openPlanB: Open-Data-Aktivisten veröffentlichen Fahrplandaten des deutschen Fernverkehrs

Seit gestern sind die Fahrplandaten des kompletten deutschen Fernverkehrs als Download verfügbar. Leider nicht von offizieller Stelle, viele Verkehrsunternehmen haben noch Vorbehalte gegenüber komplett offenen Daten. Also haben Aktivisten die Daten einfach extrahiert – aus den offizellen Anwendungen der Unternehmen.

Drei Monate lang haben Michael Kreil und andere Open-Data-Aktivisten mit verschiedenen Verkehrsunternehmen darüber diskutiert, ihre Fahrplandaten zu veröffentlichen. So richtig erfolgreich war das nicht, die kompletten Daten gibt es noch immer nicht unter freien Lizenzen für alle Menschen nutzbar online. Also nahm Michael die Sache selbst in die Hand und veröffentlichte gestern auf dem Netzpolitischen Abend des Digitale Gesellschaft e. V. einen Datensatz als Torrent (Magnet).

Aus der Beschreibung:

Sie umfassen den kompletten deutschen Fernverkehr, Teile benachbarter Länder und in Teilen auch den deutschen Nahverkehr. Zusätzlich haben wir den Nahverkehr in Berlin und Brandenburg noch mal beigelegt.

Insgesamt umfassen die Daten etwa 300.000 Bahnhöfe mit Namen und Geokoordinaten und über 1 Mio. Züge, Busse, etc.

Das ganze Zeug veröffentlichen wir unter einer ODbL – Open Database License.

Die Daten stammen aus den Offline-Anwendungen für die Verbindungsauskunft, welche die Verkehrsunternehmen selbst zur Verfügung stellen: Deutsche Bahn, Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, Hamburger Verkehrsverbund, Kieler Verkehrsgesellschaft, Verkehrsmanagement-Gesellschaft Saar und andere. In diesen Windows-Programmen sind die Fahrplandaten zum Offline-Gebrauch enthalten. Die Aktivisten mussten nur eine Software schreiben, um die Daten aus Plan Binärdateien in das gängigere Format JSON zu konvertieren.

Die Aktivisten beklagen, dass die Unternehmen die Daten nicht selbst frei veröffentlichen:

Wir sind im Jahr 2012 angekommen – deutsche Verkehrsunternehmen aber noch nicht. Weder die Unternehmen noch die Politik haben es verstanden, welche Innovationskraft tausende freiwillige Entwickler_innen haben, um völlig neue Verkehrsapps oder Mobilitätskonzepte zu entwickeln – für Menschen, die viel reisen oder täglich pendeln, denen wegen Rollstuhl oder Gehhilfe Barrieren in den Weg gelegt werden, oder einfach mehr erwarten, als nur eine langweilige Fahrplanauskunft. Deshalb nehmen wir das jetzt in die Hand und werden alle Fahrpläne veröffentlichen – als Start für neue Innovation ohne Erlaubnis.

Mit den jetzt veröffentlichten Daten können viele neue Anwendungen geschaffen werden. Ein paar Anwendungsgebiete nannte Michael gestern in seinem Vortrag (Folien, Video-Mitschnitt):

In diesem Fenster soll der Inhalt eines Drittanbieters wiedergegeben werden. Hierbei fließen personenbezogene Daten von Dir an diesen Anbieter. Aus technischen Gründen muss zum Beispiel Deine IP-Adresse übermittelt werden. Viele Unternehmen nutzen die Möglichkeit jedoch auch, um Dein Nutzungsverhalten mithilfe von Cookies oder anderen Tracking-Technologien zu Marktforschungs- und Marketingzwecken zu analysieren.

Wir verhindern mit dem WordPress-Plugin „Embed Privacy“ einen Abfluss deiner Daten an den Drittanbieter so lange, bis Du aktiv auf diesen Hinweis klickst. Technisch gesehen wird der Inhalt erst nach dem Klick eingebunden. Der Drittanbieter betrachtet Deinen Klick möglicherweise als Einwilligung die Nutzung deiner Daten. Weitere Informationen stellt der Drittanbieter hoffentlich in der Datenschutzerklärung bereit.

