Seit dem 23. Juni 2013 befindet sich Edward Snowden nach seiner Flucht aus Hong Kong in Russland, er hatte dort ab dem 1. August 2013 Asyl für ein Jahr gewährt bekommen. Dieses Asyl ist mit dem heutigen Tag ausgelaufen. Verlängerung hat Snowden beantragt, eine Entscheidung steht noch aus und wird aber in Kürze erwartet. Russland ist mitnichten das einzige Land, in dem Snowden um Aufnahme gebeten hat. Während seines vorübergehenden Aufenthaltes am Moskauer Flughafen bat er 21 Ländern um Zuflucht. Es hatten sich auch Ecuador, Bolivien, Nicaragua und Venezuela angeboten, Snowden waren jedoch seine Papiere weggenommen worden, was eine Reise unmöglich machte.
Auch an Deutschland richtete Snowden einen Asylantrag, der aufgrund nicht vorliegender Gründe abgelehnt worden war. Immer noch sind die Debatten kontrovers und vor allem die Oppositionsparteien fordern eine Anhörung Snowdens vor NSA-Untersuchungsausschuss und zwar mit der Garantie auf eine sichere Aufnahme in Deutschland. Andere verweigern sich, teils um die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht zu belasten, teils mit der Ausrede, Snowden habe nichts Relevantes mehr zu erzählen. Zum heutigen Tag wird es wieder viele Stellungnahmen und Aussagen zu der Asylfrage geben, wir werden versuchen, hier einen Überblick zu erstellen.
Bereits Anfang der Woche hat Justizminister Maas bevormundend erklärt, Snowden solle am besten in die USA zurück gehen, denn:
Er ist erst Anfang 30 und will sicher nicht den Rest seines Lebens auf der ganzen Welt gejagt werden oder von einem Asyl zum nächsten wandern.
Heribert Prantl kommentiert dazu und zum generellen passiven Verhalten innerhalb der EU bei der SZ:
Die EU, die sich „Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit“ nennt, ist auch ein Raum der Feigheit; sie traut sich nicht, Snowden irgendeinen Schutz angedeihen zu lasse […] Minister Maas verlangt von Snowden ein Vielfaches des Mutes, den er, Maas, selbst nicht aufbringt, um sich für Schutz und Sicherheit Snowdens einzusetzen. Es wächst offenbar das politische Phlegma gegenüber dessen Schicksal.
Maas hat bei der Opposition, die in der Vergangenheit immer wieder versuchte, Snowden die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, einen merklichen Aufschrei ausgelöst. Sie drohte damit, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, wenn die Regierung sich weiter einer Aufnahme von Snowden verweigere. Konstantin von Notz, Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss, sagt dazu:
Das ist ein notwendiger Schritt, um nochmal Druck aufzubauen. [Ich hoffe,] dass hier die Rechtsstaatlichkeit gegenüber den taktischen und meiner Ansicht nach illegitimen Interessen der Bundesregierung obsiegt.
In ihrer gestrigen Pressemitteilung zum Anlass des Asyl-Auslaufens bestätigen von Notz und Katrin Göring-Eckart dieses Vorhaben und berichten, eine Klageschrift liege bereits vor.
Jan Korte von den Linken attestiert der Bundesregierung Zynismus:
Anderen würde für einen solchen Einsatz für Bürgerrechte und Demokratie das Bundesverdienstkreuz verliehen – für Snowden gibt es seitens der Bundesregierung nur den Rat, sein Glück doch in einem US-amerikanischen Gefängnis zu suchen. Dieser Zynismus ist kaum noch auszuhalten.
Die Aufnahme Snowdens sei eine politische Entscheidung und die Regierung müsse ihren Schutzpflichten nachkommen. Das tue sie derzeit nicht und er fasst das Verhalten von Bundeskanzlerin Merkel knapp zusammen:
Ignorieren, Abwiegeln, Blockieren.
