JMStV: Meinungsschnippsel aus NRW

Sticky: Wer meine Notiztabelle zum JMStV ergänzen kann oder Korrekturen hat: Bitte in die Kommentare. Mail geht natürlich auch. Danke!

Ok, wir wissen, dass die Grünen sich inzwischen in weiten Teilen gegen den JMStV positioniert haben. Die Landesarbeitsgemeinschaft Medien hat sich mehrfach gegen den Staatsvertrag ausgesprochen, ebenso wie unlängst der Landesparteitag. Was mir persönlich noch fehlt, ist eine explizite Empfehlung der mit dem JMStV betrauten Ausschussmitglieder an die Fraktion bzw. ein Fraktionsbeschluss. Oder habe ich die übersehen?

Und die anderen? Spätestens seit Montag wissen wir, dass auch Die Linke den Staatsvertrag ablehnt. Auf einem informellen Treffen mit Vertretern des AK Zensur in Düsseldorf erklärte der netzpolitische Sprecher Ralf Michalowsky, dass Die Linke nicht nur in NRW, sondern in ganz Deutschland gegen den JMStV sei. Prima!

Ausser natürlich, man beachtet das Mühlbauersche-Abstimmungtheorem (gestern, bei Telepolis):

Die NRW-SPD könnte dem Vorhaben, mit dem sich kaum ein Politiker wirklich auskennt, möglicherweise sogar allein deshalb zustimmen, um ein zur Abwehr von Vorwürfen wertvolles Belegbeispiel dafür zu erzeugen, dass sie nicht nur mit der Linkspartei, sondern auch mit der CDU Mehrheiten zustande bekommt.

Sitzverteilung 15. Wahlperiode NRWÜbrigens ein Scherz („Man müsste eigentlich nur die NRW-Linke dazu bringen, sich für den JMStV auszusprechen, dann können die anderen nicht mehr“), mit dem ich mich in den letzten Woche schon bei Vertretern aller Parteien unbeliebt gemacht habe.

In den Reihen der SPD sind inzwischen einige Abweichler bekannt, die gegen den Vertrag stimmen wollen. Wenn sie dürfen. So wirklich klar ist das nämlich nicht. Es gibt zwei prinzipiell Möglichkeiten:

a) (Vor-)Abstimmung in einer Fraktionssitzung, anschließend wird der Beschluss geschlossen im Plenum vertreten. Oder, in Zahlen: Wenn sich die Genossen auf eine geschlossene Abstimmung einigen und 34 der 67 Abgeordneten in der Fraktionsitzung gegen den JMStV stimmen, sind die Mitglieder der Fraktion gehalten, dem Staatsvertrag auch bei der Abstimmung Mitte Dezember im Plenum die Zustimmung zu verweigern. Das wäre aus netzpolitischer Sicht das Wunschergebnis.

b) Einigt man sich in der Fraktion nicht auf eine geschlossene Position und gibt die Abstimmung frei, müssten wohl mindestens 42 der 67 SPD-Abgeordneten gegen den Staatsvertrag votieren – Ausgehend davon, dass sich Grüne, FDP und Linke komplett raushalten (Für eine Mehrheit sind 91 der ingesamt 181 Stimmen erforderlich) und die CDU (wo es inzwischen auch Gegenstimmen geben soll) zustimmt, was doch eher unwahrscheinlich ist.

Da 34 eindeutig weniger als 42 sind, dürfte die Entscheidung, ob der JMStV in Nordrhein-Westfalen kippt, also in einer der nächsten Fraktionssitzungen der NRW-SPD fallen.

Reden wir trotzdem kurz über die FDP. Auch da gibt es ganz frisch ein Statement. Und zwar vom Parlamentarischen Geschäftsführer der der FDP-Landtagsfraktion Ralf Witzel. Dieser erklärte so eben per PDF, dass „eine Zustimmung zum Staatsvertrag ohne erkennbare Nachbesserungen für die FDP problematisch“ sei.

MedienINFO 167 – Donnerstag, 25. November 2010
Witzel: Jugendmedienstaatsvertrag muss nachgebessert werden

Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag enthält nach Ansicht des Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Landtagsfraktion, Ralf Witzel, medienpolitisch verfehlte und medienpädagogisch veraltete Regelungen. „Ohne erkennbare Nachbesserungen ist eine Zustimmung zum Staatsvertrag für die FDP problematisch“, erklärt Ralf Witzel. Der Jugendmedienstaatsvertrag baue hohe Hürden insbesondere für private Webseiten und kleinere Anbieter auf. „Der praktische Nutzen für den Jugendschutz ist dabei minimal“, betont Witzel. Der Versuch von SPD und Grünen, drohende, nicht erfüllbare Kontrollpflichten, unkalkulierbare Haftungsrisiken und zensierende Elemente schönzureden, sei gescheitert. „Der Jugendmedienschutz nimmt groteske Züge an, wenn man problemlos im Netz auf Pornografie zugreifen kann, Erwachsene aber vor 20 Uhr nicht mehr in Mediatheken auf eine Folge eines Krimis“, betont Witzel. Trotz der weitreichenden Kritik bei der Expertenanhörung wolle Rot-Grün anscheinend wider jede Vernunft mit dem Kopf durch die Wand, erklärt der Medienexperte. Dabei handle die Landesregierung gegen die eigene Basis, die eine Ablehnung des Staatsvertrags fordert.

