Interview mit Leutheusser-Schnarrenberger zu ACTA und Urheberrecht

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wurde ausführlich vom Print-Spiegel zum Urheberrecht, ACTA und Anonymität im Netz interviewt. Zu ACTA scheint sie die Kritik nicht wirklich aufgenommen zu haben, sondern sie hat lediglich auf die Proteste reagiert:

„ACTA hat gezeigt, dass manche Dinge öffentlich anders verstanden werden, als sie ausgehandelt worden sind. Wenn wir sehen, wie viele Leute es in ganz Europa gibt, die ACTA nicht wollen, dann ist es richtig, diese Proteste aufzunehmen und zu sagen: Wir betreiben das vorerst nicht weiter.“

Im Gegensatz zur offiziellen Linie der liberalen Fraktion im Europaparlament möchte sie, dass erstmal der Europäische Gerichtshof entscheiden soll, bevor das Europaparlament darüber eine Entscheidung trifft, die in drei Wochen ansteht.

„Die Debatte in Europa zeigt uns, dass die Regierungen und das Europäische Parlament gar nicht wissen, wie sie vorgehen sollen. Der Europäische Gerichtshof ist eingeschaltet und muss entscheiden. Es ist völlig unklar, ob or einem Gerichtstermin überhaupt etwas passiert“.

Also völlig klar ist, dass das Europaparlament am 2. oder 3. Juli über ACTA abstimmen wird. Unklar ist momentan, ob es die Verzögerer schaffen, durch Ändeurngsanträge vor der eigentlichen Abstimmung eine Verschiebung in die Verlängerung zu erreichen, wie es die Konservativen, teilweise unter Mitwirkung liberaler Abgeordneter in den vorausgegangenen Abstimmungen in vier Ausschüssen im Europaparlament versucht, aber dort jeweils keine Mehrheit gefunden haben. Dieses Mannöver ist zu erwarten und wir werden genau hinschauen, wer sich daran beteiligt.

Aber die Proteste findet sie grundsätzlich erstmal gut, „weil es die Bürgerrechte stärkt“. Für eine erneute ACTA-Auflage hat sie einen Vorschlag, der bereits des öfteren von Liberaler Seite geäußert wurde:

„Besser wäre es gewesen, von vorneherein Marken und Patente von der Frage der Urheberrechte zu trennen. Wenn wir das Urheberrecht bei ACTA ausklammern, hätten wir wenigstens einen Bereich, in de wir uns einigen können.“

Es gibt immer noch einige weitere Argumente gegen ACTA, wenn man Urheberrechte und das Netz ausklammert. Die Fragen rund um die Beschlagnahme von Generika und Saatgut und die Umgehung von transparenteren und offeneren Strukturen auf internationaler Ebene z.B. im Rahmen der WIPO bleiben ja weiterhin bestehen, aber dafür interessieren sich leider nur wenige.

Das Bundeskabinett hat wohl letzte Woche die unsägliche Idee einer 2-Strikes-Regelung abgelehnt, hier konnte sich offensichtlich Leutheusser-Schnarrenberger z.B. gegen Wirtschaftsminister Rössler durchsetzen. Allerdings irritiert mich die Formulierung „Wir wollen zum Beispiel die Möglichkeiten erleichtern, an die Mailadressen von illegalen Downloadern zu kommen, um ihre Ansprüche geltend zu machen“. Klingt nach Warnmodell-light oder sollen jetzt die Abmahnungen per Mail verschickt werden, um die Kosten für das Porto zu sparen? Hier bin ich mal auf eine Ausgestaltung gespannt, was konkret gemeint ist. Aber einen Referentenentwurf für einen dritten Korb der Urheberrechtsreform will sie nach der Sommerpause vorlegen. Das war ja diese Woche für noch „vor der Sommerpause“ angekündigt. Dieser wird voraussichtlich auch ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger beinhalten.

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13 Ergänzungen

  1. FDP Bayern lehnte Leistungsschutzrecht ab….was hat das für eine Wertigkeit Frau leutheusser-schnarrenberger?

    sind abmahnungen per email nicht ungültig? keine verifikation etc. sonst würde doch jede spam-mail legitimiert werden?

    lobbyarbeit bringt das leistungsschutzrecht voran, aber eine „ordentliche“ urhg reform nicht….ein schande.

    rössler ist auch schon von der macht als wirtschaftsminister korrumpiert, siehe seine geplante ausnahmeregelung von bis zu ~5000 Unternehmen für die EEG-Umlage etc.

    hat diese Koalition sonst noch was geplant bzgl. Netzpolitk ?

