Der Spiegelfechter hat einen lesenswerten Artikel zu genau dieser Frage verfasst. Lest ihn bitte, bevor ihr hier weiterlest.
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Ich habe dort gerade kommentiert, dass ich deutlich skeptischer mit solchen historischen Vergleichen umgehen würde. Hier der Kommentar auch nochmal zum nachlesen :
Es gibt durchaus gewichtige Unterschiede zwischen den Grünen und den Piraten. Die Grünen sind ein später Ausfluss der 68er-Auseinandersetzungen, in deren Gefolge bereits eine ganze Generation junger Leute hochgradig politisiert war und auch Erfahrungen in konkreter politischer Arbeit (die oft auch dreckig ist) gesammelt hatte. Zudem waren die Grünen der parlamentarische Arm mehrerer sozialer Bewegungen: Friedensbewegung, Umweltbewegung, Frauenbewegung, …
Für die Piraten ist m.E. noch nicht klar, ob das sie stützende und wählende Milieu überhaupt schon eine soziale Bewegung darstellt, die wenn überhaupt eine Ein-Punkt-Bewegung (Freiheit fürs Netz!) ist. Und ob diese Bewegung in den kurzen Jahren ihrer Existenz (ich nehme mal die erste Großdemo “Freiheit statt Angst” im September 2007 und die Massenklage gegen die Vorratsdatenspeicherung Anfang 2008 als Beginn) bereits genügend verankert ist und auch in der Breite weiß, wie man dauerhaft und substanziell Politik macht. Was “uns” als Generation C64 oder Generation Linux darüber hinaus noch fehlt, sind die wirklich harten politischen Debatten und z.B. “unser” Vietnam-Kongress.
Auf der anderen Seite geht das heute alles offenbar deutlich schneller (siehe die Zensursula-Petition), dezentraler und vielleicht sogar ohne viele Kongresse.
Mit historischen Vergleichen muss man hier also insgesamt extrem vorsichtig sein. Dennoch werden die Piraten Einfluss haben auf die Positionen der etablierten Parteien. Die Grünen und die FDP bewegen sich seit ca. zwei Jahren wieder stärker Richtung Bürgerrechte, in der SPD gibt es auf den letzten Drücker endlich innerparteilichen Protest gegen Zensursula. Aber ob das alles nach der Bundestagswahl Bestand hat oder verpufft, und ob die Piraten in der Lage sein werden, die Durststrecke bis zur Bundestagswahl 2013 zu überwinden, ist m.E. noch völlig offen. Es kann auch sein, dass der Protest dazu beiträgt, die Themen in den etablierten Parteien zu verankern und damit den Piraten das Wasser unter dem Kiel abzugraben.
Daher sollen wir besser darüber reden, wie die außerparlamentarische Freiheits-Bewegung breiter und inhaltlich substanzieller aufgestellt werden kann, bevor wir schon anfangen, das Fell des Bären in Form von noch nicht gewonnenen Bundestagssitzen an eine extrem junge und unerfahrene Partei zu verteilen.
Daher: Am 12. September auf die Straße in Berlin. Freiheit statt Angst!
Ich glaube, das entscheidende bei den Piraten ist derzeit, dass sie eine weitere Möglichkeit bietet, den eigenen Interessen Gewicht zu verleihen.
Zusätzlich zu der Petition der Netzsperren, den Aktionen des AK Vorrat/Zensur, zusätzlich zu der Arbeit der diversen Vereine, die sich um Anliegen des bewegten und unbewegten Datenverkehrs kümmern, gibt es hier einen weiteren Baustein für eine andere Politik.
Ein grundlegend anderes Verständnis der direkten politischen Beteiligung, rechtfertigen auch den Status als eigene Partei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine derzeit existierende Partei so stark verändern lassen würde, dass die Basis ohne mühselige Initiativanträge zu ihrem Recht kommt, und den Kurs bestimmt.
Die Möglichkeiten heute sind andere, als noch vor ein paar Jahren. Diese zu nutzen, und für eine starke partizipartive demokratische Beteiligung zu sorgen, wird meines Erachtens nur die Piratenpartei schaffen.
Ich habe bei der Europawahl die Piraten gewählt. Und wahrscheinlich gehöre ich zur Generation C64. Aber der Vergleich mit den Grünen hängt ganz gewaltig, zumindest wenn ich mir meine eigenen Motive so ansehe. Durch diesen unglücklichen Begriff „Generation C64“ wird nämlich sugeriert, es ginge hier um eine Netz-Ideologie, der ich als Wähler anhänge. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Ich finde die Piraten angenehm ideologiefrei (im Gegensatz zu den Grünen). Und ich habe mir über Zensursula nicht derart aufgeregt, weil sie mein Internet kaputt macht, sondern weil es da um mein Grundgesetz geht.
