EFF-Einschätzung zu Verizon/Google

Zur großen Verizon/Google-Debatte hat sich jetzt die Electronic Frontier Foundation zu Wort gemeldet und den Vorschlag zur Definition der Netzneutralität detailliert bewertet.

Die Bewertungskategorien gehen von „gut“ über „interessant“ und „besorgniserregend“ zum „Fail“.

Gut: Begrenzter Einfluss der Federal Communications Commission (FCC)

Die FCC soll nicht mit breiten Befugnissen ausgestattet werden, sondern engdefinierte Prinzipien zu Verbraucherschutz und Nicht-Diskrimination aufrechterhalten. Das soll sie nicht nach Gutdünken, sondern auf Antrag tun. Eine Verletzung der Netzneutralität wäre somit eine Art Antragsdelikt. Dies klingt für die EFF nach einem guten Schritt um zu verhindern, dass die FCC irgendwann zur Anstandspolizei oder einer Innovationsbremse werde (wie von vielen befürchtet wird).

Weiterhin werden Software, Inhalte und Dienste von der FCC-Regulation ausgenommen. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, allerdings war die FCC bis vor kurzem zum Beispiel auch für die Strafen an Sender, in denen schmutzige Wörter gesagt wurden, zuständig. Dieses Gesetz wurde erst am 13 Juli 2010 wieder einkassiert, daher die Befürchtungen einiger Kritiker.

Etwas komisch findet man bei der EFF, dass private (‚außergerichtliche‘) Konfliktlösungen ohne Beteiligung des Staates vorgeschlagen werden.

Interessant: Standardisierungsgremien

Google et al. schlagen zur Definition von Standards eine „unabhängige, allgemein anerkannte Regierungsinitiative oder Standardisierungs-Organisation aus der Internet Community“ (independent, widely recognized Internet community governance initiative or standard-setting organization) vor.

Die EFF stimmt zu, dass solche unabhängigen Gremien eher einem schlechten Standard widerstehen können, als uninformierte Politiker, sie seien aber auch nicht immun gegen schlechte Ideen, wie die US-Diskussionen um Digital Rights Management (DRM) und E-voting gezeigt hätten. Häufig seien diese Standards ohne Einfluss von Konsumenten oder „kleinen“ Innovationen mehr oder weniger im stillen Kämmerlein ausgearbeitet worden. Die EFF hätte hier noch gerne die Transparenz gesichert, um zu sichern, dass nicht nur die Interessen der Entwickler gewahrt werden.

Beunruhigend: ‚Vernünftiges‘ Network Management & ‚zusätzliche‘ Online-Services

Der Begriff „reasonable network management“ müsse konkretisiert werden. Es sei zwar zu begrüßen, wenn Standardisierungsgremien an dieser Diskussion beteiligt seien, aber was genau ein Netzwerk dabei „reasonable“ mache, solle schon definiert ein. Für die EFF gelte als Screening-Frage für jeden Netzneutralitätsvorschlag: „Hätte er verhindert, dass ComCast BitTorrent behindert?“ Wegen der unklar definierten Ausnahmen sei man sich bei diesem Vorschlag nicht so sicher. Eine Ausnahme erlaube zum Beispiel dem ISP „andernfalls die täglichen Abläufe seines Netzwerks zu verwalten“ – was alles, oder auch nichts bedeuten kann.

Fail: „gesetzesgemäße Inhalte“ und der Ausschluss des mobilen Internets

Die Nichtdiskriminierung (also die Gleichberechtigung aller Pakete, und damit der Kernpunkt der Netzneutralität) ist limitiert auf „gesetzesgemäßen Inhalt“ („lawful content“), so dass Unterhaltungsindustrie und Ermittlungsbehörden die Möglichkeit bekämen „freie Meinungsäußerungen und Innovationen zu be- oder verhindern“. Die EFF verweist auf ihre „real net neutrality-Kampagne“, und die früheren Bemühungen der Rechteindustrie, ein Copyright-Schlupfloch zu etablieren. Im Klartext: So lange dein ISP sagen kann, er verhindere Urheberrechtsverletzungen oder helfe den Ermittlungsbehörden, kann er Einfluss nehmen, wie er will. Somit hätte sich dann auch die Frage nach ComCast vs. BitTorrent wahrscheinlich erledigt.

Kabellose ISPs werden von allen Regeln außer der der Transparenz befreit. Dies sei nicht nur sinnlos, sondern schließe auch explizit den „Teil“ aus, in dem Transparenz und Neutralität im Moment die größten Probleme haben. Egal, was für eine Neutralität angestrebt wird, eine Unterscheidung nach Anschlussart sei inakzeptabel.

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