In der Serie “Remixer/in” erzählen Menschen über ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Remix und Remix-Kultur. Dieses Mal: Eine Studie zum ökonomischen Verhältnis von Remix und Original.
Bislang gibt es kaum empirische Studien darüber, welche Folgen ein Remix für das Original hat – und zwar weder was die (möglicherweise: veränderte) Rezeption eines Werkes noch was die ökonomischen Auswirkungen betrifft. Nur anekdotisch lässt sich auf bekannte Beispiele verweisen, in denen erst der Remix eines Werkes auch dem Original und damit dessen Urheber zum Durchbruch verholfen hat. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist mit Sicherheit der Song „Thank You“ der britischen Sängern Dido. Nachdem „Thank You“ bereits 1998 erstmals veröffentlicht worden war, avancierte er erst 2000 zu Didos bislang größtem Hit, nachdem Eminem die erste Strophe in seinem Song „Stan“ gesampelt hatte.
Während in diesem Fall die Rechte geklärt waren und Dido teilweise sogar gemeinsam mit Eminem bei Konzerten auftrat, war das bei einem anderen prominenten Beispiel nicht der Fall. Wie DIE ZEIT im April diesen Jahres in einem ausführlichen Porträt berichtete, war Asaf Avidan ursprünglich überhaupt nicht von dem Wankelmut-Remix (siehe auch Embed-Video) seines Songs „One Day“ begeistert, der ihm letztlich zu weltweitem Erfolg verhelfen sollte:
Reckoning Song, so heißt das Lied in seiner Originalversion von 2008, es war eigentlich ein Stück mit schlichter Akustikgitarrenbegleitung, das Avidan und seine alte Band The Mojos in ihrem ersten Repertoire hatten, mit dem sie durch Israel und kleine Bars in Europa tourten. Bis ein Fan, der bis dahin unbekannte Berliner DJ Wankelmut, sich das Stück nahm und elektronisch daran herumexperimentierte. Wankelmut unterlegte Avidans melancholisch-markante Stimme mit House-Musik, Beats, die tanzbar waren. One Day, wie er den Remix nannte, verbreitete sich online wie ein Virus. Von unten stürmte er innerhalb weniger Wochen die internationale Clubszene und, als er schließlich offiziell bei Sony herausgebracht wurde, auch die Charts – ein kometenhafter, ein unfreiwilliger Erfolg.
[…]
„Das war einfach nicht mein Stil“, sagt Avidan über den Wankelmut-Remix, der ihm noch immer nicht gefällt und dessen Veröffentlichung er zunächst verhindern wollte.
Neben solchen (Sonder-)Fällen, in denen ein Remix maßgeblich für den kommerziellen Erfolg des Originals verantwortlich ist, hat der US-Juristen Michael Schuster jetzt auch systematisch die kommerziellen Folgen von Sampling für die Originale an Hand des Albums „All Day“ des Künstlers Girl Talk untersucht. In seinem bei SSRN als PDF verfügbaren Beitrag „Fair Use, Girl Talk, and Digital Sampling: An Empirical Study of Music Sampling’s Effect on the Market for Copyrighted Works“ analysiert er die Verkaufszahlen von über 350 von Girl Talk gesampelten Werken und kommt zu dem statistisch signifikanten Ergebnis, dass
„sich die urheberrechtlich geschützten Songs in dem Jahr, nachdem sie gesampelt worden waren, besser verkauft haben, als im Jahr davor.“ (meine Übersetzung)
Die Ergebnisse sind für die USA relevant, weil Sampling nach verschiedenen richterlichen Entscheidungen nicht unter die dortige Fair-Use-Klausel des Copyrights fällt. Das Album von Girl Talk eignet sich nicht nur wegen der großen Zahl an Samples besonders für die Untersuchung, sondern auch weil der Künstler hinter Girl Talk, Gregg Gillis, sich unter Berufung auf Fair Use bewusst einer Lizenzierung der Samples verweigert (vgl. Artikel bei Torrentfreak).
In Deutschland ist Sampling zwar auch eine „weitverbreitete Schattenpraktik„, schon die Übernahme kleinster Teile erfordert aber auf Grund von Leistungsschutzrechten der Tonträgerhersteller aufwändige Rechteklärung (vgl. „Zwei Takte Leistungsschutzrecht“). Dass damit Remix-Künstler/innen das Leben schwer gemacht wird, ist klar. Die Studie von Schuster liefert aber erste Indizien dafür, dass diese Rechtsprechung auch den Plattenfirmen selbst einen Bärendienst erweisen könnte.
Das ist ein Crosspost vom Blog der Initiative ‘Recht auf Remix‘, die in einer Petition um Unterstützung samt Link zum persönlichen Lieblingsremix bittet.