Bei den Piraten hatte ich das Gefühl, in guten Händen zu sein, weil dort die nackte Vernunft zu regieren scheint. Hier geht es nicht um die Vertretung einer Lobbygruppe, schon gar nicht um die Durchsetzung einer Ideologie. Zudem geben sie mir das Gefühl, dass es dort Leute gibt, die mit Zahlen umgehen können, was leider eher die Ausnahme ist.
Sehe ich auch so. Hatte ich auch schon mal angeschnitten, daß alleine schon die Namensgebung „Piraten“ oder „Die Guten“ der Masse sehr suspekt erscheinen muß.
Den Achtungserfolg bei den Europawahlen will ich gar nicht bestreiten, aber schauen wir mal in die Kommunen, bspw. bei der gleichzeitig stattgefundenen Kommunalwahl in Sachsen.
Piraten: 0 (in Worten: Null). Und ich denke, ohne Verankerung in Kommunen und Ländern wären Bundespiraten eine Dame ohne Unterleib… – Im Gegensatz zu den freien Wählervereinigungen, die enorme Zuwächse verzeichneten.
http://www.statistik.sachsen.de/wpr_neu/pkg_w04_nav.prc_index?p_anw_kz=GR09
Ob die Piraten schon die neuen Grünen sind, lasse ich mal offen, aber dass wir hier den ersten parteipolitischen Arm der neuen – zunächst außerparlamentarischen – Opposition sehen, dürfte eine korrekte Beobachtung sein.
Außerparlamentarische Opposition ist ein typisches Resultat der Großen Koalition, die mit ihrer stabilen Mehrheit im Parlament tun und lassen kann, was sie will.
„Piraten: 0 (in Worten: Null). Und ich denke, ohne Verankerung in Kommunen und Ländern wären Bundespiraten eine Dame ohne Unterleib… – Im Gegensatz zu den freien Wählervereinigungen, die enorme Zuwächse verzeichneten.“
Tja, wie willst du mit so einer kleinen Mitgliederzahl bereits jetzt auf kommunaler Ebene Listen aufstellen? Da bieten sich eben nur Freie Wählervereinigungen an. Bei uns im Dorf schaffen es nicht einmal die großen Parteien (SPD, CDU), eine Liste zu stellen.
PS: Wird das Captcha bei netzpolitik jetzt nicht langsam etwas abartig? Also erst zwei Wörter eintippen, um dann noch einen Text kopieren zu dürfen, finde ich doch SEHR benutzerunfreundlich.
Wenn die etablierten Parteien die Positionen der Piratenpartei übernehmen und auch Glaubhaft vertreten, dann ist das Ziel der Piraten erreicht und es gäbe, in meinen Augen, keinen Grund mehr für die Partei.
Da dies aber zu bezweifeln ist… mal sehen wohin das ganze noch führt. Ich wähl gerne die Piraten in die Opposition, auch wenn das einzige was sie dort machen können das bringen von Einwänden und Kritik ist. Immerhin muss ihnen jemand zuhören wenn sie im Bundestag sitzen :)
Die Analyse und Kommentierung von Ralf teile ich voll und ganz. Das ist echt was anderes gerade als die Situation bei der Gründung der Grünen war. Und man sollte nicht vergessen, dass der mediale Hype im Moment vor allem wegen Schweden kommt. Und dort die Situation noch eine andere ist.
Werde hierzu auch noch einen Artikel verfassen.
Meine Meinung: Die Piraten sind nicht die neuen Grünen. Ich würde mich ansonsten schon längst bei den Piraten engagieren, denn ich finde die Themen, die sie bearbeiten, wichtig. Ich bearbeite die Themen aber lieber in den Grünen, da findet das genauso statt.
in der Diskussion wird immer wieder vergessen: Die Grünen sind eine Erfolgsstory, die aber von Sutzenden Misserfolgen flankiert wird. Zu jeder einzelnen Bundestagswahl treten neue Parteien an, die tatsächlich einen Punkt haben und deren Haupt-Anliegen sicher bedenkenswert ist. Damit eine solche Partei auch zum Erfolg werden kann, braucht es sehr viel – von den geeigneten Führungspersonen bis zu der Öffnung einer dauerhaften Flanke im bisherigen Parteiensystem.
Es wäre schön eine oder mehrere Parteien zu haben, die verstehen dass das Internet eine Lebenswelt ist und wie man mit den neuen Freiheiten kompetent umgeht.
Ob die Piratenpartei allerdings fähig ist, die Interessen ihrer Wähler kompetent zu vertreten, geeignete Konzepte zu entwickeln und auch durchzusetzen, steht aber auf einem ganz anderen Papier. Bis zum Bundesparteitag im Juli müssen die Piraten kräftig nacharbeiten – sonst bin ich da sehr pessimistisch.
