Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) hat erfolgreich seine Sonderwünsche zur Ausgestaltung der EU-Datenschutzverordnung im Koalitionsvertrag platziert (S. 149):
Bei deren Ausgestaltung [der EU-Datenschutzverordnung; B.B.] ist darauf zu achten, dass bestehenden Refinanzierungsmöglichkeiten journalistisch-redaktioneller Medien erhalten bleiben und dass das für Presse- und Medienfreiheit unabdingbare Medienprivileg effektiv ausgestaltet wird.
Die Verleger liefern der Bundesregierung damit weitere Vorwände zum Aufschieben und Abschwächen der EU-Datenschutzreform. Diesen Eindruck bestätigt die VDZ-interne Bewertung der Datenschutzpassagen im Koalitionsvertrag, die wir an dieser Stelle veröffentlichen.
1. Datenschutzverordnung mit digitalen Geschäftsmodellen, adressiertem Direktmarketing und redaktioneller Presse- und Medienfreiheit
In der Passage zur EU-Datenschutzverordnung (S. 149) konnten SPD-Wünsche nach einer Verschärfung des geltenden Rechts abgewehrt werden. Der Text wird auf Seiten von CDU/CSU so verstanden, dass der bisherige, unsere Interessen wahrende Kurs des Bundesinnenministeriums fortgesetzt werden kann. Wir hatten mit Blick auf die Möglichkeit eines sozialdemokratischen Innenministers noch klarere Formulierungen angeregt. Positiv ist ein weiterer Absatz, nach dem bei der Ausgestaltung der Verordnung darauf zu achten ist, dass „bestehende Refinanzierungsmöglichkeiten journalistisch-redaktioneller Medien erhalten bleiben und dass das für Presse- und Medienfreiheit unabdingbare Medienprivileg effektiv ausgestaltet wird.“ (S. 149).
Unschön ist, dass an anderer Stelle im Vertrag unter den Stichworten „Verbraucherschutz“ und „digitale Welt“ „nicht-anonyme Profilbildungen“ an die Einwilligung der Verbraucher geknüpft werden sollen (S. 127). Das muss nicht, kann aber zu einem Konflikt über die Position bei der EU-Datenschutzverordnung führen.
Übersetzt heißt das: Die Verleger wollen offline weiter mit Adressen handeln und potenzielle Leser/innen mit Aboangeboten, Umfragen und Co. nerven. Online soll das Klickvieh nach allen Mittel der Kunst getrackt werden: ein Zukunftsmarkt, den es zu deregulieren lohnt. Die Verleger machen sich damit gemein mit den Internetunternehmen, die sie sonst als Bedrohung ihrer „Geschäftsmodelle“ betrachten (siehe Leistungsschutzrecht). Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass die Verleger beim Trollen der Datenschutzreform auffallen.
Auch politisch spricht die Bewertung der Verleger Bände. Das Verzögern der Datenschutzreform durch das Bundesinnenministerium ist in ihrem Interesse. Profilbildung, also das was beim Onlinetracking passiert, an die Einwilligung der Nutzer/innen zu binden, nicht. Es ist also anzunehmen, dass die Verleger an Ideen wie Do-Not-Track, die einen fairen Interessenausgleich zwischen Leserschaft und Anbietern ermöglichen könnten, nicht interessiert sind. Wer liest, wird auch gelesen.
Bleibt nur noch die Frage, warum die Verleger Angst vor dem (unrealen) Fall eines SPD-Innenministeriums haben? Am Ende hat auch die SPD Formulierungen im Koalitionsvertrag mitgetragen, die eine weitere Verzögerung des Reformvorhabens rechtfertigen. Politischer Wille sieht anders aus.
Wer solche ehrlichen Einschätzungen zu netzpolitischen Themen im Koalitionsvertrag von anderen Verbänden/Lobbies hat, darf sie uns gerne zukommen lassen (Kontakt).
Klingt so, als müßte ich meine Bücher und Magazine in mittlerweile zumeist sowieso digitaler Form weiterhin bei Quellen beziehen, denen meine Adresse egal ist, und die vor allem kein Interesse daran haben, mit letzterer zu handeln. Gut, wer mein Geld nicht haben will, der hat wohl genug davon.