Liebe Leute, langsam wird Euer Bemühungen ein Todes Thema aufrecht zu erhalten putzig. Nur soviel. Sampling hatte seinen Höhepunkt Ende der 80iger. Damals wurde in einem hochkreativen Prozeß alles mögliche zweitverwertet , dadurch entstanden auch völlig neue Musikrichtungen. Die Musiker handhabten dies sehr einfach untereinander, mann gönnte sich das gegenseitig, es wurden per einfachen Austausch die recht eingeholt, es genügte ein vorformuliertes fax, bis auf ganz wenige Ausnahmen ( z.b wollte Yoko Ono keine remixe zulassen ) war jeder froh und glücklich, wenn Schipsel seiner Arbeit zweit – oder dritt oder viert ververwertet wurden. Da gab es 0 !!! Probleme weder rechtlich noch inhaltlich. Das Problem, das ihr vermutlich herbeiredet, um irgendwie eigne Bücher oder soetwas zu verkaufen, existiert nicht. Eine Schimäre, sonst nichts, Huet ist die Situation aber eine ganz andere. Es werden kaum noch Schippsel anderer verwertet. Hintergrund dieses Wandels ist aber kein Rechtsproblem, sondern ein neuer geschäftszweig, den es seit knapp 15 jahren gibt. Mit einem Irren Aufwand wurde jeder noch so kleine Musikschnippsel mit allen möglichen Instrumenten aufgenommen, und diese werden proffesionell aufgearbeitet zur Verfügung gestellt. dadurch kann jeder auch noch so unkreative Nerd irgendwie etwas zustande bringen, was man unter den Begriff Musik sammeln könnte. Und unter dem Motto, “ jeder ist ein Kreativer “ gibt es sogar nun Abnehmer wie z.b abgefilmte Weltraumbilder in der Spacenight des BR. Tolle Zukunft für unser kreatives gemeinwohl. Ich würde mir wünschen, dass es endlich wieder so WÄRE, dass sich kreativ mit dem Verschnippseln von Musik befasst wird, Das erfordert aber andere menschen, als die nerds die meinen Ableton ist das ende der kreativen Ausdruckskraft, oder Bushido, der zu geizig ist , ein paar cent und annerkennung seinen Kollegen zu überlassen.
Einfach auf den Link am Anfang klicken, dann die inzwischen über 20 Interviews mit vor allem Kunstschaffenden lesen, die größtenteils ein Problem mit der Rechtslage haben. Bitte. Danke.
Hm, hab ich mir umfassend angeschaut. meinst Du nicht auch, die haben weniger en Problem der rechtslage, als vielmehr ein Problem mit der Organisation professioneller Strukturen ? Es gibt sogar sehr billig arbeitende Agenturen, die in Null Komma Nichts die entsprechenden Faxe zur Nutzung besorgen. Ggf. wäre auch ein Grundkurs Musikbiz ausreichend, und unnötige Ängste mit wenig Aufwand zu eliminieren. Mit diesen minimalen Aufwand stößt man dann zugegeben auch an die geschätzten 0,1 %, die tatsächlich keinen Bock darauf haben, dass Ihre Arbeit zweitverwertet wird. Ich denke, dass kann man hinnehmen. Oder soll bewährtes recht aufgrund weniger Hobbysten oder Amateure geändert werden, die im Grunde auch nur zu Faul sind, minimalen Aufwand für Ihre Arbeit zu tätigen ?
@ADA
ein grossteil der probleme kommt wohl weniger von den künstlern, sondern eher von den rechteverwertern, wie zb abmahnungen. dh. das scheint hier fast so eine art juristenkrieg zu sein in den wohl auch musiker hereingeraten können.
@ADA
ein teil der probleme kommt natürlich auch daher, dass zb ehemals etablierte übereinkünfte in der zunft wie zb zum thema „fair use“ allein schon durch die anwachsende menge an künstlern wahrscheinlich u.u. nicht mehr ganz so etabliert sind.
und umwieviel besser oder schlechter verkauft haben sich die songs die nicht gesampelt wurden…gabs da auch ein paar hinweise in der studie?
Prinzipiell versucht die Studie einen signifikant positiven Effekt nachzuweisen. Es finden sich natürlich auch Zahlen in der Studie – insgesamt spricht Schuster von einem Anstieg von 3,2 Prozent (S. 36) -, die sind aber mEn nicht einfach verallgemeinerbar. Der Autor hat aber für eine Reihe von Faktoren kontrolliert, beispielsweise Länge des Samples und frühere Chartplatzierung sowie auch für die allgemeine Umsatzentwicklung in den jeweiligen Jahren.
grundsätzlich finde ich es problematisch, ökonomischen erfolg immer gleich als positiven effekt zu sehen (falls ich Dich da richtig verstanden habe). trotzdem kann so eine studie prinzipiell interessant sein.
laut abstract:
nochmal genauer was ich meine: man könnte vermuten finde ich dass eventuell eher songs gesamplet wurden, deren popularität gerade am steigen war (???), daher wäre es schon hilfreich hierzu informationen zu finden bzw auch noch mal einen vergleich zu haben mit dementsprechenden songs die nicht gesamplet wurden.
diesbezüglich hat Mike Schuster auch Subgruppen gebildet und für das Alter der gesampelten Songs statistisch kontrolliert.