Nachtrag: Meiner Meinung resultiert die Fehlperzeption vieler, die Piraten seien „die neuen Grünen“ daraus, dass sie vermuten, dass die Grünen bei ihrer Gründung eine Ein-Themen-Partei waren (Umwelt).
Das ist sachlich falsch: Die Grünen waren auch bei ihrer Gründung ein Sammelbecken auf unterschiedlichsten Bewegungs-Menschen (Frieden, Frauen, Anti-Überwachung, etc), Kommunisten, Ökos, Alternative, Spontis, … Die Grünen waren eine Anti-Parteien-Partei, die von einem sehr breiten gesellschaftlichen Spektrum getragen wurde.
Das ist bei den Piraten nicht der Fall, da sie offenbar weiterhin darauf Wert legen, nur ein Thema (Internet und Digitales) zu bearbeiten.
Werde erstmal zehn Minuten etwas arbeiten und dann den Artikel des „Spiegelfechters“ lesen. Spannende Debatte, trotz der aus meiner Sicht unrichtigen Vergleiche.
Wie ich bereits in einem anderen Artikel kommentierte, gehe ich mit den meisten hier d’accord, dass die Piraten zumindest Ausdruck einer neuen gesellschaftlichen Bewegung sind. Allerdings sehe ich, genau wie Ralf, die Bewegung, wenn sie denn überhaupt schon eine ist, erst ganz am Anfang. Von den Ostermärschen bis zum Einzug ins Länderparlament hat es tatsächlich eine Menge mehr gebraucht
wie Ralf schon schrieb.
Die Identitätsfindung zum Zusammenschluss verschiedener inhomogener Interessen zu einer gesellschaftlichen Gruppe mit Vertretungsanspruch ist erst am Anfang. Trotzdem sehe ich auch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es eine nachhaltige Mobilisierung der Netizens wird, sehr hoch ist: Es gibt eindeutig eine neue Lebenswirklichkeit für viele Mitglieder der Gesellschaft, die im etablierten politischen Spektrum überhaupt nicht repräsentiert ist.
Sorry, du bist in meinen Augen in Fragen „Grüne“ leider nicht glaubwuerdig.
@Max (15): Falls sich dein Kommentar auf mich bezieht: Was hat das mit den dargelegten Argumenten zu tun? Die sollten auch ohne Kenntnis des Autors tragen können oder eben nicht. Geh bitte darauf ein und lass nicht nur so einen Spruch los. Danke.
Ansonsten: Ich war nie Mitglied irgendeiner Partei und habe auch nicht vor, das zu ändern.
Ich sehe die Grünen als das jüngste und letzte Kind der Moderne. Wenn man sich das mal genau ansieht, waren sie doch eine Antwort auf die überhebliche Zusammenschmelzung von Kapital, Arbeit und Energiewirtschaft angesichts grosser Umweltbelastungen. Oder so.
Die Piraten (alleine schon der Name!) sehe ich als Kind der Postmoderne, wo halt eben alles durch geht. Die heutigen Kinder werden noch was ganz anderes zustande kriegen, aber darüber wage ich nicht nachzudenken.
Schon wieder wird der Unsinn von der Kaste der Generation C64 oder Generation Linux verbreitet.
Was haben Bürgerrechte, was hat Vernunft mit den C64-Usern zun tun ???
Ralf, daß Du das skeptisch siehst, wundert mich wenig: Du bist doch Grünen-Mitglied – mithin nicht gerade unvoreingenommen -, oder?
@Martin Schröder (19):
Siehe den Kommentar direkt vor deinem.
Hört doch mal auf, hier zu behaupten, dass Ralf Grünen-Mitglied sei. Das hat er sogar hier in der Diskussion schon von sich gewiesen. Ich kann das bestätigen.
Ich fände es super, wenn ein kompetenter Mensch wie Ralf Grünen-Mitglied wäre. Er ist es aber (leider) nicht.
Ich glaube, es gibt einen wichtigen Aspekt, der die Unterstützer der Piratenpartei vereint, und der bisher noch kaum direkte Beachtung gefunden hat.
Überall im Netz wird diskutiert über die Lügen der „Zensursula“, wird darüber geschimpft, dass Politiker durch Fehlinformationen versuchen, Gesetze durchzupeitschen. Die Wut über die Dreistigkeit, mit der Unwahrheiten verbreitet werden, vereint die „Netzgemeinde“.
Was im Umkehrschluss bedeutet: Es existiert eine Sehnsucht nach einer Politik der Wahrheit.
Und die kann es nur geben, wenn entsprechende Regelungen eingeführt werden. Politiker müssen Konsequenzen für ihr Handeln tragen. Wer öffentlich, wissentlich Lügen verbreitet, muss gezwungen werden, sein Amt niederzulegen.
Ich glaube, dass es praktisch niemanden gibt, der „pro Piraten“ bzw. „contra Zensursula“ ist, der dem nicht zustimmen würde.