Maas überwiegend negativ rezipierte Aussage hielt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nicht davon ab, heute ins gleiche Horn zu blasen und ebenso gegen ein Asyl für Snowden in Deutschland zu plädieren, da er sonst Zeit seines Lebens verfolgt bliebe. Man müsse eine humanitäre Lösung in den USA finden. Dabei gibt Oppermann immerhin zu, dass es in Deutschland darum geht, die amerikanischen Freunde nicht zu verärgern und man am liebsten ignorant zur Tagesordnung zurückkehren will, als sei nichts geschehen:
Wir müssen jetzt zunächst damit leben, dass wir in einer wichtigen Bündnisfrage nicht einer Meinung sind. Es geht nun darum, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen und das bewährte Bündnis mit den Amerikanern fortzusetzen.
Diese Duckmäuserstellung kritisiert Hans-Christian Ströbele, der Snowden im letzten Jahr in Moskau besucht hat und dementiert auch Behauptungen, Snowden wolle überhaupt nicht nach Deutschland kommen:
Die Bundesregierung behauptet, Herr Snowden wolle nicht nach Deutschland kommen. Das stimmt nachweislich nicht […] Snowden hat ein Dutzend Mal versichert, dass er sehr gerne als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss nach Deutschland kommen würde. [Die Bundesregierung lehnt seine Einreise] in Wahrheit nur deshalb ab, weil sie Angst vor der US-Regierung hat.
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Auch die Piratenpartei findet den Vorschlag, in die USA zurückzukehren, untragbar:
Natürlich würde Edward Snowden ganz sicher gerne wieder in seine Heimat zurückkehren. Er möchte allerdings auch nicht als Landesverräter verurteilt ins Gefängnis. Das Dilemma ist offensichtlich. Ihn in dieser Situation auch noch dazu zu ermuntern, sich in die Hände der US-amerikanischen Justiz zu begeben, ist einer Regierung in einem demokratischen und den Grund- und Menschenrechten verpflichteten Staat wie Deutschland und auch dessen Justizminister unwürdig.
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Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg von der CDU-Fraktion, bleibt undeutlich und proklamiert gegenüber dem RBB Inforadio Mitleid:
Ein 31-jähriger Mann, der sich in Russland aufhalten muss , nicht frei reisen kann, natürlich leid tut und dass eine Lösung für die Person Edward Snowden kommen muss. Deshalb sage ich auch: es muss möglich sein, dass Edward Snowden sich in einigen Jahren wieder frei bewegen kann – nicht nur in den USA, nicht nur in Russland, sondern auch da, wo er hinreisen möchte. Dass er für das, was er getan hat möglicherweise die Verantwortung übernimmt, dass die aber gemäßigt ist in einer Höhe, die auch seiner Tat gerecht wird, kein Exempel statuiert wird – das ist ganz wichtig.
Selber dazu bei trägt Sensurg nicht, er verweist auf die Bundesregierung und weist die Verantwortung für sein Nichtstun von sich:
Die Bundesregierung muss entscheiden, ob sie Edward Snowden ein Aufenthaltsrecht gewährt […] Die Bundesregierung hat eine Abwägung vorgenommen – auf der einen Seite das berechtigte Interesse des Untersuchungsausschusses neben vielen Zeugen auch diesen Zeugen zu hören und auf der anderen Seite, dass Edward Snowden in den Vereinigten Staaten strafrechtlich gesucht wird – es besteht ein Haftbefehl – und das wir natürlich ein Auslieferungsübereinkommen mit den Vereinigten Staaten haben. Und bei dieser Abwägung hat die Bundesregierung gesagt: Wir können hier keine Ausnahmen machen, ihm ein Bleiberecht gewähren, und hat dieses bisher abgelehnt.
[Update]
Die Courage Foundation, die Geld für Snowdens Strafverteidigung sammelt, hat Briefe an Staatsvertreter aus den USA, Großbritannien, Russland und Deutschland gesendet, um sie dazu aufzufordern endlich aktiv zu werden. Sarah Harrison, Wikileaks-Journalistin und stellvertretende Geschäftsführerin, kritisierte:
Es tut gut zu sehen, dass so viele Menschen sich für die Unterstützung Snowdens stark machen. Im Gegensatz dazu haben die meisten Regierungen auf der Welt, mit Ausnahme Russlands, wenig getan um diesen Asylsuchenden zu schützen. Ich hoffe dass in dieser Zeit, in der das Asyl erneuert werden muss, mehr den Mut und das Gewissen haben werden, das zu tun, was ihre Bürger richtig finden.
