Die Deutschlandradio-Kultur Sendung Breitband hat heute Volker Grassmuck zu Besuch gehabt, um über die Kulturflatrate zu diskutieren: Die Kulturflatrate als letzter Ausweg für Musikindustrie und Kreativwirtschaft?
Rund um die sogenannte „Kulturflatrate“ gibt es seit ca. 8 Jahren Diskussionsstoff. Befürworter sehen in der monatlichen Gebühr die Möglichkeit, den Tausch urheberrechtlich geschützter Inhalte im Netz zu legalisieren. Volker Grassmuck plädiert für ein einen neuen Solidarvertrag zwischen Gesellschaft und Kreativen, der trotz frei verfügbarer Inhalte den Urhebern ihren Anteil sichert.
Da ich diese Woche wohl nach Monaten loser Planung endlich mal dazu komme, mich länger für einen Netzpolitik-Podcast mit Volker Grassmuck über die Kulturflatrate zu unterhalten, könnt Ihr gerne in den Kommentaren Fragen und Kommentare dazu posten, die ich dann im Gespräch aufnehme.
Meine Frage:
Würde die Kulturflatrate nur für die Musik gelten oder auch für Software?
Interessant wäre doch wie man den Kuchen verteilt, wird das eingenommene Geld nur an die großen Musikkonzerne verteilt oder werden auch unabhängige Künstler die z.B. Creative Commons verwenden daran beteiligt ?
Und wie kann man feststellen welche titel wie oft geshared werden um die Verteilung des geldes zu errechnen. Schließlich ist es ja gut möglich das die Anzahl der Peers in den P2P Netzen manipuliert wird.
Ist Volker Grassmuck auch für die Beibehaltung von Verwertungsgesellschaften wie der VG Wort und tritt er dafür ein, dass diese weiter „Geräteabgaben“ auf CD/DVD-Rohlinge, CD/DVD-Brenner, Computer, Kopiergeräte, Drucker und ähnliches erheben?
Falls nicht – wieso tritt er dann für genau das gleiche Modell nur im Bezug zum Internet ein?
Ist die „Kulturflatrate“ nicht einfach eine „Geräteabgabe“ für das Medium Internet? Wäre sie nicht genauso illegitim, wie die PC-GEZ-Gebühr auf Internet-PCs, da sie ja jedem Internet-Anschluss-Inhaber die -unentgeltliche- Nutzung von kreativen Inhalten unterstellt?
Was ist Kultur? Was ist Kunst?
Darüber kann man sicher auch noch trefflich streiten. Was also soll vergütet werden?
Wie sieht es aus mit Literatur? Genau da kann die Grenze aber leicht verschwimmen. Was ist Literatur? Kann nicht vielleicht schon manche Webseite als literarisch eingestuft werden? …
Ich bin aus den folgenden, dahingerotzten Gründen gegen eine Kulturflatrate:
* Es wird nicht bei den (z. B.) 10 Euro pro Monat bleiben. Wo 10 Euro gehen, gehen auch 15. Und später auch 20. Die Musikindustrie wird weiterhin jammern, dass die Pauschale zu gering ist und eine Erhöhung herbeilobbyen. Ich will das Gejammer der Musikindustrie in Zukunft nicht mehr hören. Eine Kulturflatrate wird es nicht verhindern.
* Trotz Kulturflatrate wird das Herunterladen von geschützten Werken per Tauschbörse weiterhin verboten bleiben, denn die Kulturflatrate wird den Bürgern wohl kaum das Recht geben, geschützte Werke zum Download ANZUBIETEN. „Herunterladen ist okay, aber selber bereitstellen? Pustekuchen!“ Und da alle ernstzunehmenden Tauschbörsen nur dadurch funktionieren, dass der herunterladende Nutzer die Werke gleich wieder hochlädt, bleibt es bei der Ächtung von P2P und Tauschbörse.
