keins beantragt habe. Was die SPD aber konkret anders machen würde, sagte er nicht.

Der Rumfunk hat die acht Minuten praktischerweise schon zusammen geschnitten und mir Arbeit erspart.

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Überraschendes gab es nicht. Bei den Zuschauern kam Peer Steinbrück etwas besser an. Der eigentliche Gewinner war aber Stefan Raab als einer der vier Moderatoren, der sich weit besser geschlagen hat als viele vorher kommentiert haben.

Aber danke an Edward Snowden, dass acht der 90 Minuten bei einem Kanzlerduell mal über Netzpolitik geredet wurde. Auch wenn beide Kandidaten da mehr hätten draus machen können.

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10 Ergänzungen

  1. DIeses auf deutschem Boden werden die Gesetze eingehalten, ist so eine hohle Phrase. -.- Da könnten die auch sagen, „Wir atmen Luft und der Himmel ist blau“. Richtig, aber hilft uns null weiter.

    Ausländische Geheimdienste die sich in Deutschland befinden, werden doch keine Daten auf deutschem, sondern auf ihrem eigenen Boden einsammeln, damit ist Merkels Aussage einfach nur eine Nebelkerze erster Güte.

  2. Wie die Bundesergiertung sich für Datenschutz einsetzt wird gerade bei den Piraten angetestet. (https://wiki.piratenpartei.de/Prism/Schl%C3%BCsselanfrage#Eingereichte_Anfragen_bei_fragdenstaat.de)

    Die bislang eingegangenen Ergebnisse sprechen Bände.

    Eine Übersicht der gestellten Anfragen, hier https://fragdenstaat.de/suche/?q=%C3%96ffentlicher+Schl%C3%BCssel zu finden.

    Besonders geschickt macht es das Polizeipräsidium in der ehemaligen Bundeshauptstadt. Hier wird Datensparsamkeit gegenüber dem „Bürger“ geübt.
    Die Antwort: Undelivered Mail Returned to Sender
    Ansonsten verschanzt man sich hinter den Aktenbergen und gräbt sich hinter einem Vorschriftendickicht ein.

    Ein „Sorry“ auf das was BIM Fritz da mal so über Verschlüsselung gesagt hat (17. Aug. 2013) „darauf sind wir nicht eingestellt!“ kommt keiner. Das für Verschlüsselung ein Öffentlicher Schlüssel notwendig ist, hat ihnen ja auch niemand vorher gesagt. Das dies auch noch im voraus gemacht werden muß, um eine einfache Verschlüsselung für jeden Bürger überhaupt möglich zu machen, damit konnte ja letztlich niemand rechnen und nun drucksen sie mit Vorschriften rum.
    Auf die Idee den Publik-Key einfach auf die Homepage zu stellen kommt keiner.

  3. Vier Moderatoren wurden lebhafter bei dem Thema. Wäre interessant gewesen, wenn die Kandidaten nach dem Widerspruch gefragt worden wären.

    Merkel: „dt. Recht wurde nicht gebrochen“
    Steinbrück: „strafrechtlich relevante Enthüllungen“

  4. Kann das Video gerade nicht nachschauen, da ich keinen Ton habe, aber hatte Steinbrück nicht gesagt, Snowdens Ungehorsam gefiele ihm nicht?

    Ich fand es auch ziemlich schade, dass Raab oder ein anderer nicht nachgehakt haben, als Merkel von deutschem Boden spricht! Jeder kennt diese Ausrede inzwischen, trotzdem wird sie toleriert! Wenn deutsche Frauen in England von den Amis sexuell missbraucht werden würden, würde sie dann auch stolz erzählen: Ich kann ihnen versichern, auf deutschem Boden wurde niemand von den Amis missbraucht! Also ist alles gut….

  5. Ich habe nicht das ganze Duell gesehen. Ich habe aber das Video hier im Artikel gesehen. Ich bin schockiert.

    Wenn ich einmal das gesprochene Wort unserer Kanzlerin frei interpretieren darf, ist es dieser Frau völlig egal, was andere Geheimdienste mit uns machen. Im Gegenteil: Um selbst bei anderen Bonuspunkte zu sammeln pfeift diese Frau auf unser aller Grundrechte. Natürlich bleibt ihr wahrscheinlich nichts anderes übrig, als insbesondere vor Obama zu kuschen; ich unterstelle einmal, dass Obama mehr als genug Material in der Hinterhand hat, um Merkel politisch zu killen.

    Spätestens nach diesem TV Duell sollte jeder in diesem Land konsequent handeln. Diese Frau ist brandgefährlich für uns und für unser Land. Ob Steinbrück eine Alternative ist, lasse ich einmal dahingestellt

  6. Mich wundert immer, dass ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen staatlichem Abhören und Datenschutz, insbesondere weil die von Merkel erwähnte EU-Datenschutzverordnung die Erhebung und Verarbeitung durch Behörden und öffentliche Stellen gerade ausklammert. Ansonsten ist auch nach deutschem Recht (§ 4 I BDSG) der Datenschutz praktisch aufgehoben, sobald es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.