Auf dem G8-Treffen in Hokkaido haben die Staatschefs heute eine Erklärung zur Weltwirtschaft verabschiedet, in der sie zu einer Verabschiedung des neuen Anti-Piraterie-Abkommens ACTA (Anti Counterfeiting Trade Agreement) bis zum Ende des Jahres aufrufen. Heise berichtet darüber: G8-Staaten wollen Anti-Piraterie-Abkommen bis Ende des Jahres .
Die ct‘ hat ein gutes und ausführliches Interview mit der US-Politologin Susan Sell, Professorin an der George Washington University, zu ACTA und die Hintergründe: „Gefälschte Handtaschen sind nicht gefährlich“.
c’t: Die bislang bekannt gewordenen ACTA-Vorschläge werden auch als „TRIPS Plus Plus“ (TRIPS steht für Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) bezeichnet, also als eine deutliche Verschärfung der bereits geltenden internationalen Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums. Gibt es für die Befürworter von mehr Schutzrechten eigentlich eine Grenze nach oben, werden sie sich mit einem Regime zufrieden geben?
Sell: Da gibt es keine Grenze nach oben, das ist etwas, das ewig weitergehen wird. Die Befürworter wollen alle und jeden zwingen, den Schutz weiter und weiter zu verstärken. In der Konsequenz sieht das aber auch stark nach Wettbewerbsverzerrung aus. Letztlich geht es um die Absicherung von extra-super Profiten. Doch die Wettbewerbsprobleme zeigen sich an vielen Beispielen. Nehmen wir die Probleme mit dem US-Patentsystem. Kritiker warnen, dass Patente zu leicht und zu breit erteilt werden, und dass unser Patentsystem Innovation abwürgt. Die These, dass mehr Schutz für mehr Innovation sorgt, ist empirisch einfach falsch. Leider hinkt die Wettbewerbsaufsicht hinterher. […]
c’t: Was sind die Hauptmotive für die ACTA-Verhandlungen?
Sell: Das Hauptmotiv ist meiner Meinung nach der Versuch, die Foren zum umgehen, an denen internationale Verhandlungen transparenter sind. Die Leute sind dort gescheitert mit ihren Vorstößen, es gibt eine regelrechte Pattsituation bei der WIPO, bei der Weltgesundheitsorganisation und der Welthandelsorganisation. Denn hier achten Nichtregierungsorganisationen und Vertreter kritischer Entwicklungsländer auf übermäßig strenge Neuregelungen und auf deren negative Effekte. Die Befürworter neuer Regelungen wissen, dass sie mit ihren Traumvorstellungen von sehr, sehr harten Standards für den Schutz des geistigen Eigentums hier nicht durchkommen. Nun versuchen sie es durch die Verhandlung zwischen gleichgesinnten Staaten. Wir können aber sicher sein, dass diese Bestimmungen dann in bilateralen Handelsvereinbarungen regelmäßig auf den Tisch kommen. Vor allem wird auch der Druck auf eine Reihe von Staaten erhöht werden, die WIPO Internet-Verträge zu unterzeichnen. Brasilien hat dies etwa bislang nicht getan.
1 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.