Die Courage Foundation hatte zuvor die „Stand with Snowden“-Kampagne gestartet, bei der man man Fotos seine Unterstützung für Snowden mit einer Botschaft ausdrücken konnte.
Glenn Greenwald zog Konsequenzen aus der fortwährenden Ablehnung der Bundesregierung, Snowden Asyl zu gewähren und verweigert seine Aussage vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, bis sie diese Haltung aufgeben:
Leider haben deutsche Politiker mit ihrer Ablehnung, den Schlüsselzeugen Edward Snowden persönlich anzuhören, gezeigt, dass sie sich viel mehr darum kümmern, die USA nicht zu verärgern als ernsthafte Nachforschungen zu unternehmen.
Deshalb bin ich nicht gewillt, an diesem Ritual teilzunehmen, dass die Illusion einer Untersuchung erzeugen soll, dass aber tatsächlich dafür durchgeführt wird, echte Untersuchungen zu verhindern und die deutsche Bevölkerung mit leeren Symbolen zu beschwichtigen und die Schuldigen – die US-Regierung – bei Laune zu halten.
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Und was will Snowden? Er will selbst tatsächlich auch in die USA zurückkehren, er hat während des letzten Jahres mehrmals betont, Russland sei nicht sein Wunschziel gewesen. Dabei ist er sich aber wohl dessen bewusst, dass es unwahrscheinlich ist, einen fairen Prozess zu bekommen. Die Whistleblowerin Chelsea Manning ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Verfahren zwar dazu führen würde, dass Snowden nicht mehr verfolgt würde. Stattdessen könnte er den Rest seines Lebens wegen Geheimnisverrat im Gefängnis verbringen.
Ich bin hier in Russland wesentlich glücklicher als ich es mit einem unfairen Verfahren wäre, in dem ich nicht einmal vor Geschworenen die Verteidigung vorbringen kann, in öffentlichem Interesse gehandelt zu haben. Wir haben die Regierung wieder und wieder gebeten, ein faires Verfahren zu ermöglichen und sie haben abgelehnt.
Er erklärt, er hoffe im Zweifel darauf, dass sein Fall vor einem Geschworenengericht verhandelt werden würde. Denn dann wäre er nicht von der Meinung eines einzelnen Richters abhängig, sondern von der Einigung von zwölf Geschworenen.
Am liebsten, das ist klar, wäre Snowden jedoch wieder ein freier Mensch:
Ich würde liebend gern wieder in der Lage sein, Westeuropa zu besuchen. Aber das ist nicht meine Entscheidung. Darüber müssen die Öffentlichkeit und die Regierungen der jeweiligen Länder entscheiden.
Das wird nicht ohne weiteres möglich sein. Aber wir müssen trotzdem dafür Verantwortung übernehmen, Snowden so gut es geht dabei zu helfen, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Denn ohne ihn hätten wir vermutlich nie von den Ausmaßen der beispiellosen Geheimdienstmaschinerie erfahren. Und lassen wir zu, dass er wie ein Verbrecher behandelt wird, ersticken wir zukünftige Whistleblower und opfern die Möglichkeit, Einblick in freiheitsverhindernde, intransparente Strukturen zu bekommen.
[Update]
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch digitalcourage e.V.:
Wenn wir wollen, dass auch zukünftig Menschen ihr eigenes Leben riskieren, um der Gemeinschaft solchen Nutzen zukommen zu lassen, müssen wir deutlich machen, dass wir sie hinterher nicht im Regen stehen lassen. Wir müssen klare gesetzliche Regeln formulieren, unter denen Whistleblowing angebracht ist und geschützt wird. Nach dem, was Snowden derzeit erleben muss, werden es sich andere gut überlegen, ob sie einen ähnlichen Schritt wagen, bzw. es möglicherweise nur aus den falschen Gründen (Ruhm, Verehrung) tun.
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[doneWeitere Stimmen werden wir im Laufe des Tages sammeln und am Abend aktualisieren. Hinweise dürft ihr gern in den Kommentaren hinterlassen!]
