DWGMF: Bürgerjournalismus und Meinungsfreiheit

Auf dem Deutsche Welle Global Media Forum gab es heute eine Diskussion über „Citizen Journalism and freedom of expression“.

Gabriel Gonzales, der Projektleiter von Best of the Blogs der Deutschen Welle, führte in den Begriff des Citizen Journalism (Bürgerjournalismus) ein. Man könne unter drei verschiedene Formen differenzen:

1.Spontane Aktionen von gewöhnlichen Menschen in aussergewöhnlichen Ereignissen wie dem Tsunami in Asien, den Bombenanschlägen in Mumbai oder dem Attentat in Winnenden. Menschen würden von vor Ort über digitale Technologien Augenzeugenberichte über Twitter, Blogs, Videos, Fotos und sonstigen sozialen Medien senden.

2.Bürgermedienprojekte stellen die zweite Form da. In Projekten werden Menschen in der Nutzung digitaler Medien trainiert. Mit diesem Wissen und der Verwendung dieser Technologien werden sie befähigt, ihre eigene Welt zu beschreiben und über Sachen zu berichten, die ihnen am Herzen liegen. Als ein Beispiel brachte er vocesbolivianas.org. Bolivianer können auf der Plattform Geschichten über ihr Leben auf verschiedene Arten wie Blogs, Fotos und Videos erzählen. In einer Kooperation mit Global Voices Online werden interessante Berichte der Weltöffentlichkeit zur Verfügung gestellt und bieten einen Einblick in das Leben in Bolivien. Ein anderes Projekt ist voicesofafrica.org, wo mittels mobiler Technolgien über lokale Aktivitäten in Afrika berichtet wird.

3.Die dritte Form von Citizen Journalism ist der digitale Aktivismus. Durch die Nutzung von sozialen Medien können Grassroots-Aktivitäten für soziale und politische Kampagnen koordiniert werden. Ein Beispiel ist der ägyptische Blogger Wael Abbas, der als politischer Aktivist und Journalist über Polizeiübergriffe und Übergriffe auf Frauen berichtet. Nachdem er über Folteraktivitäten in Ägypten berichtet hatte, erwirkte die ägyptische Regierung mit viel Druck die Löschung seines Youtube-Accounts. Den gibts jetzt aber wieder aufgrund globalem Druck. In Kolumbien fand die „1 Millionen Stimmen gegen die FARC“ statt, wo Menschen sich vor allem über Facebook vernetzten und Massendemonstrationen vorbreiteten und koordinierten. In China berichteten Blogger und Bürgerjournalisten über Erdbeben, die Opfer und die Folgen für die Bevölkerung. Live SMS-Updates (Vorläufer von Twitter) werden in Pakistan genutzt, um für Demonstrationen zu koordinieren, dafür zu mobilisieren und von dort zu berichten. Und dann gibt’s die Zensursula-Debatte in Deutschland.

Als Ausblick auf die Entwicklungen brachte Gabriel Gonzales verschiedene Thesen

1.Das Internet schaffe Raum für neue Möglichkeiten von politischem Aktivismus
2.Bürgerjournalisten haben eine zentrale Rolle in der Zukunft, da sie Informationen aus erster Hand liefern können.
3.Tradionelle Medien beginnen erst, die Potentiale zu entdecken.
4.Citizen Journalismus ist ein globales Phänomen.

Zum Abschluß brachte er ein Zitat von Tom Glocer, dem CEO von Reuters: „In short the internet has made us all publisher, it is our Gutenberg moment.“

Als erste Panel-Teilnehmerin stellte Nancy Waltzman von der Sunlight Foundation „Party Time“ vor. Das Blog schafft Transparenz über die vielen Lobby-Parties, die in den USA (Und auch hier bei uns) für Politiker veranstaltet werden. Lobby-Parties seien ein offenes Geheimnis. Niemand spreche da wirklich drüber, dass sie stattfinden, wer dahin geht und welche Interesse dahinterstehen. Mit dem Blog gibt es die Möglichkeit, Termine zu melden und damit wird Transparenz geschaffen. Sie bekommen ihre Infos von anonymen Ressourcen wie auch vertrauenswürdigen Kontakten. Es gab schon Fälle, wo man herausfinden konnte, warum einzelne Politiker nicht bei wichtigen Ereignissen wie Sitzungen waren, weil sie parallel Fundraising-Parties besuchten. Ich hab mit Nacy Waltzman auch noch ein Interview gemacht, was ich demnächst mal veröffentliche.