* Eine Zwangsabgabe (Kulturflatrate) auf meinen Internetanschluss wird den Dinosaurier Musikindustrie nur künstlich am Leben erhalten. Die sollen endlich sterben! (Marktwirtschaftlich gesehen, natürlich.) Mit der Digitalisierung und P2P ist das Geschäftsmodell der Verwertungsgesellschaften obsolet geworden und sollte sich in Nischen zurück ziehen. Die Zukunft ist der direkte Kontakt von Kreativen zu den Nutzern mithilfe des Internets und Micropayments.
Die Argumentation von Grassmuck ist in sich widersprüchlich und deshalb nicht nachvollziehbar:
Einerseits behauptet er, der Versuch „analoges Urheberrecht“ für die digitalen Medien umzubauen, sei gescheitert. (Hat dieser Versuch überhaupt stattgefunden? Haben wir in den letzten drei Jahrzehnten nicht vielmehr erlebt, wie das Urheberrecht / das Copyright im Sinne der Medienindustrie verändert wurde?) Gleichzeitg fordert Grassmuck eine gesetzliche Abgabe (Steuer) auf den Internetzugang – nach dem Vorbild der Leermedienabgabe, die ein Paradebeispiel für „analoges Urheberrecht“ ist.
Wobei die Leermedienabgabe (mehr oder weniger) an die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken gebunden ist. Diesen Zusammenhang sieht auch Grassmuck, der die Notwendigkeit einer „Kulturflatrate“ mit der Abgeltung der Ansprüche der Rechteinhaber aus der (angeblich illegalen) Nutzung ihrer Werke begründet. Erhoben werden soll diese „Kulturflatrate“ aber als gesetzlich vorgeschrieben Abgabe / Steuer auf den Internetzugang. Unabhängig davon, ob tatsächlich urheberrechtlich geschützte Inhalte illegal genutzt werden.
Grassmuck sollte zweierlei zur Kenntnis nehmen:
1. Nur eine kleine Minderheit der Menschen, die sich im Internet bewegen, nutzen urheberrechtlich geschützte Inhalte illegal.
2. Die Internetnutzer müssen auf fast jeder Webseite Werbung ertragen, haben also für die Inhalte bereits „bezahlt“.
In einem ORF-Interview http://futurezone.orf.at/stories/1502234/ hat Grassmuck, der sonst gerne von „Kulturförderung“ und ähnlich hehren Zielen fabuliert, deutlicher gesagt, worum es ihm geht:
„Tauschbörsen würden so auch zu einem Markt, und die Verwerter hätten Anreize, ihre Angebote zu bewerben, damit sie häufiger heruntergeladen werden und damit einen größeren Anteil aus der Ausschüttung der Gelder bekommen“
Tauschbörsen sollen zu einem Markt werden. Keine ganz neue Idee. Wer oder was hindert die Medienindustrie daran, ihre Inhalte an die Betreiber von Tauschbörsen zu lizenzieren? Als legale Unternehmen könnten Tauschbörsen ihre Nutzer – und nur diese – zur Kasse bitten.
Es ist ja toll (Vorsicht! Ironie), wenn sich Soziologen um Konzerne sorgen, aber: soll die Allgemeinheit tatsächlich über eine als „Kulturflatrate“ verniedlichte Steuer die Medienindustrie allimentieren?
„Betreiber von Tauschbörsen“? Das lustige ist ja, dass moderne Tauschbörsen keinen Betreiber oder ein Unternehmen dahinter haben. Das ist alles Peer-to-Peer. So ist z. B. BitTorrent ein Protokoll, wie auch http oder ftp oder … Und wer ist denn bitte sehr der „Betreiber von http“? ;)
Ach ja, noch einen Grund hatte ich hier schon mal geschrieben: http://tr.im/gFwE
@Alex, natürlich niemand aber wenn du einen Internetausdrucker/Politiker fragst wird er dir mit Sicherheit antworten das HTTP Microsoft gehört.