Gewiss, gewiss, da steckt mehr Theaterdonner in der Formulierung als ein klares Bekenntnis gegen den Staatsvertrag. Und nachbessern kann man schließlich auch im Zuge der Evaluation. Womit wir bei der eigentliche Frage des Tages wären: Gibt es schon ein Ergebnis der Ausschusssitzung von heute Vormittag?

PS: In Hessen wurde der JMStV bereits in der letzten Woche ratifiziert. Der Hauptausschuss hatte dem Plenum mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, empfohlen, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen. Bei Zustimmung von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke ist dieser Gesetzentwurf so beschlossen worden. Sorry für den Fehler in meiner Tabelle, ist korrigiert.

16 Ergänzungen

  1. Die SPD wird im Zweifel würfeln (wer dagegen stimmen „darf“). Macht sie laut Christian Simmert (in seinem Buch „Die Lobby regiert das Land“) sogar bei Kriegseinsätzen (erinnere mich nicht, ob Simmert Kosovo oder Afghanistan nannte). Und wo, wenn nicht bei Kriegseinsätzen, kann man denn schon mit „Gewissensfreiheit“ kommen.

    Ich wünsche euch aber, wie gesagt, Glück und gutes Gelingen. Ich glaube nur nicht dran.

  2. Oh mann, wie mich dieses ganze „Parteiengeklüngel“ ankotzt. Wenn die Linke dagegen ist, muss es richtig sein und die SPD muss jeden Bullshit durchwinken, damit man noch mit der CDU anbändeln kann. Ist doch zum Heulen.

    Eigentlich müsste man Gysi wirklich drauf ansetzen in jeder Talkshow das Falsche zu fordern, damit uns ein paar Katastrophen erspart bleiben.

  3. Die Konstellation, in der im Parlament eine Regierungsfraktion einem Gesetz zustimmt und die andere es ablehnt, sieht der nordrhein-westfälische Koalitionsvertrag so nicht vor, S. 89.

    Die Koalitionsparteien stimmen darin überein, dass sie im Landtag und in seinen Ausschüssen nicht mit wechselnden Mehrheiten abstimmen werden. Davon ausgenommen sind alle Angelegenheiten, die das Abgeordnetenrecht betreffen. Die Gewissensentscheidung der bzw. des einzelnen Abgeordneten bleibt davon unberührt.

  4. Gibt es eine zitierfähige Quelle zu der Aussage, DIE LINKE sei bundesweit gegen den JMStV?

    Würde mich freuen, weil die Landtagsfraktionen zum Teil gerade aus Unwissenheit heraus den guten programmatischen Aufschlag von Ramelow, Scheele, Sitte und co konterkarrieren. \Its the internet, stupid\ heißt das Werk und findet sich bei Google.

  5. Olaf.. Wäre es möglich in die Tabelle zu übernehmen wer dafür und wer dagegen gestimmt hat? Schliesslich hat ja nicht in jedem Bundesland nur die Regierung zugestimmen.

  6. KinNeko: Möglich wäre das. Allerdings habe ich da kaum Zahlen. Nur von drei oder vier Ländern, wo ich explizit darauf geachtet habe. Die Landtagsinformationssysteme sind da mitunter auch etwas sperrig ,(

  7. Genau deswegen interessiert mich das ja auch :) Ich habe selbst irgendwie den Überblick verloren.

    Ich wollte diese Tage mal nachschauen, welche Länder im Bundesrat gegen und für eine Entscheidung (glaube es war die Bafög Erhöhung) gestimmt haben. Auf den Seiten habe ich nichts gefunden, also habe ich ne Email geschrieben. Zurück kam

    Wie die einzelnen Länder abstimmen, wird grundsätzlich nicht festgehalten. Abgestimmt wird durch Handaufheben. Es wird nur abgezählt, ob die jeweils notwendige Stimmenmehrheit erreicht ist.

    Soviel zur Transparenz :)

  8. Was so aus Berlin gemunkelt wird, ist das Thema auch hier bei den einflussreichen Parteien durch. Was die Basis dazu meint, interessiert eher weniger, Netzpolitik läuft bei den meisten ohnehin nach wie vor unter „Gedöns“.

  9. @Felix
    § 43 der Geschäftsordnung der NRW-Landtages:

    (1) Namentliche Abstimmung kann bis zur Eröffnung der Abstimmung beantragt werden. Sie findet statt, wenn eine Fraktion oder ein Viertel der anwesenden Mitglieder des Landtags es verlangt.

    Also in diesem Fall wahrscheinlich nicht.

    @Oliver
    Was hat das mit Parteienklüngel zu tun? Manche (Fraktionen) sind dafür, manche sind dagegen, manche sind noch unentschlossen und befinden sich gerade im Entscheidungsfindungsprozess. Wo siehst du da Klüngelei?

    Dass die SPD tatsächlich aus Prinzip gegen die Linkspartei stimmt, sehe ich nicht. Die waren halt einfach in vielen Ländern an der Verhandlung um den Vertrag beteiligt und Kehrtwenden sind politisch nie leicht zu „rechtfertigen“.

  10. Vielleicht meint er die Vorabstimmung und dann die geschlossene Abstimmung. Ich finde das ist der Klüngel. Eigentlich sollte jeder Abgeordnete sich selbst ein Bild machen und selbst entscheiden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.