Zur Datenschutzerklärung von Vimeo

Zur Datenschutzerklärung von netzpolitik.org

  • Welche Ecken von Deutschland und Berlin sind gut angebunden? Und welche Regionen haben Nachteile, weil sie besonders schlecht zu erreichen sind?
  • Wie sieht der Energieverbrauch und die CO2-Bilanz aus? Lohnt es sich, den ÖPV der Umwelt zu Liebe zu unterstützen?
  • Warum kann man sich in Google Maps eine Route für das Auto oder für den Fußweg berechnen lassen, aber nicht für den öffentlichen Personenverkehr? In Amerika, Australien und sogar in Ungarn geht das bereits seit Jahren!
  • Auskunfts-Apps funktionieren noch immer so wie die Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn. Mit freien Fahrplandaten könnten völlig neue App- und Mobilitätskonzepte entwickelt werden.
  • Rollstuhlfahrer, Blinde oder Eltern mit Kinderwagen haben Schwierigkeiten beim Umsteigen. Mit zusätzlichen Informationen könnte man wirklich nutzergerechte Umsteigemöglichkeiten berücksichtigen.
  • Besucher, wie z.B. Touristen, haben oftmals kein mobiles Internet in Deutschland. Warum gibt es für den Nahverkehr noch immer keine Offline-Apps?

Einen weiteren Anwendungsbereich lieferten die Aktivisten gleich mit: Visualisierungen! Oben im Artikel ist bereits das Das Verkehrsnetz in Deutschland, hier rechts eine Visualisierung der Bahnhöfe in Europa. Den Nahverkehr in Berlin und Brandenburg und den Fernverkehr der Deutschen Bahn gibt’s auch als Video.

Zumindest ein von Kreil kritisiertes Verkehrsunternehmen will die Kritik nicht gelten lassen. Gegenüber netzpolitik.org betonte die Sprecherin des Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), dass das Unternehmen selbst daran interessiert ist, „dass diese Daten raus kommen“. Die openPlanB-Aktion findet der VBB „nicht gelungen“, da die Daten nicht tagesaktuell sind und ein Scrapen die eigenen Server belaste. Dennoch werde man nicht gegen die Aktion vorgehen. Gegenüber netzpolitik.org kündigte der VBB vielmehr an, die eigenen Daten noch im Herbst im offenen Fahrplan-Format GTFS auf dem Daten-Portal daten.berlin.de zu veröffentlichten.

Das finden die Aktivisten gut. Michael Kreil gegenüber netzpolitik.org: „Wenn openPlanB obsolet wird, haben wir unser Ziel erreicht.“

23 Ergänzungen

  1. Und wieder so eine Datenleiche auf github. Herr Meister, wem helfen diese Meldungen? Man kann nur hoffen, dass sich niemand auf diese Daten verlässt, die einmalig irgendwo abgezogen und danach nie wieder gepflegt werden. Was glauben die diversen „Aktivisten“ eigentlich, die Sie immer wieder einen Tag nach „Habe fertig!“ hochloben? Dass nun jede ihrer angezapften Quellen mal hoppeldihopp auf die fantastischen „Möglichkeiten“ von github umsteigt? Fire, sign and forget – what a shit – naiv oder simple PR in eigener Sache!

    1. Hallo Herr oder Frau Hansen,

      Ich bin Initiator von openPlanB und würde Ihnen gerne die Idee dahinter näher erläutern. Sie können mich erreichen unter openplanb{ät}michael-kreil.de

      Grüße,
      Michael Kreil

    1. Weil ein Kursbuch, einmal gedruckt, sofort veraltet ist. 2012 gibt es Echtzeitdaten. Besser und billiger. Und leichter.

    2. Kursbücher kann man nicht per Software auswerten und nciht per Computer durchsuchen. Und man kann sie nicht so einfach aktualisieren.

      DA sind mir elektronische Fahrpläne lieber.

    1. Nein, Daten sind generell nicht urheberrechtlich geschützt!
      Das war einer der Gründe warum bei Openstreetmap die Lizenz geändert wurde.

      Was hier greift ist das EU Datenbankrecht., über das Datensammlungen geschützt sind. Selbstverständlich ist die Aktion ein Verstoß gegen selbiges.

      1. Na, na. Datenbanken sind im deutschen Urhebergesetz besonders geschützt, §87a ff. UrhG:
        http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/BJNR012730965.html#BJNR012730965BJNG004301377

        Wir sollten aber darauf dringen, wer mit öffentlichen Geldern Personenverkehr bereitstellt, muss die Daten nach §5 Absatz 1 als „Amtliches Werk“ ohne Urheberrechtsschutz veröffentlichen. Das ist in USA seit Jahrhunderten die Sitte. Nur bei uns wird von den Verwaltungen gemauert. Dabei brauchen wir nicht mal das Urheberrecht zu ändern, sondern nur streng anwenden.

