Gestern fanden die „Berlin Keynotes“ mit dem Titel „The Age of Collaboration“ statt. Veranstaltet vom Medienboard Berlin-Brandenburg im Rahmen der Berlinale 2008 hatte man vier Stunden Vorträge und Diskussionen rund um die „Avantgarde der Filmindustrie“ (O-Ton) zusammen gebaut. Und das Programm versprach spannend zu werden. Zumal „A swarm of Angels“ in Form von Matt Hanson und „Elephants Dream“ in Form von Tom Roosendahl von der Blender-Foundation eingeladen waren, um über Open Source Cinema zu sprechen. Die beiden Beispiele verwende ich auch gerne in Vorträgen über Creative Commons.
Den Anfang machte aber Don Tapscout, Autor von Wikinomics. Sein Geschäftsmodell ist, für alles, was Open Source Strategien enthält, einfach Wiki zu sagen, weil das alles irgendwas wie Wikipedia ist. Das Buch ist ja ein ganz netter Überblick über die Entwicklungen der letzten Jahre, aber auch nicht der grosse Wurf wie er gerne verkündet wird. Eher ein Benkler „für Arme“. Empfehlenswerter ist daher, sich gleich „The Wealth of Networks“ von Yochai Benkler zu holen, um Peer-Production zu verstehen. Auf jeden Fall sprach Tapscott erstmal eine Stunde zu „Rethinking Film and Film industry in the 21st century“. Seine gewagte These: Wir sind auf dem Weg zu „Cinema 2.0“. Wow.Dafür fliegt man ihn extra für teures Geld ein. Es folgte das übliche Web 2.0 Buzzword-Bingo. Film verändere sich durch digitale Technologien und das, was man Web 2.0 nennt. Alles wird interaktiv und man kann sich an der Games-industrie orientieren. Die Zuschauer werden User und sie bilden eine „Crowd“. Er brachte die üblichen vier Treiber:
1. Web 2.0 (Überraschung!!)
Er nennt den Trend zum Ubiquitous Computing durch die ständige Verfügbarkeit von kleinen Computern „The thing“. Alles hätte einen Screen. Und wäre damit ein „Thing“. Naja. Auf jeden Fall gibt’s überall Bildschirme und da kann man überall bewegte Bilder draufschicken. Und bald kommen Hologramme. (Darauf warte ich auch schon, seit ich klein bin.)
Durch Breitband können wir uns auch HDTV-Filme übers Web anschauen. Mit dem neuen Web könne man die physikalische Welt erkunden. Die kommende Schauspieler-Generation werde animiert in den Filmen mitspielen. Sieht aus wie Robert de Niro, ist Robert de Niro. Und als Zuschauer kann man mit de Niro dann im Film spazieren gehen. Web-Services werden auch toll sein.
„Joost is the Napster for the Film industry“. Das ist ja die gewagteste These bisher und dem würde ich so widersprechen: Was ist mit der Pirate Bay? Naja, erstmal Brille anziehen: Als nächstes las er dann wenigstens noch die Feature-Liste von Miro vom Blatt vor.
Nächster Treiber: 2. Die Netz-Generation.
Das musste ja kommen. Die digitale Generation, die Internet atmet und wo ältere Menschen wie er staunend davor stehen. Aber er hat sie ausreichend studiert. Diese Generation. Also uns. Und seine Kinder. Ihm ist aufgefallen, dass die kein Fernsehen mehr schauen wie die vorherigen Generationen. Die spielen Computer, kommunizieren, laden sich MP3s herunter und erstellen Inhalte. Er zeigt Statistiken, wonach junge Menschen lieber aufs Fernsehen verzichten als auf Internet. „Digital Natives“ fehlte gerade noch als Buzzword, wurde aber passend nachgereicht.
Diese Generation wünscht: Freedom, Choice, Customize, Scrutiny, Integrity, Collaboration, Entertainment, Spass, Speed, Innovation. Kann mir gar nicht vorstellen, dass ältere Menschen das nicht wünschen. Wir befinden uns übrigens in einem „demografischen Tsunami“.
3.The social revolution
„I can show you 40 slides but i won´ t“. Danke. Ein Graph mit steigender Kurve reicht für die Zuwächse der Communities wie Flickr. Youtube schlägt MTV. (Das ist ja auch kein Problem bei den Klingeltönen dort.) Irgendwie kommen jetzt doch viele Slides mit steigenden Graphen von verschiedenen Plattformen. Das war anders versprochen. Jetzt sind wir bei der Selbstorganisation. Er zeigt seine Facebook-Fangruppe zum Buch.