  2. Sie hat wohl Mailadressen mit den IP Adressen Verwechselt ?
    Nur dafür bräuchte sie wohl auch die VDS, diese Frau spricht in Rätseln.
    Zumal aber erste Stimmen aus der Urheberrechts Lobby laut werden das man dies mittels IPv6 nicht mehr unbedingt Benötigt , wenn man damit eine persönliche feste IP als Fingerabdruck im Netz nutzen könnte.
    Das Leistungsschutzrecht ist wohl der größte Blödsinn dieser Regierung , dieses wird sicher nicht Google oder Bing treffen sondern kleine Blogger und Start UPs und statte Gewinne für die Abmahner bringen. Da wird nur noch helfen seine Webseiten außerhalb der EU zu Hosten.

  3. „ACTA hat gezeigt, dass manche Dinge öffentlich anders verstanden werden, als sie ausgehandelt worden sind.“

    Typisches Politsprech für: „Die Sache ist notwendig und gut, muß nur besser ‚kommuniziert‘ werden.“ Oder: „Den Pöbel von der Straße holen, bißchen Honig ums Maul schmieren, den ein oder anderen Tweet ablassen – und ab die Post.“ Die nächste Großveranstaltung kommt bestimmt.

  4. “Besser wäre es gewesen, von vorneherein Marken und Patente von der Frage der Urheberrechte zu trennen. Wenn wir das Urheberrecht bei ACTA ausklammern, hätten wir wenigstens einen Bereich, in dem wir uns einigen können.”

    Der Fehler liegt im System: Je mehr wir zulassen, dass ein ganzes Set unterschiedlicher Rechte als „Geistiges Eigentum“ verstanden wird und tituliert werden darf, desto lauter werden dir Rufe nach einer allesumfassenden Regulierung. Wir sollten dafür sorgen, dass jedes dieser Rechte einzeln verhandelt wird.
    Mehr Hintergrund dazu: http://www.gnu.org/philosophy/not-ipr.html

  5. Also diese Leutheusser-Schnarrenberger zeigt doch schon wie wenig sie von der Materie überhaupt versteht in dem sie die Emailadressen von illegalen Downloadern will. Ich frage mich ja ernsthaft was die Gute damit dann anfangen will? Eine Mahnung per E-Mail versenden? Ja gut, das spart den geldgeilen Abmahnern zwar zusätzlich etwas Porto, rechtsgültig sind diese netten Textchen per Mail aber trotzdem nicht. Ich vermute einfach mal sie hat hier die IP-Adresse gemeint. Wer IP- und E-Mail-Adresse allerdings nicht voneinander unterscheiden kann, der sollte sich meiner Meinung nach aus Diskussionen rund um das Internet sehr zurück halten.

    1. Zutrauen würde ich den großen Partein sogar , das sie eine „De-Mail“ Adresse bei den Zugangsprovidern für ihre Nutzer zur Pflicht machen wollen als zusätzliche Einnahnequelle für diese im Gegenzug zur Einwilligung bei Überwachung, VDS, 2-Strikes-Regelung und um darauf gleich „rechtsverbindliche“ Abmahnungen zustellen zu können?
      Wie ja auch am Wochende bekannt wurde das sie schon neue „E-Perso“ mit mit DNA-Sensor testen.
      Gegen viele dieser Plannungen wirkt ACTA ja schon fast wieder Harmlos….

    2. Abmahnungen per eMail sind unüblich, aber durchaus schon heute rechtskräftig! Abmahnungen sind ja nur das „Angebot“ des Geschädigten sich außer gerichtlich zu einigen. Unüblich sind sie nur deshalb, weil die Anwälte ja wollen, dass die Leute direkt zahlen und daher ein eigenes Interesse daran haben, dass die Mahnung auch ankommt.

      http://www.123recht.net/Abmahnungen-per-Email-sind-zulaessig-und-koennen-auch-bei-Eingang-im-SPAM-Ordner-als-zugegangen-gelten-__a60770.html
      Soweit ich weis, wurde das Urteil bis heute nicht aufgehoben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.