      2. Die sind öffentlich, kann man überall sehen, lesen, abschreiben.

        Abgesehen davon: Alles über Steuermittel finanziert.

  2. Das ist sehr cool!

    Und es ist sooooo peinlich, dass man das (halb legal) reenginieren muss. Aber es zeigt sehr schön, wo die deutschen Behörden (was anderes ist die Bahn und der ÖPNV ja nicht) im Jahr 2012 bezgl. IT und OpenData stehen.

    (Auch aus Marketingsicht müsste die Bahn/ÖPNV doch ein hohes Interesse haben, den potenziellen Kunden, die vor Google Maps sitzen, die Info, wie lange man mit dem ICE nach Frankfurt braucht, aufs Auge zu drücken. Wieso pennen die alle so?)

  3. Vielleicht hilft es ja. Aber die VBB-Mitarbeiterin weist zu recht darauf hin, dass die hier vorgestellten Daten nicht aktuell sind.

    Bei der Bahn-App z.B. ist das Routing interessant. Wann komme ich von a nach b, gibt es Verspätung. Bei der Bahn kann man auch eine Verspätungswarnmail bekommen, wenn Anschlüsse aktuell platzen. Zudem bekommt man an komplizierten Bahnhöfen (wie vorgestern S-Bahnhof Jungfernheide auf dem Weg zum Flughafen Tegel) auf Wunsche eine Karte für den Fußweg S-Bahn zum X-Bus eingeblendet.

    Beim VBB (zumindest bei der BVB in Berlin) kann man an den Haltestellen mit einem QR-Reader nicht nur den aktuellen Fahrplan sehen sondern auch, wie lange der nächste Bus tatsächlich noch braucht, weil die Busse überwacht werden.

    Das ist für den Reisenden von wesentlich höherem Nutzen als unaktuelle Fahrpläne.

    Es gab da auch Anregungen, auf Karten den aktuellen Standort der Fahrzeuge (wie bei der S-Bahn in München oder Flughafen JFK in New York mit Flugzeugen in der Luft) machen zu wollen. Für Märklin-Fans ist das genial, für Reisende eher schwierig :-)

    Bei Google-Maps haben wir für den Straßenverkehr gesehen, dass die mit aktuellen Stauinformationen über ihre Anroid-Handys wesentlich schneller (und kostenlos) auf dem Markt waren, als jeder andere Akteur. In England haben die auch den ÖPNV drin mit jeder Bushaltstelle auf dem Lande.

    Ich würde mich daher freuen, wenn Open Data Akteure wesentlich mehr mit Closed Shop Akteuren zusammenarbeiten würden, um den Nutzen für uns alle zu maximieren. Den Ansatz „Ich mal mal was, dann können ja andere damit was anderes machen“ halte ich für so kurz gesprungen wie diesen unsäglichen Wettbewerb des BMI, Apps von der Zivilgesellschaft erstellen zu lassen, ohne die mit öffentlichem Geld bezahlten Datengräber zu öffnen und den Aufwand dann mit Preisgeld von max. 20 T€ zu deckeln und verhöhnen, für die niemand was Nachhaltiges bauen kann und aktiv die Aktivitäten verödet werden wie die MOGDY in München.

    Und ich kann mir da durchaus Google vorstellen, ohne von denen bezahlt zu werden. Ich find einfach geil was die machen, siehe auch:
    http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2011/08/14/die-welt-mit-google-earth-erforschen/

    1. VBB bietet – auch schon für andere Apps [fahrinfo Berlin] – eine Schnittstelle an, sodass man jederzeit die Daten haben kann. Man muss das nur eben vereinbaren. Ist ja eine öffentliche GmbH.

  4. „Drei Monate lang haben Michael Kreil und andere Open-Data-Aktivisten mit verschiedenen Verkehrsunternehmen darüber diskutiert, ihre Fahrplandaten zu veröffentlichen. So richtig erfolgreich war das nicht.“
    Hier ist zu ergänzen, dass wir nach wie vor in Gesprächen mit dem vbb sind. Dass die Veröffentlichung der Daten nicht von heute auf morgen passieren wird, war allen klar, nichtsdestotrotz muss erwähnt werden, dass der vbb bis dato sehr aufgeschlossen und kooperativ war. Ende November soll es beispielsweise einen Entwicklertag in Berlin geben. OpenPlanB erhöht natürlich den Druck auf die Unternehmen die Daten herauszugeben (was gut ist) trotzdem, halte ich es für wichtig weiterhin in Gesprächen mit den Verkehrsunternehmen zu bleiben und gemeinsam den „Optimalzustand“ umzusetzen.
    (Wie gesagt ich kann nur von Erfahrungen mit dem vbb berichten auf Seiten der Deutschen Bahn waren die Entwicklungen meines Wissens nach weniger kooperativ – man sollte hierbei jedoch differenzieren und nicht alle Unternehmen in denselben Topf werfen.)

