Im Rahmen der Serie „Ethics Matter“ des Carnegie Council for Ethics in International Affairs sprach bereits im August letzten Jahres der Wissenschaftler, Autor und Novellist Douglas Rushkoff über den Umgang mit digitalen Medien, deren Einfluss auf unsere Gesellschaft und die darin lebenden Individuen.
Douglas Rushkoffs Grundaussage ist, dass die technologischen Entwicklungen, von der Fernbedienung bis zu Twitter, frontale zu interaktiven Medien gemacht haben. Welchen Einfluss jedoch die Interaktion auf uns nimmt und wer daraus tatsächlich Profit schlägt, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Rushkoff beschreibt seine erste Erfahrung mit Computern als eine sehr prägendes Ereignis für seine weitere Denkweise. Als er seine erste Datei speichern wollte, frage ihn der PC, ob er es als „read-only“ oder „read/write“-Datei abspeichern möchte. Beide Varianten sind heute sehr geläufig, aber für ihn sei dies der Moment gewesen, in dem er feststelle, dass er in einem „read-only Medienuniversum“ lebte. Diesen Gedanken strickte Rushkoff weiter und begann alles mit einem, wie er es nennt „read/write“-Bewusstsein zu betrachten. Geld, beispielsweise, ist ein „read“-only Medium, wir können es benutzen, aber nicht selbst drucken oder beeinflussen.
Durch Heimcomputer und vor allem durch das Aufkommen des Internets veränderten sich „die Medien“, welche zuvor nur von einem kleinen Kreis gemacht und gesendet wurden, sodass es den RezipientInnen lediglich möglich war sie zu konsumieren.
Nicht nur, dass es theoretisch vielen Menschen möglich wurde, sich einzubringen und ein „read-only“-Universum in ein „read/write“-Universum zu verwandeln, auch die Technologien und die Formate passten sich dahingehend an.
Dabei geht es nicht nur darum die eigene Meinung ins Netz zu schreiben, Videos bei YouTube hochzuladen oder auf Facebook und Twitter seine Statusnachrichten zu posten. Die Möglichkeit frei zu entscheiden welcher Information man sich zuwendet und aus wessen Feder wir lesen möchten ist ebenfalls ein Aspekt dieser Teilhabe.
Rushkoff bezeichnet die Fernbedienung als die erste Form der Interaktion mit Medien. Es war einfacher möglich den Sender umzuschalten, wenn Werbung kam oder etwas, dass nicht gesehen werden wollte. Statt, wie bis dato, aufstehen zu müssen, um die Antennen während des Umschaltens neu zu justieren. Die Entscheidung, etwas nicht zu konsumieren kann beinahe ohne Zeitverzögerung durchgesetzt werden und gleichermaßen wurde es möglich einen breiteren Blick auf die Programme anderer Sendern zu erhalten.
Die Demystifizierung des Bildschirms
Die Entwicklung der Fernbedienung und später des Joysticks und der Tastatur dekonstruierten, laut Rushkoff, die Inhalte und überwanden die Mystik des Bildschirms, sodass der PC zu einem Do-it-yourself-Medium wurde.
