Datenvorratspeicherung bekommt Gegenwind

Die Innen- und Justizminister der EU werden morgen in Newcastle einen neuen Entwurf zur verpflichtenden Speicherung aller Verkehrsdaten für Internet und Telefon diskutieren. Das Papier soll dann nächste Woche in Brüssel in Arbeitsgruppen weiter poliert werden.

Währenddessen wird der Widerstand gegen diese Pläne immer stärker. Die EDRI-Unterschriftensammlung gegen die EU-Pläne hat bereits über 41.000 Unterstützer bekommen. Deutschland liegt inzwischen auf Platz zwei nach den Niederlanden, wo die Kampagne gestartet wurde. Wir können aber ruhig noch ein wenig aufholen! Unterschreiben kann man hier.

Auch die Provider laufen Sturm gehen die Pläne der EU. EuroISPA, eco-Forum und andere werden morgen direkt vor den EU-Ministern ihre Bedenken vortragen, und nächsten Dienstag gibt es in Brüssel ein Treffen zwischen ISPs und EU-Parlamentariern, um sich weiter zu besprechen. BITKOM, VATM und BDI haben ebenfalls kürzlich ihre Position gegen die Pläne veröffentlicht.

Das Europaparlament ist mehrheitlich gegen die Pläne der EU-Minister. Einerseits, weil der Berichterstatter Alexander Alvaro sich massiv gegen die Massenüberwachung der Kommunikation in Europa ausgesprochen hat, zum anderen, weil das Parlament sich übergangen fühlt. Die EU-Minister wollen die Sache als „Rahmenabkommen“ in der Innen- und Justizpolitik durchsetzen, wo das Parlament immer noch keine echten Mitbestimmungsrechte hat. Am 21. September wird die Kommission ihren Entwurf für eine EU-Richtlinie veröffentlichen. Einen Entwurf dafür hat EDRI schon vor Wochen veröffentlicht. Hier könnte das Parlament zwar ein Veto einlegen, dafür ist der Entwurf der Kommission teilweise noch schärfer als der der Minister. Viele Abgeordnete haben inzwischen auch den Eindruck, die britische EU-Präsidentschaft geht zu weit. Innenminister Clarke hat ja gerade gefordert, die Europäische Menschenrechtskonvention einzuschränken (via Rabenhorst). Dieser Schritt könnte für die britische Regierung nach hinten losgehen, zumal selbst der Präsident des europäischen Polizisten-Verbandes EuroCOP sagt, dass Data Retention nichts bringen wird.

EDRI, Privacy International und andere werden nächste Woche vor der Weltkonferenz der Datenschutzbeauftragten in Montreux eine eigene Veranstaltung zu Datenvorratsspeicherung und Biometrie durchführen. Ich werde das Panel zu Data Retention moderieren. Besonders freut mich, dass unter anderem Hielke Hijmans zugesagt hat, der gerade die Stellungnahme des EU-Datenschutzbeauftragten Hustinx zur Datenvorratsspeicherung vorbereitet.

Wenn es gelingt, die „Regenbogen-Koalition“ von Europaabgeordneten, Industrie und Cyber-Rights Gruppen zusammenzuhalten und vielleicht noch die Verbraucherschützer und Organisationen wie Amnestie für das Thema zu interessieren, haben wir gute Chancen, dass die Massenüberwachung in der EU nicht passieren wird. Zumal auch die Mitgliedsstaaten noch zu uneinig sind bezüglich der Speicherfristen und vieler Details. Es wird auf jeden Fall ein heisser Herbst! Hilfe und Spenden sind dabei sehr willkommen. Aktionsideen, viele Hintergrundinfos und auch deutsche Banner gibt es im Kampagnen-Wiki .

3 Ergänzungen

  1. Es ist schon erstaunlich, was bei genauerer Betrachtung den Ausschlag gibt. Nicht etwa der Widerstand von freiheitsliebenden Bürgern, Parteien und Verbänden, sondern das schnöde Geld ist es, was das Ganze bremst. Die gigantischen Kosten für diese schwachsinnige Datenspeicherung sind es, die die Pläne unseres cholerischen Innenministers und seiner brünettblonden Kollegin aus der Justiz behindern, d.h. die Industrie organisisert *deswegen* ihren Widerstand.
    Es bleibt wie es immer war: Geld regiert die Welt. ;)

  2. Es ist nicht nur das Geld. Vor allem die EP-Abgeordneten sind aus menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Erwägungen gegen diese Massenüberwachung. Die Erfahrung zeigt, dass wir dann erfolgreich sind, wenn es verschiedene Gruppen mit verschiedenen Gründen gibt, die das gleiche wollen bzw. nicht wollen.

  3. Geld ist hier keine Nebensache sondern von grundsätzlicher Bedeutung. Sicherheit ist in NL mittlerweile fast politisches Thema Nummer eins. Und diese Maßnahme erlaubt es den Poliktikern „kräftig“ zu handeln ohne das es zum Lasten der Haushalt geht! Aber indirekt werden natürlich unzählige Internet-Benutzer zahlen für diese Maßnahmen. Letzen Endes ist das auch Geld das demnächst nicht mehr verfügbar ist für bessere gesellschäftliche Zwecke! Hat man je berechnet wieviel ein zusätzliche Verbrecher kosten wird die mit Hilfe der Terabytes von Daten gefasst wird? Übrigens wurde es mir nicht wundern wenn Computerspeicherhersteller lobbyen für diese Pläne. Pro Megabyte werden Plattenspeicher immer billiger, schneller als die Nachfrage zunimmt. Deshalb wäre is für diese Hersteller ein Geschenk aus dem Himmel wenn diese Gesetzgebung eingeführt wird.

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