Review: Staat surft mit – Journalisten unter Generalverdacht

Gestern Abend gab es die Diskussion „Staat surft mit – Journalisten unter Generalverdacht?“ in Berlin. Ich war nicht da, aber hier sind einige Berichte aus dem Netz dazu.

Heise: SPD-Sprecher: Online-Durchsuchungen kommen auf jeden Fall.

Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ließ am gestrigen Dienstag bei einer Diskussion unter dem Aufhänger „Staat surft mit“ keinen Zweifel an seinem Segen für den Bundestrojaner: „Das werden wir selbstverständlich machen, allerdings mit klarer Rechtsgrundlage“, betonte der Abgeordnete zum Streitthema Online-Durchsuchungen auf der Tagung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin. „Das Internet ist eine Welt, in der jede Sauerei dieser Welt stattfindet“, begründete der Innenexperte sein Plädoyer. Die Koalition werde daher „mit Augenmaß das Erforderliche tun, um diese Sauereien zu bekämpfen.“ Die „Gespensterdebatten“ von Datenschützern und anderen Gegnern einer weiteren Befugnis zur staatlichen Bespitzelung versteht Wiefelspütz dagegen nicht. Da werde immer so getan, „als wären wir ein Überwachungsstaat“. Dabei fordere hierzulande niemand Folter oder Guantanamo.

Telepolis: „Das Internet ist eine Welt, in der jede Sauerei stattfindet“.

Jörg Ziercke: „Wir haben das Problem der Kryptierung und Anonymisierung. Wenn Sie heute eine Festplatte mit 300 Gigabyte verschlüsselt haben, können Sie diese praktisch nicht entschlüsseln. Das World Wide Web wird zunehmend zum eigentlichen Speicherplatz, nicht mehr der häusliche PC. Wir können bei schwersten Straftaten nur mitgehen, wenn der Richter die Anordnung gibt, wenn der Staatsanwalt das überwacht und der Bundesdatenschützer das ganze kontrolliert.“

Doch schon bei der Diskussion, noch bevor es überhaupt einen konkreten Referentenentwurf im Parlament gibt, winkt Peter Schaar, der derzeitige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, ab. Die Erfahrungen im europäischen Ausland lassen Zweifel an der Überwachbarkeit von schwersten Straftaten aufkommen. „Praktisch kann ich mir das nicht vorstellen, weil die Kriminellen sich zu schützen verstehen. Was ist die nächste Stufe? Wir haben eine immer währende Aufrüstung. Die Befugnisse, wenn sie einmal erteilt werden, werden nicht zurückgenommen“, warnt Schaar. Auch die so genannte Kontodaten-Überwachung sollte terroristische Tätigkeiten anhand von signifikanten Geldflüssen erkennbar werden lassen. Bereits zwei Jahre später sei das Verfahren auf alle Finanzämter ausgeweitet worden. „Da frage ich mich, wo ist da die Grenze?“, mahnt der Bundesdatenschützer.

Währenddessen verkündet die FDP-Fraktion:

Die Bundesregierung hält schon bisher Online-Durchsuchungen ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage für rechtmäßig. Das ergab eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Innenexperten Hartfrid WOLFF.
[…]
Offenbar hat die Regierung die Öffentlichkeit in der Diskussion um Online-Durchsuchungen bisher getäuscht. Auf die Frage nach der gesetzlichen Grundlage zu den von Bundesinnenminister Schäuble verlangten Online-Durchsuchungen hat die Bundesregierung erklärt, das Bundesamt für Verfassungsschutz habe schon jetzt das Recht zu Online-Durchsuchungen.
Die Regierung bezieht sich dabei auf § 8 Abs. 2 des Bundes-verfassungsschutz-Gesetzes. Dessen Wortlaut benennt explizit zulässige Methoden der Informationsbeschaffung, sieht ausdrücklich allerdings keine Onlinedurchsuchungen vor.
Ob das als rechtliche Grundlage ausreicht, ist mehr als zweifelhaft, wie das Innenministerium ja auch sofort einräumt. Die Bundesregierung erweckt mit dieser Aussage allerdings den Verdacht, dass sie umfangreicher als bisher zugegeben Online-Durchsuchungen praktiziert hat, ohne dass es eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür gibt.

Schizophren? Hartfrid WOLFF ist übrigens nicht verwandt mit Innenminister Ingo Wolf (auch FDP), der die Online-Durchsuchung ohne Bedenken in NRW legalisiert hat.

news.aktuell hatte nicht nur zur Diskussion eingeladen, sondern hat auch ein paar Stimmen als Zitate gesammelt und veröffentlicht: Journalisten fürchten um den Informantenschutz.

Einen Blogbericht gibt es noch bei BlackblogX.

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