„For me digital technology was like LSD, I was like „oh my god, it’s a read/write universe, we are constructing reality. And then I see kids today, you know, they are using Facebook or WordPress or digital Technology and it is the equivalent of taking acid in the AC/DC parking lot. I mean there is no insight associated with it they accept it […] We know that Facebook is not there to make kids help friends, its there to monetize the kid’s social graph.“
Darüberhinaus spricht Rushkoff über seine Wahrnehmung der Entwertung all dessen, was uns im Jetzt umgibt und passiert, denn es wird im Vergleich zu dem wahrgenommen was passieren sollte – all dem was sich auf der anderen Seite der Bildschirme befindet. Seine Auffassung ist, dass der Moment durch die partizipativen digitalen Medien gestört wird:
„The moment I’m in and this is were I get kind of Marxist about it, the moment we’re actually in can’t be marketed, it is not a market phenomenon were as every time we are creating data with out device we are contributing to the turn.“
Die digitalen Technologien, das Internet und der Computer waren oder sind vielleicht immer noch die Träger der inhärenten Möglichkeit unsere Arbeit effektiver zu gestalten, so dass wir in der Lage wären, mehr freie Zeit für uns zu generieren. Vieles könnte schneller erledigt werden, aber stattdessen wurden sie dafür verwendet, sterbende Märkte am Leben zu erhalten, neue zu schaffen und vor allem Webseiten zu kreieren, die dafür designt sind, dass die User Stunden auf ihr verbringen. Bekannte Beispiele sind dafür nicht nur soziale Netzwerke, sondern auch Webseiten wie Buzzfeed. Unsere Aufmerksamkeit wurde zum neuen Wirtschaftsgut. Statt die Möglichkeiten zu nutzen, nach eigenem Biorythmus und eigenen Tempo zu arbeiten, um mehr Zeit für uns selbst zu schaffen, haben wir begonnen, die Geräte überall mit hinzunehmen und sie quasi an uns zu binden (vielleicht binden wir uns aber viel mehr an sie).
„We live in this state of perpetual emergency interruption. […]
This is not an appropriate response to a technology, this is maladaptation.“
Rushkoff vergleicht diese permanente Unterbrechung mit der Arbeit von FluglotsInnen. Eine hohe kognitive Fähigkeit, die sich ständig neu adaptieren muss. Diese sind dieser Belastung aber nur wenige Stunden am Stück ausgesetzt, während sie sich im Umgang mit digitalen Technologien langsam zu einem Lifestyle entwickelt. Das Handy sollte es ermöglichen, immer und überall erreichbar zu sein. Neuen Technologien machen es zudem möglich permanente Informationen abzurufen. Sicherlich hat dies auch Auswirkungen auf unser Nervensystem. Als Beispiel nennt Rushkoff das „Phantom Vibration Syndrome“ – die Annahme, dass das Telefon in der Hosentasche vibrierte, obwohl es in einem anderen Raum lag. Durch ständige, unregelmäßige Unterbrechungen könnte ebenso die Fähigkeit leiden, tiefgreifend über etwas nachzudenken.
Dennoch verweist Rushkoff darauf, dass die Medien aufgrund der Interaktion weniger manipulativ sein können – die interaktive Revolution wurde so zu einer Revolution der Informationen. Das vollständige Interview, in welchem er auch erklärt, inwiefern dies alles mit der Occupy-Bewegung und individuellen Biorythmen zusammenhängt, gibt es bei YouTube.
Sowas wie Occupy wird bestimmt nicht nochmal passieren, das was gelesen wird kann man ja durchaus den herrschenden Interessen entsprechend filtern ohne das es die Leser überhaupt merken. Wenn also die Read/Write Gesellschaft von einigen wenigen Strukturanbietern bestimmt wird dann könnten diese Effekte eben auch wieder relativiert werden. Hinzu kommen die Möglichkeiten der Überwachung, wir werden von anderen Gelesen und könnten auch genauso durch die Kontrolle des Informationsflusses geschrieben werden. Denn die Information die wir aufnehmen prägt unser Bewustsein, mit wachsender Möglichkeit der personalisierten Filterung im Staatlichen oder Privaten Interesse (Werbung) sind wir dann vielleicht noch eine Read/Write Gesellschaft, das was aber nicht der herrschenden Ideologie der herrschenden Klasse entspricht wird dann nur noch irgendwo in einem unbedeutenden Filterbubble stattfinden, ausgeblendet aus dem kollektiven Bewusstsein.
Dann können wir zwar alle kritisch unsere Meinung äußern, wenn diese dann aber so gut wie niemand liest weil die sozialen Netzwerke eben lieber Werbung und Smalltalk verbreiten als rebellische Inhalte. Dann haben wir zwar absolute Meinungsfreiheit die im Grunde jedoch völlig wertlos ist weil sie keinerlei Reichweite erzielt. Hier entsteht lediglich ein neues Herrschaftssystem aber keine neue Freiheit.