EU-Generalanwalt: Vorratsdatenspeicherung ist formal korrekt

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof hat heute seine Stellungnahme zur Klage Irlands gegen die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht. Hier die zentralen Stellen:

Die Vorratsspeicherung von Daten durch die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste habe für diese eine finanzielle Belastung zur Folge, die proportional zur Zahl der zu speichernden Daten und zur Dauer der Speicherung sei. Daraus folge, dass sich ein Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste mangels Harmonisierung den mit der Vorratsspeicherung von Daten verbundenen Kosten stellen müsste, die je nachdem, in welchem Mitgliedstaat er seine Dienste anzubieten beabsichtige, verschieden wären. Solche Unterschiede könnten Behinderungen des freien Verkehrs elektronischer Kommunikationsdienste darstellen und Hindernisse für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts für die elektronische Kommunikation schaffen.

Folglich erscheint dem Generalanwalt die Annahme der Richtlinie auf der Grundlage von Art. 95 EG begründet.

In Bezug auf das Argument Irlands, dass die Richtlinie als einzigen oder zumindest hauptsächlichen Zweck die Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Verbrechen habe, räumt der Generalanwalt ein, dass nicht zu bestreiten sei, dass der Grund für die Pflicht zur Vorratsspeicherung darin liege, dass sie diesen Zweck fördere. Dennoch sei der Umstand allein, dass die Richtlinie dieses Ziel habe, nicht ausreichend, um sie in den Bereich „Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen“ einzuordnen.

Die Pflicht zur Vorratsspeicherung von Daten entspricht seines Erachtens nicht den Arten von Maßnahmen, die in diesem Bereich vorgesehen seien. Dazu hebt er hervor, dass die in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen kein unmittelbares Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten umfassten. Die Richtlinie enthalte Maßnahmen, die in einem Stadium vor der eventuellen Durchführung einer Maßnahme der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit anzusiedeln seien. Sie harmonisiere weder die Frage des Zugangs zu Daten durch die zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden noch die Frage der Verwendung und des Austausches von Daten zwischen diesen Behörden, z. B. im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen. Diese Fragen, die seiner Ansicht nach in den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen fallen, seien zu Recht nicht in der Richtlinie geregelt worden.

Der AK Vorratsdatenspeicherung weist darauf hin,

dass die vom Generalanwalt beurteilte Klage der irischen Regierung nur formale Fragen betrifft und die Verletzung der Grundrechte durch die anlasslose Erfassung des Telekommunikations- und Bewegungsverhaltens der gesamten Bevölkerung nicht zum Gegenstand hat. Falls der Gerichtshof tatsächlich dem Generalanwalt folgen und die irische Klage abweisen sollte, wird er in einem zweiten Verfahren auf Vorlage des Bundesverfassungsgerichts die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten überprüfen müssen.

Meine Einschätzung: Der Generalanwalt hat hier die Unterscheidung zwischen Speicherung der Daten und Zugriff auf die Daten aufgegriffen, die das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Vorab-Entscheidung im März aufgemacht hatte.

Hier könnte sich also ein genereller Trend abzeichnen: Nicht die Speicherung an sich ist ein Grundrechtseingriff, sondern nur der Abruf und die Verarbeitung. Es gibt Leute, die sagen, dass dies ohnehin der realistischere Ansatz ist, weil wir in der Informationsgesellschaft immer ohne Ende digitale Spuren hinterlassen. Andererseits zeigen gerade die Datenskandale der letzten Zeit, dass bereits die Speicherung ein Riesenproblem darstellt. In der aktuellen Debatte um die Einführung des Datenschutzes ins Grundgesetz sollte also das Ziel die Klarstellung sein, dass bereits die Speicherung ein Grundrechtseingriff ist. Auf diesem Wege könnte eine GG-Änderung doch noch progressiv wirken und tatsächlich und nicht nur symbolisch die Lage verbessern.

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