In Berlin haben einige große deutsche Verwertungsgesellschaften eine Pressekonferenz veranstaltet, um die gute alte Zeit nochmal auferleben zu lassen und neue Ideen zu verdammen. Einer der Hauptkritikpunkte gab es dabei an der Forderung, das Tauschen von urheberrechtlich-geschützter Kultur mittels Tauschbörsen zu legalisieren und Urheber durch eine Kulturflatrate zu kompensieren. Heise berichtet über die Ewig-Gestrigen: Urhebervertretungen gegen Filesharing-Kulturflatrate.
Wie man sich so sein eigenes Weltbild für das digitale Zeitalter zusammenbastelt, sieht man u.a. am folgenden Zitat von Gerhard Pfennig, geschäftsführendem Vorstandsmitglied der VG Bild-Kunst:
Neue Ansätze zur Eigenvermarktung mithilfe der umstrittenen Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) oder über „Creative Commons“-Lizenzen, bei denen der Kreative seine Urheberrechte im Interesse einer möglichst breiten Nutzung seiner Werke freiwillig einschränkt, beäugte Pfennig dagegen skeptisch. Das „Phänomen Creative Commons“ klinge auf dem Papier zwar nutzerfreundlich, aber die entsprechenden Lizenzen und noch vorbehaltenen Rechte seien damit gerade international kaum mehr durchsetzbar. Der Rechteinhaber könne weder wirklich kontrollieren, was mit seinen Werken passiere, noch einen erkannten Missbrauch ernsthaft verfolgen. Verwertungsgesellschaften könnten dagegen notfalls leichter Prozesse führen und Vergütungszahlungen etwa auch in „Japan oder den USA“ durchsetzen.
Herr Pfennig schafft es wunderbar, in wenigen Sätzen seine grandiose Unkenntnis unterzubringen. Creative Commons Lizenzen basieren auf dem Urheberrecht und gewähren Urhebern weitere Nutzungsfreiheiten. Dabei werden Lizenzen an das jeweilige Urheberrechtssystem angepasst, z.B. in Deutschland. Die Lizenzen harmonisieren dabei international. Überall, wo Creative Commons Lizenzen angepasst worden, gelten diese auch gleich. Man kann gegen Lizenz-Rechtsbrüche ebenso Gerichte einschalten wie bei „normalen“ Urheberrechtsverletzungen. Sogar in Japan und den USA. Und das mit der Kontrolle kann man sich gerne zurückwünschen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Kontrolle nicht mehr möglich sein wird. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum Urheber von den eigenen Interessensvertretungen so diskrimiert werden, dass ihnen die Nutzung von mehr Freiheiten untersagt werden.
Zu der Diskussion rund um die Kulturflatrate schalten wir einfach mal rüber zur mica-Konferenz, die gerade in Österreich stattfindet. Dort spricht u.a. Peter Jenner, den wir auch schonmal für NetzpolitikTV interviewt haben. Als ehemaliger Manager von The Clash und Pink Floyd gilt er nicht gerade als unerfahren im Musikgeschäft und trotz seines fortgeschrittenen Alters ist er in der Lage, die Musikwelt neu zu denken: Gebühr für Netzmusik. Und er prognostiziert u.a. folgendes:
ORF.at: Sie haben die Klagen der Musikindustrieverbände gegen Tauschbörsennutzer mit dem Vietnam-Krieg verglichen?
Jenner: Ja, denn auch während des Vietnam-Kriegs wurde von der US-Regierung – genauso wie jetzt von den Industrieverbänden – ständig behauptet, dass der Kampf gewonnen werde. Wir wissen, wie der Vietnam-Krieg ausgegangen ist. Um es mit anderen Worten zu sagen: Wer gibt schon gerne zu, dass er verloren hat?
Das ganze Interview ist lesenswert. Vielleicht sollten die deutschen Verwertungsgesellschaften mal Peter Jenner einladen, um sich die Gegenwart und die Zukunft von Musik im Netz erklären zu lassen. Aber stattdessen werkelt man weiter an der Kriminalisierung einer ganzen Netz-Generation und wünscht sich die alte heile Welt von gestern zurück.
„Ich kann immer noch nicht verstehen, warum Urheber von den eigenen Interessensvertretungen so diskrimiert werden, dass ihnen die Nutzung von mehr Freiheiten untersagt werden.“
Möglicherweise ist das etwas plaktiv, ich denke aber ein großes Interess haben die Interessenvertretungen vor allem an den eigenen Interessen, respektive an den Einnahmen und denken dabei in erster Linie nicht immer an die selbigen der Künstler.
Warum soll ein Künstler oder ein Label, dass seine Werke möglicherweise hauptsächlich im Netz vertreibt dies nicht ohne die fragwürdige Hilfe einer sog. Interessenvertretung tun? Für die Herren wohl keine angenehme Vorstellung.