4.The Economic Revolution
Es folgen Folien über die „Ökonomie von Kollaboration“. Jetzt sind wir bei Peer-Production und es kommen Linux und Wikipedia als Beispiele, das Selbstorganisation funktioniert. Irgendwie muss er jetzt noch Film unterbringen. Aber das verweist er auf die kommenden Speaker. Auf jeden Fall gebe es „The Rise of the Prosumer“.
Als Beispiel kommt jetzt Screenshot von „Good Copy bad copy“ mit der Überschrift „Rethinking Intellectual Property“ und „Music industry – failed to understand.“ In den USA stagnieren die Besucherzahlen in Kinos und die Ausgaben für Home-Entertainment. Dafür wachsen die Ausgaben für Computerspiele. Ah, jetzt kommen wir zu „The Film 2.0“. Es gebe neue Modelle, was ein Film ist. Ab den späten 20er Jahren war ein Film ein Spielfilm. Sonst gab es noch Kurzfilme. Jetzt gibt es Mash-Ups, Kurzvideos auf Youtube, „Next generation games“, Communities rund um einen Film und Computerspiele werden zu Kinofilmen.
Auf gebe es neue Modelle der Produktion und Kreation: Machinima, Filmocracy (So ein Crowdfunding-Projekt), Open Source Cinema, Current.tv, Mogulus. Die Zuschauer werden zu Co-Produzenten und dürfen Filme remixen.
Auch gebe es neue Modelle der Distribution: HD DVD vs Bluray sei eine unwichtige Debatte, weil bald eh alles aus dem Metz kommt. Neue Finanzierungswege gibt es auch: Second Life verkauft Land. Die Simpsons haben irgendwo einen echten Supermarkt mit Merchandising. Bei neuen Modellen im Marketing sind wir jetzt im Longtail angekommen. (Bingo!) Neue Aggregationsformen und Open Source Marketing. Marketing verändert sich: consumer experiences, anyplace, discovery price , engagement, brand.
Zum Schluss nochmal die Zusammenfassung: „The time has come for cinema 2.0“. Das war jetzt echt nicht der intellektuelle Renner und dafür hätte man ihn auch nicht einfliegen müssen.
Aber es ging weiter. Matt Hanson von „A swarm of angels“ redete über „The end of celluloid – remixing cinema“. Das war interessanter. Zwar auch nichts neues, aber auch weniger Buzzword-Bingo. Matt Hanson ist eher ein Nerd und kommt damit auch sympathischer herüber als sein sehr arrogant wirkender Vorredner. Und Hanson redet lieber über „Audience as auteur“. Sein Film ist zwar längst nicht fertig, also eigentlich erst in der Vorproduktion, aber er konnte einiges über die gesammelten Erfahrungen und den Aufbau des Projektes berichten. Basis sind Creative Commons-Lizenzen und das Open Source Entwicklungsmodell wird auf Film übertragen. Das sei nicht ganz so einfach, aber eine spannende Grenzerfahrung, um das als Artist zu erkunden. Nennt man dann „User-powered Crowdsourcing“. Es gibt verschiedene „Participation Points“: Ein Forum, Wiki, Votings, Medien und Remixe. Ständige Feedbackschleifen werden in den Prozess eingebaut. Werbe-Trailer werden zur Diskusison gestellt und können verändert werden. Release early, release often. Jemand hat eine 3D Animation für den Trailer gemacht, jemand anderes hat die Musik beigsteuert.
Sein erstes Script ist von der Community komplett verändert worden. Die Story ist jetzt eine andere, die ihm besser gefällt und auf die er nie gekommen wäre. Wiki und Celtx werden als kollaborative Schreib-Werkzeuge für das Script genutzt. „It´s the idea of conversations and getting the community involved. co-creation = conversation
Aufgaben werden in kleine Teile zerlegt, die zusammen ein grosses Puzzle bilden: Poster, Symbole, Trailer, Animationen, Webcomics, Machinima, Second Life, virtuelle Objekte, Script-Fragmente. Auche ine nette Idee: Beteiligte können Fotos posten, die werden in Avatare umgebaut und so kommen sie als Statisten im Film vor. Das sei ein „people powered film studio“ mit verschiedenen Leveln der Beteiligung. Sein Projekt ist in fünf Phasen aufgebaut. Aktuell ist Phase 3 mit 1000 – 5000 Nutzern. Die Finanzierung läuft über „crowdfinancing“. Man beteiligt sich an einem Abo-Modell und bekommt dafür Beteiligungsmöglichkeit und zum Schluss eine schöne DVD. Die Erfahrungen zeigen, dass ca. 5% der Community aktiv mitarbeiten.