Nach all dem was derzeit zwischen Russland und den USA abläuft wird Russland das Asyl ganz sicher verlängern. Niemand kann ihm derartigen Schutz bieten wie es Russland kann.
wenn das zu den plänen putins passt, ist das sicher richtig. ich kenne diese pläne nicht.
.~.
Ich finde, es ist schon viel zu lange kein Oppositioneller in einem verplombten Zug durch Europa gefahren-
Sucht Euch nen halbwegs wohlgesonnenen Asylrichter in irgendeiner deutschen Stadt, schmuggelt Edward dorthin, und lasst ihn einfach Asyl beantragen.
Dann noch ein Schutzschild aus mehreren hundert Aktivisten, und Schachmatt.
Das ist das Szenario, vor dem sich unsere Bundesregierung in die Hosen macht. Lasst uns das tun.
Ich finde, der entlarvende und armselige Satz von Oppermann verdient es, in Gänze zitiert zu werden: „Snowden darf keine dauerhafte Belastung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen werden.“
ist mit der Aussage des Herrn Oppermann und des Herrn Maas , der Wille zur Aufklärung des NSA Skandals bereits beendet? Das Verhältnis der BR Deutschland zur USA wurde doch durch die USA beschädigt.
Wenn es nicht zum heulen währe könnte ich mich zu Tode lachen wie armselig sich die deutsche Regierung verhält und wie sie sich vor Angst in die Hose machen. Ja kein falsches Wort sonst gibt´s Prügel aus Übersee.
Ich frag mich schon die ganze Zeit ob es nicht möglich ist ein Volksentscheid für Snowdens Asyl zu fordern? Dann können die Wähler den lächerlichen Politikern ihre Last der Entscheidung abnehmen und die Politiker können dann auch bei den Amis sagen dass sie nix dafür können wenn das Volk so entschieden hat. Win win!
Aber aber, lieber Mitbürger. Wenn man sich die Sache mit dem Volksentscheid näher zu Gemüte führt dann ist es doch eindeutig wieso man das gemeine Volk (insb. die Deutschen) niemals mehr irgend etwas fragen darf. Die Schweiz hat uns EU-Insassen auf das TIefste erschüttert mit ihre Entschluss künftig weniger zum Demografiewandel beizutragen. (Ach wie schlimm)
Im besten Fall wird es hier in DLand ein nicht-repräsentatives konsultatives (nicht bindende Meinungsumfrage) Referendum geben mit dem Titel: Wie findet Karlchen Müller Entwurf XY-Schöngeredet in Anbetracht des „Zeugenschutzes“ (Whistleblower und andere Anglizismen können mich mal).
So wird das auch enden. Von direkter Demokratie (war da nicht mal was CSU Seehofer?) darf laut Staatsräson nicht die Rede sein. Wo wäre die Welt wieder mal wenn man die Deutschen um Erlaubnis fragen würde.
Was ich ich frage warum die zum Teufel das in die Öffentlichkeit raustragen wohin Snowden als nächstes fliegen wird oder bevor er Asyl bekam. Ist doch Scheiße ! Haltet doch alle die Klappe und lasst den Jungen sicher ankommen und DANN könnt ihr rumlabern wo er ist. Am besten wäre es natürlich es geheim zu halten oder Falsch Infos zu liefern an die Journalisten & Co. Die würden dann sagen er ist in Rumänien während er in Afrika chillt oder so.
Man müsste also kucken (oder googlen) welche Länder kein Überlieferungsabkommen mit den Drecks Amis haben. Im Darknet gibt es sone Liste – die kann ich nur gerade nicht finden -.- Aber viele afrikanische Länder und die von den Kanaks wären da zu empfehlen weil die (zurecht und verständlicherweise) auf die Amis scheißen.
