Alvar Freude beschäftigt sich nebenan im Odem.Blog noch einmal mit der Netzpolitik der Union und den Vorstößen des CSU-Innenpolitikers Hans-Peter Uhl. Er stützt sich dabei auf einen Artikel im aktuellen Spiegel (14/2010), in dem es um Richtungskämpfe im konservativen Lager geht. Alvar sieht zwei mögliche Intentionen bei Uhl:
- Er will Sperrsysteme etablieren, um sie auch bei anderen Inhalten einzusetzen.
- Es geht um die politische Positionierung. Wenn alle anderen Parteien dagegen sind, dann muss wenigstens einer noch dafür sein.
Nach eigenen Angaben geht es Uhl nicht um die Etablierung allgemeiner Sperren. Das ist soweit freilich eine Haltung, die sich mit Blick auf die EU-Ebene durchaus glaubhaft kommunizieren lässt. Fakt ist, ganz gleich, auf Basis welcher Gesetze oder Direktiven die Sperren letztendlich eingerichtet werden: Steht die technische Infrastruktur erst einmal, ist sie flexibel einsetzbar. Da muss sich bis auf Weiteres kein deutscher Politiker die Finger schmutzig machen. Scheuklappen reichen völlig.
Uhls Einwand, der administrative Aufwand stünde bei anderen Inhalten in keinem Verhältnis zur Wirksamkeit, ist in diesem Zusammenhang ohnehin eine schlecht zündende Nebelkerze. Der Aufwand, eine zentral geführte Sperrliste um Angebote zu erweitern, für die (z.B. im Zuge des einstweiligen Rechtsschutzes) „Sperrverfügungen“ ergangen sind, ist auf administrativer Ebene lächerlich gering. Im Gegensatz zu Websperren im Bereich kinderpornographischer Angebote, die nicht nur kaum wirksam sind, sondern aktiven Täterschutz bedeuten, können Websperren in anderen Bereichen durchaus Wirkung entfalten (Vgl. die Diskussion um modulare Sperren im Zusammenhang mit dem JMStV).
Aber gut. Nehmen wir an, es ginge zunächst tatsächlich nicht um die Etablierung allgemeiner Netzsperren, sondern um einen Richtungskampf innerhalb der Union. Auf der einen Seite – laut Spiegel – die Kanzlerin und Thomas de Maizière als neuer Innenminister mit einem dezentem Kurswechsel zurück Richtung rechtsstaatlicher Vernunft, auf der anderen Seiten die „Traditionalisten“, die zurück in die Vergangenheit möchten.
In diesem Sinne wäre Vorstoß des CSU-Hardliners Uhl nichts anderes als strammkonservative Klientelpolitik (Siehe auch: „Senioren finden Zensur gut“). Und zwar mit Netzsperren als Verhandlungsmasse für innerparteiliche Machtkämpfe. Man muss sich das als Wähler wohl wie das bekannte Spiel „good cop, bad cop“ in US-Spielfilmen vorstellen.
Sei’s drum. Ebenso wie wir hier bei Netzpolitik.org ist Alvar der Meinung, dass die Debatte nun vor allem auf EU-Ebene zu führen ist:
In Deutschland ist jetzt wohl eher Abwarten angesagt. Dafür müssen wir auf EU-Ebene die gleiche Diskussion führen, die wir in den vergangenen 16 Monaten in Deutschland geführt haben. Und auch da werden wir uns mit zwei verschiedenen Standpunkten auseinander setzen müssen: Zum einen mit den Leuten, die tatsächlich glauben, mit Internet-Sperren irgendwas im Kampf gegen Kindesmissbrauch erreichen zu können. Das hört sich auf den ersten Blick doch auch so gut an. Zum anderen mit denjenigen, die sich vor allem aus politischen Gründen für Sperren aussprechen. Die das Thema nutzen wollen, um sich damit von anderen abzusetzen. Das wird viel schwieriger, denn wenn es s´nicht um die Sache geht, kann man auch niemanden mit Sachargumenten überzeugen.
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