Auch gibt es verschiedene Herausforderungen: scaling (task groupos, arch-angels), expectations (time, budget), direction (keeping collaboration on course).
Normale Filmprojekte würden auch 4-5 Jahre Zeit brauchen, ebenso vermutlich „A swarm of Angels“.
Er verweist noch auf Viewshareremix.com, eine Open Content Plattform, und ist dann fertig mit seinen 20 Minuten:
ViewShareRemix is a project to support open content (particularly open movies), by providing information on the area, creating standard identifying marks, supporting visuals and development tools.
Moderatorin fragt, wie demokratisch das Projekt ist. Er meint, es sei nicht demokratisch, sondern partizipatorisch. Er glaube, dass man als Filmmacher immer einen Direktor braucht, die die grosse Linie vorgibt. „We are cutting out the middle-man.“
Jetzt kommt Blender: Vor lauter Free und 3D verhaspelt sich erstmal die Moderatorin: Sie brauchte drei Versuche, um „the first free 3d film“ richtig auszusprechen. Tom Roosendahl von der Blender-Foundation sprach dann über „3D Open Content free for everyone: open movies, open games.“
Ein etwas gewöhnungsbedürftiger niederländischer Akzent. Aber jetzt gibt’s mal ne richtige Einführung in Open Source mit etwas weniger Buzzwords, dafür mehr Erklärung als bei der Tapscot-Rede. Überblick über Blender und Befreiung der Software im Jahre 2002, wo 100.000 Euro gesammelt worden, um die Software frei zu kaufen. Der Anbieter war vorher pleite gegangen. Die Community wollte Blender demokratisieren und wählte die GPL als freie Lizenz. „The elephants dream“ war nötig, um eine zeigbare Demo zu schaffen. Viele dachten bis dahin, Freie Software könne ja zu nichts gut sein. Jetzt gibt’s das Blender-Institute, 14 Menschen arbeiten Fullzeit und entwickeln Open Content Geschäftsmodelle. Viele Einnnahmen zur Finanzierung kamen über Verkauf der DVD. Aktuelles Projekt: Peach Open Movie. Gefördert u.a. vom Digital Pioneers Programm. 6 Menschen und 6 Monate. Start Oktober 2007. Nächstes Projekt: Apricot Open Game. 6 Menschen, 6 Monate. Supported von verschiedenen 3D-Studios. Ziel: „Open Source Industrie quality Game.“
Es gibt noch ein paar Projekte wie Durian (4k cinema rendering). Das soll 3D-Sculpturen schaffen, keine story, aber viele Waffen und Explosionen.
Das Open Content Geschäftsmodell von Blender:
* foundation community (having fun, open source, software weiterentwicklung), subsudity and
* funds (öffentliche kulturförderung)
* training, dvds, dokumentation, bücher, (Mehrwerte rund um das Projekt schaffen)
* commercial sponsoring
Elephants dream war ein Riesenerfolg für die HDTV-Industrie. Die hatten endlich mal einen freien Film, um die Technik auf Messen zeigen zu können. Guter Vortrag um der anwesenden Filmindustrie mal die Vorteile von Open Source und Open Content zu erklären. Dann gabs noch eine kleine Filmpremiere vom kommenden Projekt. Sah gut aus.
Pause. Und der nächste Programmpounkt kommt: Videospiele. Jade Raymond aus Spiele-Entwicklerin aus Montreal redet über „Not your daddy´ s game“: Warum junge Filmtalente jetzt Computerspiele machen. Sie war verantwortlich für das Spiel „Assassin´ s creed“ und zeigt einen Trailer als Beispiel für Machinima, weil der Trailer mit der Game-Engine erstellt wurde. Frauen und Menschen über 35 seien die am schnellsten wachsende Zielgruppe für Computerspiele. Sie zeigte einen netten Mash-Up, wo Filme und Videospiel-Verfilmungen zusammen gemixt wurden. Zusammen mit dem Soundtrack aus den fetten Boxen kommt das ganz gut, aber viel zu kurz. Sowas schaue ich auch gerne länger.