Die andere Frage wäre natürlich wer denn aber Cojones hat und dem Asyl zustimmen würde. Vor dem Asyl bei den Russkis haben ja zig Länder gezeigt was für Kichererbsen die haben. Nur die Russen haben gezeigt dass sie pralle Schlepphoden haben. Aber Putin meinte doch am Anfang Snowden kann da 4 ever bleiben odrrrrrr ?
seit langer zeit beschleicht mich immer ein sehr großes ohnmachtsgefühl gegenüber unseren volksvertretern. beim thema snowden wächst es fast ins unerträgliche.
das verhalten unserer regierung ist einem demokratischen, sich den menschenrechten verpflichteten staat unwürdig. unser präsident dessen lieblingsthema seit jahrzenten die freiheit ist, schickt sich nicht an mit lautstärke zu glänzen bei diesem thema.
das thema snowden ist ein grundsatzthema, was unsere zukünftige gesellschaft, unser selbstverständnis als staat berührt. in so vielen belangen. mir wird bange wenn das verhalten der regierung in der causa snowden und dessen enthüllungen archetypisch für unsere zukunft stehen soll. in solch einem staat will ich nicht leben, wir als bürger haben besseres verdient.
Nachfolgend mein offener Brief an Thomas Oppermann vom 02.08.2014 (hilft auch gegen Ohnmachtsgefühle…):
„J’accuse…“ – offener Brief an Thomas Oppermann, Mitglied des Bundestages und Fraktionsvorsitzender der SPD, aus Anlass seiner Äußerungen zu einer möglichen Rückkehr Edward Snowdens in die USA
Sehr geehrter Herr Oppermann,
die Äußerungen Ihres Parteikollegen und unseres Justizministers Herrn Heiko Maas zu einer möglichen Rückkehr Edward Snowdens in die USA habe ich – wie die Mehrheit der Menschen in meinem Umfeld – schon als eine grobe Unverschämtheit empfunden. Umso mehr schockiert mich jetzt die Feststellung, dass Sie in die gleiche Kerbe hauen. Um in Snowdens Rückkehr in die USA tatsächlich eine mögliche Option zu sehen, muss man entweder grenzenlos naiv sein oder entsprechende Äußerungen geschehen aus rein politischem Kalkül. Beides halte ich einer Partei, die auf eine über 150-jährige Geschichte zurückblicken kann, für unwürdig.
Ihre jüngste Äußerung gegenüber der dpa, Snowden dürfe keine dauerhafte Belastung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen werden, ist in meinen Augen eine grobe Verwechslung von Ursache und Wirkung, wenn nicht sogar fahrlässige – oder gar vorsätzliche – Verdrehung der Tatsachen. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen werden ganz offensichtlich allein durch das unverschämte Verhalten der US-Geheimdienste und die ungenierte Verbreitung von Unwahrheiten durch die US-amerikanische Regierung sowie die mangelnde Kontrolle unserer eigenen Geheimdienste belastet. In diesem Zusammenhang ausgerechnet den Mann, der erst eine Aufklärung der Geheimdienstpraktiken und der dabei durch Regierungen geduldete und gedeckten Menschenrechtsverletzungen ermöglichte, verantwortlich machen zu wollen, kann für mich nichts anderes heißen, als dass er möglichst bald von der Bildfläche verschwinden soll, um die öffentliche Diskussion über die Untätigkeit der Bundesregierung endlich zu beenden und wieder zur „Tagesordnung“ übergehen zu können.
Rufe ich mir Ihre Äußerungen als Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages im Oktober 2013, als Sie sich öffentlich für eine Anhörung Edward Snowdens als „offenkundig wertvollen Zeugen“ in Deutschland aussprachen und gleichzeitig klarstellten, dass Snowden in diesem Falle nicht an „das Land, das diese Spionage betrieben hat“ ausgeliefert werden solle, muss ich mich fragen, ob Ihre Kehrtwende mit der im Dezember 2013 begonnenen Regierungsbeteiligung der SPD in Verbindung steht und Sie tatsächlich Ihre eigenen politischen Ansichten soweit zurückstellen können, um jetzt quasi gegenteilige Ansichten kundzutun und zu vertreten.
Im Hinblick auf die von Ihnen angesprochene „humanitäre Lösung“ kann ich Ihnen nur empfehlen sich über die Haftbedingungen des in den USA inhaftierten Whistleblowers Chelsea Manning informieren zu lassen. Auch Sie werden dann erkennen, dass es für Snowden keine Option sein kann, in die USA zurückzukehren. Darüber hinaus würde mich interessieren, an welche „bestimmten“ Garantien seitens der USA Sie konkret denken, auf welcher rechtlichen Grundlage diese gegeben werden sollen und wie hoch Sie den Wert solcher Garantien – unter Berücksichtigung der aktuellen Vorkommnisse – einschätzen.
