Vom 22. Oktober bis 3. November treffen sich Aktivisten aus der ganzen Welt in Dharamsala (Indien). Airjaldi Summit, der diesjährige Höhepunkt der World Summits on Free Inforamtion Infrastruktures (WSFII), bietet Netzwerkaktivisten aus der ganzen Welt Gelegenheit sich kennen zu lernen und gemeinsame Strategien zum Aufbau freier Kommunikationsinfrastrukturen zu entwickeln und umzusetzen.
Bereits während der freifunk.net summer convention 2004 “fresh air – free networks“ in Djursland, entstand bei einigen Leuten die Idee, vielleicht eines Tages eine ähnliche Veranstaltung außerhalb der reichen Länder Europas und Nordamerikas auf die Beine zu stellen. Die Motivation hierzu resultierte vor allem aus der Tatsache, dass gerade in so genannten „Entwicklungsländern“ das Interesse an kostengünstiger Informationsinfrastruktur besonders groß ist.
Allein nach Djursland kamen über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus mehr als 30 Nationen und 5 Kontinenten. Dies unterstrich das große Verlangen der Menschen aus allen Teilen der Welt, am lokalen und globalen Wissens- und Informationsaustausch zu partizipieren. Hält man sich vor Augen wie vergleichsweise Preiswert man z.B. mit wireless LAN (WLAN) flächendeckende Kommunikationsnetze aufbauen kann, wird schnell klar warum gerade diese Technologie weltweit so viel Hoffnungen und Motivation freisetzt. Erst recht, weil die Installation nicht von großen Firmen oder Organistationen durchgeführt werden muss, sondern die Menschen, sofern sie über das notwendige Know-how und die vergleichsweise geringen finanziellen Mittel verfügen, sich ihre eigenen Netze aufbauen können. Eine Konsequenz aus der Summer Convention 2004 war deshalb auch die Gründung des „Djurslands International Institute of Rural Wireless Broadband“ (DIIRWB). Dort lernen nun Menschen aus allen Teilen der Welt, wie sie gemeinschaftlich ihre eigenen Netze bauen können.
So unterschiedlich die Kulturen dieser Welt und erst recht die konkreten lokalen Bedürfnisse vor Ort auch sein mögen, die Anforderungen an die einander verbindende Infrastruktur sind doch recht gleich. Dies war eine der Lehren, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Djursland in ihre jeweilige Heimat mitnahmen. Einige kannten dieses Gefühl bereits seit der BerLon und den darauf folgenden internationalen Veranstaltungen CopenhagenInterpolation und der ersten freifunk.net summer convention 2003 – eben jener Ursuppe von Veranstaltungen, aus der sich im Jahr 2004 die Idee der World Summits on Free Information Infrastruktures (WSFII – sprich: „wissfi“) – einer weltumspannende Veranstaltungsreihe rund um „Freie Kommunikations-Infrastrukturen“ entwickelte.
WSFII hat einem klaren Fokus auf „Graswurzel“ und „do-it-yourself“, den konsequenten Einsatz von Open-Source-Systemen und die offene und praxisnahe Weitergabe von Wissen bis hin zur gegenseitigen Unterstützung bei der Installation neuer Systeme. Im September 2005 fand in London die erste offizielle WSFII Vorbereitungskonferenz statt. Während des einwöchigen Workshops im Vorfeld der Konferenz arbeiteten zwei internationale Teams an sehr wichtigen Themen. Das so genannte „Book-Sprint-Project“ , initiiert von Tomas Krag aus Dänemark, begann mit der Erstellung eines kostenlosen Lehrbuchs zum Aufbau von Funknetzen, während die „WSFII Organizers Group“ sich mit den Vorbereitung eines ersten World Summits außerhalb der hiesigen Sphären beschäftigte.
Es dauerte noch einige Iterationen bis sowohl das Buch unter dem Titel „Wireless Networking in the Developing World“ fertig gestellt als auch der Veranstaltungsort für WSFII 2006 festgelegt waren. Doch beide Projekte waren ein großer Erfolg. Das Buch kann heute bereits in englischer und spanischer Sprache kostenlos aus dem Internet herunter geladen werden, und die Freifunker dieser Welt treffen sich dieses Jahr zum Airjaldi Summit, gefolgt von 10 Tagen voller Workshops, in Dharamsa, Indien, zum World Summit of Free Information Infrastructures – an einem ganz besonderen Ort, ist dies doch die Exilheimat Ihrer Heiligkeit, des Dalei Lamas, der alle Teilnehmenden herzlich empfangen wird.
Die lokale Infrastruktur in Dharamsala ist ein gutes Beispiel dafür, wie Technologietransfer à la WSFII funktioniert. Der Campus der Tibetischen Exilgesellschaft ist per Wireless LAN mit dem Internet verbunden. Der aus Israel stammende IT Experte Yahel Ben-David und sein Team haben in Indien ein Mesh-Netz gespannt, das ganz ähnlich der freifunk.firmware in Deutschland, auf der Open Source Software OpenWRT (einem internationalen Projekt) und dem OLSR-Protokoll von Andreas Tønnesen aus Norwegen basiert um den Menschen aus Tibet die Kommunikation mit sich und dem Rest der Welt zu ermöglichen. Das geht dann auf ähnliche Weise natürlich auch in anderen Teilen Indiens, Afrikas oder Latein Amerikas und dem Rest der Welt. So klein ist der WSFII-Globus!
Nicht alles ist dauerhaft nur per E-Mail und elektronsicher Kommunikation möglich. Hin und wieder – diese Erfahrung teilen wohl alle „E-Worker“ – muss man sich auch begegnen. Denn erst in der persönlichen Begegnung erlebt man die Gemeinsamkeiten tatsächlich, die die Menschen aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt miteinander verbindet. Treffen sind eine notwendige Voraussetzung, um den Grundstein künftiger Zusammenarbeit zu legen, schaffen Vertrauen und erleichtern Abstimmungs- und Koordinationsprozesse. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst viele engagierte Menschen aus der ganzen Welt nach Dharamsala kommen, um gemeinsam daran zu arbeiten, die Digitale Spaltung in der gesamten Welt zu reduzieren.
Wer selbst nicht im Oktober nach Dharamsala zu kommen vermag, kann doch einen wichtigen Beitrag zum Erfolg dieser Veranstaltung leisten. Die OPLAN Foundation sammelt Geld, um möglichst vielen Entwicklern und Interessierten aus der ganzen Welt die Reise nach Dharamsla zu ermöglichen. Wer also dennoch mithelfen will, dass dieses Treffen ein möglichst großer Erfolg wird, kann und sollte Geld spenden. Das Geld wird vor allem zur Deckung der Reise- und Unterbringungskosten benötigt, aber auch um beispielsweise das Buch „Wireless Networking in the Developing World“ in weitere Sprachen zu übersetzen.
[Von Jürgen Neumann geschrieben]
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