Beispiel für Licencing der 1st generation collaboration:
Spiele von Filmen haben immer ein Problem: Zeit. Meist gibt es nur wenige Wochen, um einen Film als Spiel umzusetzen. Das Ergebnis ist bekanntermassen meist schlecht. Gute Spiele brauchen viel Zeit. Beispiele schlechter Verfilmungen: wing commander, double dragon, street fighter, tomb raider. Marketing-Logik: Man machte das halt, weil man davon ausging, dass viele Menschen das Spiel spielen und sich demnach auch für einen Film interessieren. Das sei aber eine ganz schlechte Strategie, wie die Realität zeigt. Stimmt.
2nd generation:skill sharing:
Adoptiert die Werkzeuge anstatt der Filmideen. Wie in 300 oder Matrix zu sehen. Lieber die Technologien für Spezialeffekte übernehmen, aber nicht nur blöd eine Idee kopieren. Lieber eine eigene tiefe Welt schaffen. Filme wie 300 sind komplett vor Bluescreens gedreht und werden dann am Rechner bearbeitet. Dann erzählt sie einiges über ihr Spiel als Einblick in den typischen Produktionsprozess. Nagut, das ist schon etwas fetter:300 Menschen in montreal und 350 woanders.4 jahre Entwicklung, Spezialisten wurden von der filmindustrie eingekauft: Drehbuchautoren wurden schon sehr früh eingebunden, damit sie die Spielmechanik verstehen, etc. Dazu kamen Geschichtsexperten, Stuntmen und Storyboard Artists.
Ihr Motto war „go big as the best epic films“ (gladiator, ben-hur, braveheart). Haben für das Spiel drei komplette Städte nachgebaut. 10.000 animationen and 6500 „Barks“ bilden zusammen sämtliche Bewegungen der Spielerfigur.
Nächstes Beispiel: Next gen collaborations: partnerships. „cross media development“. Regisseure denken immer mehr beide Welten zusammen. Dann weiterer toller Zusammenschnitt erstmal von alten c64 Arkade-Games aus den 80er jahren und dann aktuelle Spiele. Tolle Bildershow mit Rage against the machine als Soundtrack aus den lauten Boxen dazu. Wieder zu kurz.
Zusammenfassung: „we still have not tapped into the cretaive potential of games“. „user interactivity and participation to create an entertainment experience with greater intimacy emotional impact.“ Dann freu ich mich auf mehr. Zwischendurch wollte ich ja schon das Spiel kaufen, aber gibts eh nicht für PC.
Als letztes sprach der Spiel-Designer Jordon Mechner über „prince of persia reloaded. cretaive and strategic alliances for the future of the film industry“. Prince of Persia hab ich ja Anfang der 90er gerne gespielt. Anscheinend gabs da auch mal eine Neuauflage und jetzt soll das als Film kommen. Früher war das Genre mal in Mode, aber seit den 50ern hat keiner mehr was dazu gemacht. (Vielleicht weil Yul Brunner gestorben ist?) „turning a video game hero into a movie hero“. Lustiges Bild: pacman to clint eastwood. Gar nicht so einfach. „in video games, story is secondary“. „the purpose of a video game story is to support the game play.“ „video game genres don´t correspond to film genres“. Irgendwie gibt’s den Film noch nicht. Erst nächstes Jahr. Oder so. Ist aber wohl schon in der Produktion. Er erzählte weiter, was ganz nett war, aber nicht so spannend zum mitschreiben. Jan Schmidt fand es spannender und hat was dazu gebloggt.
Insgesamt eine nette Veranstaltung, wenn man mal von der Keynote absieht. Freut mich, dass Open Source Strategien jetzt auch mal in der Berliner Filmwelt promotet werden.
Freedom, Choice, Customize, Scrutiny, Integrity, Collaboration, Entertainment, Spass, Speed, Innovation.
Iiigitt, hat sich da doch wirklich ein deutsches Wort eingeschlichen. ;)
Aber sonst ziemlich cool der Bericht, fast so als wäre man selbst da gewesen…