Im Gegensatz zu den anderen Panel-Teilnehmern habe man keine Probleme mit der Regierung, weil man in den USA sitze. Aber manche Politiker mögen es nicht, dass soviel über ihren Alltag transparent wird. Sie rufen auch Menschen auf, die Parties zu hacken oder wenn sie da sind, Informationen einzusenden, wer denn vor Ort ist. Das kann man mit Fotos oder Blogberichten machen. Man könne nicht immer garantieren, dass die teilweise anonym eingesandten Informationen richtig sind. Aber man vertraue da auf den Gegencheck der Leser, die vor Ort auch mal schauen können, ob eine Veranstaltung auch tatsächlich stattfindet.

Israel Yoroba Guebo kommt aus der Elfenbeinküste und schreibt das Blog „le blog de yoro“. In der Elfenbeinküste gibt es kaum Medien und wenn, dann sind die sehr staatsnah. Oppositionsparteien und -politiker haben kaum eine Chance, in den Medien zu Wort zu kommen. Blogs bieten hier eine Möglichkeit, neue Öffentlichkeiten zu schaffen. Er hat sein Blog gestartet, weil er als Journalist arbeitete, aber oftmals über Sachen nicht berichten durfte, die nicht regierungsfreundlich waren. In der Elfenbeinküste gibt es wenig Bandbreite und Internet ist sehr teuer. So kann man dort eigentlich nur aus Internetcafes bloggen. Durch das Internet habe er die Möglichkeit, theoretisch der Welt mitzuteilen, was ihn bewegt und wa bei ihm passiert. Zum Glück laufen dort Blogs noch unterhalb des Radars der Regierung, so dass er im Moment keine Repressionen durch Sicherheitsbehörden fürchtet. Das könne sich aber noch ändern. Aber in kleinen Schritten könne man mit Blogs und den neuen Möglichkeiten der Meinungsäusserung die Gesellschaft verändern.

Nazli Farokhi kommt von der 4equality Kampagne für Frauenrechte aus dem Iran. Wie man sich denken kann, ist das dort kein Spass: Einerseits sich für Frauenrechte zu interessieren, andererseits dort darüber zu bloggen und eine Kampagne mitzumachen. Vor vier Jahren vernetzten sich Frauen in Teheran, um dagegen zu demonstrieren, dass eine Frau nicht Präsident werden darf. Man startete eine Kampagne namens „Gender in 365 days“, um jeden Tag ein neues Frauendiskriminierendes Gesetz zu kritisieren. Aber nichts änderte sich und es gibt uviele diskriminierende Gesetze. Also startete man eine neue Kampagne und gab Frauen die Möglichkeit, auf einer Seite zu schreiben, wenn sie was zu sagen haben. Hausfrauen fingen an zu bloggen und wurden zu Journalisten. Mit der Aktion „1 Millionen Unterschriften für Frauenrechte“ bekamen sie immer mehr Probleme mit den Sicherheitsbehörden. Über 50 Frauen wurden für die Eintretung für ihre Rechte in den Knast gesteckt und man würde nie wissen, was die Regierung noch tun würde, um sie weiter einzuschüchtern. Ein großes Problem sei, dass viele Menschen ihre Rechte nicht kennen würden. Viele Frauen würden nur verstehen, dass sie keinerlei Rechte haben. Anwälte unterstützen diese, um Rechte vor Gericht einzuklagen. Gleichzeitig weden Frauen über ihre Rechte aufgeklärt. Während die Aktivitäten früher einfacher gewesen seien, gäbe es jetzt viel mer Repression. Aber Blogs helfen der iranischen Gesellschaft, Tabus zu brechen und verändern die Gesellschaft damit. Die Regierung fürchtet hingegen die freie Meinungsäusserung und die Konseuqnzen, die sich daraus ergeben.

Olivier Nyirubugara kommt ursprünglich aus Ruanda, lebt jetzt in den Niederlanden und kommt von der VoicesofAfrica-Plattform. Das sei kein digitaler Aktivismus, da man gegen nichts kämpfe. Aber man gebe Menschen die Möglichkeiten, ihre Gedanken, Hoffnungen und Geschichten zu erzählen. Dabei würden authentische Geschichten entstehen, die lokale Perspektiven aus Bürgersicht darstellen. Es gebe keinen editorialen Prozess, jeder kann publizieren. Das Hauptmedium zum publizieren ist das Handy.

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