Big Brother Awards in Österreich verliehen

In Österreich wurden am Wochenende zum zehnten Mal die Big Brother Awards verliehen. Aufsehen erregt vor allem die Auszeichnung dreier Grünen-Politiker.

Die Abgeordneten der Grünen im oberösterreichischen Landtag Gottfried Hirz, Ulrike Schwarz und Maria Wagender wurden in der Kategorie Politik für ihre Unterstützung der Forderung nach Internetsperren für „Seiten mit kinderpornographischem Inhalt“ mit den Negativ-Preis bedacht. Der Initiativantrag war zwar einstimmig vom gesamten Landtag angenommen worden, die Jury zeigte sich allerdings besonders von den Grünen-Politikern enttäuscht. Diese hätten „allenfalls vorhandenen Sachverstand weggeworfen“. Die Entscheidung für eine Auszeichnung der Grünen wurde auch damit begründet, dass man die „‚üblichen verdächtigen‘ Rechtspopulisten“ aus den anderen Parteien „in den vergangenen zehn Jahren bereits vielfach nominiert und ausgezeichnet“ habe.

In der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ hatte die Jury, wie sie extra anmerkt, eine besonders schwere Entscheidung zu fällen. Den Preis erhält das Bundesfinanzministerium für die verpflichtende Angabe der Sozialversicherungsnummer bei Spenden. Im entsprechenden Gesetz heißt es: „Ab dem Jahr 2011 muss die Spenderin/der Spender bei jeder Spende, die als Sonderausgabe absetzbar sein soll, dem Spendenempfänger ihre Versicherungsnummer bzw. ihre persönliche Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte bekannt geben.“ Diese Regelung verletzt das bestehende E-Governmentgesetz. Darin ist vorgeschrieben, dass Personenkennzeichen nicht über Verwaltungsdatenbanken hinweg nachvollziehbar und bereichsspezifisch sein dürfen.

Der Preis in der Rubrik „Kommunikation und Marketing“ wurde der Personensuchmaschine 123people und deren Geschäftsführer Russell E. List-Perry verliehen. Kritisiert wird von der Jury, dass die Suchmaschine „Ergebnisse von gefährlicher Beliebigkeit“ ausspucke. Wenn als Ursache dafür nicht Unfähigkeit, sondern Methode annehme, dann laufe das „auf eine Form von Nötigung hinaus, um an qualitativ hochwertige, weil richtige Datensätze zu gelangen: Es werden so lange dubiose bis falsche Angaben über eine Person verbreitet, bis diese Kontakt mit 123people aufnimmt und alle Daten richtigstellt.“

Das Unternehmen reagierte mit einer Stellungnahme auf den Award, der darin als „professionelle Veranstaltung, die eine wichtige Datenschutz-Funktion in der Gesellschaft erfüllt“, gelobt wird. Einerseits enthalte die Begründung der Jury Fehler, andererseits sieht man sich selbst nicht in der Verantwortung: „Das Zuordnen der gefundenen Informationen zu einer bestimmten Person bleibt dem User überlassen.“ Mit der 123people könne jeder seinen „digitale Fußabdruck“ überprüfen. „Dafür einen Big Brother Award zu erhalten, ist absurd.“

Besonders zynisch muten die Erklärungen des Geschäftsführers von Tiger Lacke, Clemens Steiner, an, der dafür in der Kategorie Business und Finanzen ausgezeichnet wurde. „Im Sinne des Erhalts der Zufriedenheit der Belegschaft“ und um „Verbesserungen frühzeitig durch geeignete Maßnahmen einleiten zu können“ habe die Geschäftsführung des Welser Unternehmens Tiger Coatings „regelmäßig die Kommunikation mit den betreffenden Mitarbeitern gesucht“ heißt es da von der Geschäftsführung. Soll heißen: Mitarbeiter wurden „auf freiwilliger Basis“ systematisch vorgeladen und nach den Gründen für ihren Krankenstand befragt.

Zudem sorgte man sich bei den Unternehmen um die Sicherheit der Mitarbeiter. „Um Arbeitsplätze zu sichern“ und weil ein „existenzbedrohlicher Abgang von Pulverlacken“ vorlag, der sich später als Buchhaltungsfehler herausstellte, installierte man verdeckt in Hallen, Büros und Müllraum ein vernetztes System von rund 20 Kameras samt Aufzeichnungsanlage.

Das Publikum zeichnete zudem den Chef der Österreichischen Bundesbahnen, Peter Klugar, mit einem eigenen Award aus. Für preiswürdig befunden wurde die systematische Anlage von Mitarbeiter-Krankenakten. „Erst geschah das relativ offen durch ein entsprechendes Feld in der Personaldatenbank. Nach einem Einspruch des Betriebsrats gingen dieselben Praktiken auch unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Peter Klugar unverändert weiter, nur eben verdeckt.“ Ein Leitfaden für den internen Gebrauch habe zudem „verschärfte Krankenstandskontrollen durch Detektivbüros“ und die „Befragung der Lebensgefährten von Beschäftigten mit langen Fehlzeiten“ empfohlen. Als das Ganze an die Öffentlichkeit drang, reagierte das Management „durch das Tilgen aller Spuren“, indem es die illegale Datensammlung nach eigenen Angaben löschte.

Zu Anfang der Veranstaltung war nachträglich noch ein Big Brother Award für 2007 an die Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) verliehen worden. Damals sollte sie für Verschlechterungen bei der bereits 2003 kritisierten Bildungsevidenz ausgezeichnet werden, zog sich aber mit der Absichtserklärung aus der Malaise, bis 2009 eine Alternative zur Sozialversicherungsnummer als Personenkennzeichen zu finden. Weil das System aus Sicht der Jury nicht entscheidend geändert wurde, erhielt Ministerin Schmied den Preis nun doch.

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