In schönstem Politikersprech äußern Sie sich zu einem unserer Grundrechte, der Freiheit: „Wir wollen, dass Freiheit und Sicherheit in einer vernünftigen Balance stehen.“ Schon die in der Politik in jüngster Zeit inflationäre Verwendung der Formulierung „Wir wollen, dass…“ lässt einen den inhaltlichen Wert Ihrer Äußerung erkennen: er tendiert gegen Null. Die letzte Bundesregierung hielt in Person des damaligen Innenministers Friedrich darüber hinaus Sicherheit ja sogar für ein „Supergrundrecht“, das höher als die übrigen Grundrechte einzuschätzen sei. Im Grundgesetz kann ich zu dieser Einschätzung zu leider gar nichts finden… Wenn Sie tatsächlich ein ehrliches Interesse an der Verteidigung unserer Grundrechte – für die u. a. schon Generationen von Arbeitnehmern und Anhängern der SPD, teilweise unter Einsatz ihres Lebens, gekämpft haben – hätten, dann würde die SPD sich ihrer Verantwortung stellen und ihrer Verpflichtung als gewählte Regierungspartei nachkommen, anstatt weiterhin nur alles Mögliche anzukündigen und Nebelbomben zu werfen.
Ich fordere Sie daher auf, im Interesse der Verteidigung unserer Grundrechte, mit Ihrem Parteikollegen, dem Bundesjustizminister, eine rechtlich gegenüber den USA zu vertretende Möglichkeit zu finden, Edward Snowden einen sicheren Aufenthalt in Deutschland und damit auch eine Aussage vor dem NSA-Untersuchungsausschuss zu ermöglichen! Beenden Sie das unsägliche – ich kann es nicht anders nennen – Duckmäusertum der Bundesregierung und zeigen Sie den deutschen Staatsbürgern und der Welt, dass wir ein souveräner Staat mit einer souveränen Regierung und nicht der entzündete Wurmfortsatz des amerikanischen Neoimperialismus sind!
Zeigen Sie mir, dass Sie tatsächlich Politik für die Bürger machen und schreiben Sie mir eine Antwort. Gerne lasse ich mir erklären, warum die SPD kein Asyl für Snowden will und damit die weitere Demontage unserer Souveränität und Grundrechte akzeptiert.
Mit freundlichen Grüßen!
Ganz ehrlich: Wenn ich diesen offenen Brief sehe und dann einige andere Kommentare hier lese kommt mir kurz und entschieden die Galle hoch. Natürlich ist es schön und zu begrüßen dass wir jetzt wissen was die NSA so alles tut und liest. Das macht Snowden aber noch lange nicht zu einem strahlenden Helden, und erst recht nicht zum Unschuldslamm. Denn Geheimnisverrat ist und bleibt strafbar, und zwar nicht nur in den USA sondern auch in Deutschland. Und wenn ich eine Straftat begehe muss ich mich den Konsequenzen nun mal stellen, egal wie edel meine Motive sind. Man stelle sich vor ich schieße irgendeinen über den Haufen den alle hassen und über dessen Ableben ganze Völker jubeln. Ist das dann kein Mord mehr und ich darf mich als Held feiern lassen? Eher nicht. Natürlich ist die amerikanische Justiz nicht gerade für ihre milden Strafen bekannt, aber noch handelt es sich jenseits des Atlantiks um einen Rechtsstaat, und da wird Herr Snowden schon irgendwann seine Chancen mit diesem System versuchen müssen.
Einmal ganz davon abgesehen: Wenn ich Formulierungen wie Neoimperialismus und unverschämte Amerikaner lese: Wir werden uns in Kürze entscheiden müssen wo wir hingehören: Zu Putin, von vielen hierzulande ja offensichtlich als demokratischer und freiheitsliebender Staatschef gesehen, oder zu den Amerikanern. Denn Europa alleine funktioniert ja nicht, wie wir mal wieder feststellen müssen – besten Dank an Paris und seine Starrsinnigkeit. Mir fällt die Entscheidung einfach: Lieber Obama und die NSA als Putin und Kalashnikov.
Denkt mal drüber nach…..