WSIS: Ankunft in Tunis

Endlich in Tunis angekommen nach einer anstrengenden Reise. Wenngleich auch ohne Netz. Aber das ist eine längere Geschichte. Los gings heute morgen um 4h nach einer Stunde Schlaf. Hatte eigentlich mehr eingeplant, aber mein Biorhythmus war da anderer Meinung. Mit dem ÖPNV in der Kälte nach Tegel und da um 6h den Flieger nach Rom genommen. In Rom gab es dann drei Stunden Aufenthalt, die ich mit Zeitunglesen verbrachte. Der nächste Flieger brachte mich dann nach Tunis, wo ich eigentlich auf die anderen Deutschen stossen sollte. Diese hatten einen bequemeren Flug etwas später über Mailand gebucht, aber da stecken sie immer noch fest.
Nebel verhinderte wohl, dass sie ihren Anschlussflieger bekamen. So
hatte ich wenigstens Glück im Unglück. In Tunis angekommen offenbarte sich mir erstmal das Polizeiaufgebot. Überall Soldaten mit Schnellfeuergewehren und das Personal auf dem Flughafen war auch nicht besonders freundlich. Dafür war das Wetter prima, aber ich hatte die falsche Kleidung an. Kein Wunder, wenn man nachts in Berlin startet.

Irgendwie hab ich mich dann zu einem Shuttlebus durchgeschlagen, der mich zum WSIS-Gelände brachte. Da wartete eine sehr lange Schlange auf mich zur Akkreditierung. Bis ich erstmal an der Sicherheitsschleuse angelangt war, schwitze meine Kleidung schon. Aber leider war diese nicht das Ende der Schlange sondern nur der Anfang der nächsten. Also nochmal anstehen, bis ich irgendwann endlich mal an die Reihe kam.

Die Akkreditierung läuft wieder mit Biometrie und RFID wie beim WSIS1. Ein Foto wird in Frontalstellung aufgenommen und die Badges enthalten einen RFID-Chip. (Hab Fotos von der Technik gemacht). Dazu muss man überall detaillierte Daten abgeben, sowohl bei der Ankunft am Flughafen, bei der Akkreditierung und selbst im Hotel gibts wieder eine lange Liste, mit Dingen die sie wissen wollen. Mein „Betreuer“ war sichtlich irritiert, weil von mir schon ein Foto in der Datenbank war. Zuerst dachte ich, dass dieses von einer früheren UNO-Akkreditierung stammen würde, aber irgendwann klärte es sich, dass die Bundesregierung mein Foto vorab geschickt hatte, weil ich in der deutschen Delegation bin. Was aber mein Problem nicht löste, denn ein Badge konnte man mir nicht ausstellen, weil das schon abgeholt wurde. So wurde ich von Person zu Person weiter gereicht, bis sich endlich klärte, dass die deutsche Botschaft mein Badge schon abgeholt hatte. Prima Sache, der Rest hängt in Mailand fest, ich stehe lange unnötig in irgendwelchen Schlangen und dann ist mein Badge irgendwo. Und ich hab keinerlei Kontaktdaten.

Nach einigen weiteren Kontaktpersonen fand ich endlich jemanden, der auch fliessend englisch sprechen konnte und die Nummer der deutschen Botschaft wurde rausgesucht. Eine weitere halbe Stunde verging dabei. Bei der Botschaft war nur der Anrufbeantworter dran, auch keine wirkliche Lösung. Ohne Badge kam ich nicht auf das Gelände, so blieb mir nur der direkte Weg zum Hotel. Mit den vielzähligen Shuttlebussen. Problem war hier nur, dass diese auch nur mit einem Badge bestiegen werden dürfen. Also ständig irgendwelchen Sicherheitsbeamten auf französisch erklären, dass die deutsche Botschaft mein Badge hat und ich nicht weiss, wie ich es bekommen soll. Und trotzdem in mein Hotel muss.

Das klappte irgendwann dann auch und ich wurde mit einem Shuttlebus zum Hotel „Amilcar“ gefahren. Wir hatten eigentlich ein anderes Hotel gebucht, wurden aber zweimal verlegt. Jedes Mal mit der Begründung, das neue Hotel würde unseren Qualitätsansprüchen mehr genügen. Ich hatte dem Hotel mal im Netz hinterher recherchiert und fand nur schlechte Touristenbewertungen. Das diese Kritik in Foren berechtigt war, klärte sich schnell nach Ankunft. Die Verlegung kann somit nicht mit „besserer Qualität“ begründet werden. Zudem stehen in der Hotellobby mehrere männliche Personen in Anzügen mit einem Knopf im Ohr, deutlich erkennbar als Sicherheitsbeamte. Die sind übrigens überall in Tunis, wo ich bisher war. Jetzt hänge ich in dem Hotel fest, komme ohne Badge nicht weg, das Badge soll irgendwann von der deutschen Botschaft hierhin gebracht werden. Das wurde aus Mailand geklärt. Diese Badges liegen nämlich in dem Hotel, in dem die Regierungsvertreter untergebracht sind und es wurde nicht bedacht, dass die zivilgesellschaftlichen Vertreter in der Regierungsdelegation woanders untergebracht sind. Nämlich in Karthago, wo Hannibal mal vor 2000 Jahren sein Reich hatte. Liegt ca. 20min Autofahrt von Tunis entfernt und ist nicht besonders gut vom ÖPNV abgedeckt. Wenn überhaupt.

Nachdem ich den Strand gesehen hatte, wollte ich auch nicht mehr ins Meer, denn der Strand gleicht einer Müllhalde mit Beton davor. Aus Langweile probierte ich mal das Internet in der Hotellobby, was unverschämt teuer ist (fast fünf Euro die Stunde) und komplett zensiert. Viele Seiten wie die von Reporter ohne Grenzen funktionieren nicht, sondern es erscheint eine Fehlermeldung. Mal schauen, wie das Netz auf dem WSIS-Gelände ist. Im Fernsehen gibts die Auswahl zwischen tunesischen Propaganda-Sendern, verschneitem CNN und Vox. Letzteres ist am klarsten zu empfangen, aber qualitativ schlecht. Vor allem Samstag Nachmittags.

Neben den ganzen Sicherheitsmenschen mit Knopf im Ohr ist die Präsenz des Dikators (hier Präsident genannt) sehr auffällig. Der ist einfach überall zu sehen, an Wänden, auf Bannern, an Häusern – der inszenierte Personenkult ist offensichtlich. Und erinnert mich an düstere Filme über Faschismus. Oder Bilder aus Nord-Korea.

Nachdem ich dies in mein Notebook getippt hatte, wollte ich mich nach Tunis durchschlagen. Und treffe in der Hotellobby ein paar Freundinnen und Bekannte von APC. Die wunderbarerweise gleich mit einer UMTS-Karte ein freies Netz aufgebaut haben. Endlich mal Internet. Und nette Menschen aus aller Welt. Wird also doch noch was mit dem angebrochenen Tag.

Später gibts noch Bilder.

Wer mich kontaktieren will: Jabber funktioniert hier, verschlüsselte Mails kommen an, aber das Verschicken klappt nicht über SMTP-SSL. Ich checke später mal VPN / SSH Tunneling, vielleicht klappt dann auch Verschlüsselung.

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