  5. Wow. Jetzt noch die HVV-Daten bei Mapnificient.net einbauen, und ein Wunsch sehr weit oben auf meiner persönlichen OpenData-Wunschliste geht in Erfüllung.

    Danke an alle Beteiligten!

  6. Pff, da war ein I zuviel. mapnificent.net meine ich – und ist mein Lieblingstool zum potentielle Wohnungs-Bereiche finden.

  7. Ich kapier das nicht. Wieso wollen die Verkehrsunternehmen diese Daten nicht in Rohform publik haben?

    Z. B. könnte man dann in öffentlichen Gebäuden Displays installieren, die die Busabfahrtszeiten auf der nächstgelegenen Haltestelle anzeigen, inklusive Verspätungen. Oder man könnte Anwendungen basteln, die mit einem Mausklick einem den nächsten Bus irgendwohin zeigen.

    Wer genau zwischen mehreren Haltestellen wohnt, die im WEchsel von mehreren Linien bedient werden und an einer Uni studiert, die die gleiche Situation hat, der weiß sowas zu schätzen. Ich jedenfalls muss zur Zeit immernoch das Handy zücken und die WEbsite von meinem Verkehrsverbund konsultieren, um zu wissen, zu welcher Hst ich denn nun gehen soll.

    Ach ja, wie wäre das denn, eine offene weltweite Fahrplandatenbank anzulegen, wo sämtlicher Schienen-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehr drinsteht? Dann könnte man sich über die ÖPNV- und ÖPFV-Angebote am andern Ende der Welt informieren, ohne erstmal nach dem Verbund oder dem Anbieter zu suchen. In Deutschland tut zwar die DBAG eine vollständige ÖPNV-FAhrplanauskunft anbieten, die auch den ausländischen Fernverkehr in Europa kennt. Man kann sich sogar Verbindungen von Lauf nach Peking (!) ausgeben lassen. Aber innerhalb von China weiß die DBAG dann ncihts mehr und auch die Stadtbusse in Florenz (die man braucht, um von einem Bf zum andern zu kommen) kennt die DBAG genausowenig wie viele Schiffsverbindungen.

    Insofern wäre ein weltweites komplettes, offenes und freies ÖPNV/ÖPFV-Portal mal ne tolle SAche, zumal bei den bisherigen Angeboten man manchmal weniger INfos kriegt, als man gerne hätte. Der VGN z.B. tut manchmal den SEV bei der S-Bahn nicht eintragen – Verspätungen bei Terminen sind vorprogrammiert, wenn man sich darauf verlässt, dass die für einen konkreten Tag ausgegebenen Verbindungen an diesem Tag dann auch funktionieren.

  8. Hut ab vor dieser Initiative!

    Gerade die Deutsche Bahn hält Tonnen von Daten, deren Entstehung maßgeblich mit öffentlichen Geldern finanziert nicht nachvollziehbaren Schutzbedürfnissen unter Verschluss. Nicht nur bei Fahrplan- und Verspätungsdaten des öffentlichen Personennahverkehrs – über den formal eigenwirtschaftlichen Fernverkehr mag man diskutieren –, sondern auch bei Infrastrukturdaten ist noch ein langer Weg zu gehen. Wie schnell dürften und dürfen Züge wo fahren? Wo genau liegen überhaupt Gleise? Und was ist bei so manchem Großprojekt konkret geplant? – Viele zehntausend bei dem Unternehmen längst digital vorliegende Dokumente könnten diese Fragen beantworten und weitere Entwicklungen anstoßen.

    Gerade die Deutsche Bahn nutzt gerne die Früchte kollaborativer öffentlicher Arbeit. Zahllose Server des Unternehmens laufen selbstverständlich auf Linux und die neue interne Infrastruktur-Datenbank verwendet dankbar Openstreetmap als Hintergrund – an die Gemeinschaft gibt das zu weiten Teilen aus Steuermitteln finanzierte Unternehmen jedoch offenbar nichts zurück.

    Projekt wie openPlanB oder der Zugmonitor helfen, den schwerfälligen Koloss Deutsche Bahn AG in Tippenschritten über die Ziellinie zu tragen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.