Marcus, was ist denn in dem Pfennig-Zitat falsch? Er bezieht sich auf den EINZELNEN Rechteinhaber, der eine rechts-konforme Nutzung von CC-Lizenzen praktisch nicht kontrollieren / durchsetzen kann. Das solidarische Verwertungsgesellschaften da im Vorteil sind, ist doch schlicht und einfach wahr.
Das Hauptproblem der Creative-Commons-Lizenzen ist, dass sie nicht zwischen den verschiedenen Werkarten differenzieren. Für Musik sind sie völlig ungeeignet, weil nicht einmal zwischen den unterschiedlichen Rechten von Interpreten und Autoren unterschieden wird. Mehr hier: Are Free Licenses suitable for cultural works? [url]http://www2.hu-berlin.de/gbz/downloads/pdf/SERCIACPapers/farchy.pdf[/url]
Das gleiche gilt auch für die Kulturflatrate: Eine „Kulturflatrate“ für Texte, Filme, Bilder, Musik usw. ? Wie soll die denn verteilt werden? Wenn schon, dann müsste es verschiedene Kulturflatrates geben. Aber bei einer pauschen „Besteuerung“ des Zugangs zu Internet oder Mobilfunknetz müsste auch die überwiegende Mehrheit der Konsumenten zahlen, die die Möglichkeiten nur selten oder gar nicht nutzt.
Im Musikbereich wäre das Problem des illegalen Tausches relativ leicht mit einer gesetzlichen Zwangslizenz zu lösen. Schon die Phonographische Industrie verdankt ihre Existenz einer Zwangslizenz, mit der die Verlage gezwungen wurden, ihre Rechte allen Labels zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Auch der Einsatz von Musik im Radio beruht auf einer gesetzlichen Lizenz. Künftig müssten Verlage und Labels ihre Rechte an alle p2p-Systeme oder wer auch immer glaubt, damit ein Geschäft machen zu können, (ZU GLEICHEN BEDINGUNGEN) lizenzieren. Abgerechnet wird an Hand der tatsächlichen Nutzung, die Endkunden zahlen über Werbung und/oder Gebühren.
Außerdem fällt mir auf: Ursprünglich ging es bei den CC-Lizenzen darum, Kreativität zu fördern, in dem die Nutzung von Werken erleichtert wird. Mittlerweile ist immer öfter von Selbstvermarktung etc. zu hören. Das war ja eigentlich nur ein Nebenprodukt …
Mit einer Content-Flatrate würde „der Anreiz für künstlerisches Schaffen auf den Nullpunkt gebracht“
sagt da der GEMA-Vorstandsvorsitzenden Harald Heker und offenbart uns damit das in diesen Kreisen durchaus übliche Kunstverständnis. Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass eine Motivation zur künstlerischen Tätigkeit durchaus auch ohne eine primäre Gewinnerzielungsabsicht existieren kann.
Ohne GEMA keine Kunst in Deutschland?
Ganz im Gegenteil. Vielleicht gibt es dann sogar endlich mal wieder Kunst, die meinem persönlichen Verständnis dieses kreativen Prozesses nahekommt. Eben genau diese Form von Kunst, die nicht primär zum Gelderwerb betrieben wird. Den Vorwurf „Du plädierst hier für die brotlose Kunst!“ lasse ich mir da gerne gefallen. Wahre Künstler sind in den seltensten Fällen wirklich reich geworden und möglicherweise hat sie das auch nicht sonderlich interessiert. Für GEMA-Vorstandsvorsitzende ist ein Nicht-für-das-Geld-Leben natürlich unvorstellbar. Für sie dürfte das eher auf einen schwachen Charakter mit mangelnder Geschäftstüchtigkeit hindeuten.
Man sollte aber auch nicht vergessen, was der Berichterstatter von heise in seinem Artikel alles nicht mitteilt.
Macht aber auch nichts. CC kann auch auf einem Auge blind machen. Aber wenigstens gibt es da noch die CC-Mailingliste, die etwas differenzierter diskutiert.
Nur um wenigstens auch ein Beispiel anzuführen, Stefan Krempl, der immerhin einen Platz neben mir saß, benennt die Zeitung, die da schwarz auf weiß auf jedem Sitzplatz lag, „politik und kommunikation (puk)“ – ist ja nett gedacht, aber sie heißt nunmal ganz einfach „politik & kultur“ – ist ja nur ein Flüchtigkeitsfehler (vielleicht sogar von der bearbeitenden Redaktion bei Heise). Wer will das schon wissen?
Aber der Pfennig, der hat punktundkomma genau das gesagt. Klar.