Was die Sache mit dem Erfolg betrifft: klar, hier geht es um ökonomischen Erfolg, auch weil der am einfachsten messbar ist.
ich weiss ja nicht was girls talk da gesampelt hat, aber ich kann mir vorstellen, dass z.B. Verdi immer mal wieder mehr oder weniger beliebt ist.
@Leonhard Dobusch: Die Reihe von Faktoren, die Schuster kontrolliert hat, ist, so habe ich es verstanden, zum Großteil nicht signifikant, oder?
(vgl. S. 39, 41)
Hmm, ich habe das Gefühl, dass es bei ernsthaften Diskussionen zu dem Thema zwei Parteien gibt, die aneinander vorbeireden:
a) Künstler, die irgendwas selbst erschaffen haben und fürchten, dass all ihre Werke ohne Nachfragen und Danksagung geschändet werden
b) Künstler, die etwas aus etwas anderem erschaffen haben und fürchten, dass sie selbst Werke aus freien Quellen bald auch mit Nachfragen und Danksagung nicht mehr erschaffen dürfen
Gut, in der Musikszene scheint es eine ungeschriebene Ausnahme zu geben, nämlich dass Bootleg: Wer als Musiker ein Lied veröffentlicht, muss damit rechnen, dass ein anderer Musiker wieder ein neues Lied daraus macht, es neu interpretiert, bei der üblicherweise der ursprüngliche Titel oder Künstler wieder genannt wird.
Aber durch wieviele Fälle haben wir uns schon gequält, in denen es klar sein müsste: Da war das Mädchen, deren Erfolgsbuch heimlich aus Blogeinträgen zusammenplagiiert wurde – nur ein Remix?. Oder Bildershows, in denen es wenig überraschend eine Hintergrundmusik gibt – deswegen eine Rechtsbrechung? Wie soll ein Wissenschaftler arbeiten, wenn er nicht zitieren darf – über sowas müssen wir reden?
Das könnte man alles verhindern, wenn man die Prinzipien „Man fragt bevor man was nimmt“ und „Danke sagen“ anwenden würde. Aber muss man das wirklich noch erwähnen? Manchen offenbar schon. Dann muss man denjenigen auch sagen, dass sie nach dem Klobesuch die Hände waschen sollten?
Meiner Meinung nach geht die Diskussion in viele Richtungen, aber in keine realitätsbezogene :(
Oh, sorry. Mein Fazit ist: Man muss nicht darüber reden, dass Remixe existieren, sie gut und schlecht sein könnten, sondern wie man sie macht. Oder wie mein einen Remix zuverlässiger von einem Urheberrechtsbruch abgrenzt – Stichwort Fair Use.
Habe auch schon drüben bei RechtaufRemix kommentiert:
Ich bin kein Statistik-Experte, aber beim Überfliegen der Studie sind mir folgende Probleme aufgefallen:
– Man kann die erhobenen Statistiken und die Methoden von Nielsen Sound Scan nicht überprüfen (S. 26, 37)
– Gesamplete Songs, die ihren “Chart-Peak” bis zu 30 Monate vor dem GirlTalk-Release hatten, zeigen “violent” Verkaufsverluste, wenn man das Vor- mit dem Nach-”All Day”-Release-Jahr vergleicht (S. 32). Diese werden alle als sogenannte “Recent Hits” aus der Analyse ausgeschlossen, weil hier angeblich die nachlassenden Verkaufszahlen noch Effekte des eigentlichen Releases des Originals sind! (S. 34) “[…] songs released after January 1, 2008 are excluded from the dataset” (S. 35). Diese Grenzziehung ist willkürlich und zudem problematisch, da damit v.a. die Samples betrachtet werden, bei denen eher positive Veränderungen der Verkaufszahlen zu beobachten waren (Fig. 2, S. 33)
– Schuster beschreibt selbst zahlreiche Fehlerquellen
– Es besteht meiner Auffassung nach kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Sampling von GirlTalk und den positiven Verkaufszahlenänderungen der gesampleten Originale – jedenfalls finde ich ihn in der Studie nicht. Eine Korrelation ist aber keine Ursache-Wirkung-Analyse. Inwiefern GirlTalk also die Ursache für die im Durchschnitt 1300 mehr verkauften Kopien (S. 36) ist, löst die Studie meiner Ansicht nach nicht auf. Das erscheint mir aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge auch unmöglich zu sein.
Ich lasse mich gerne eines besseren belehren, aber ich halte die Studie für sehr fragwürdig, wenngleich ihr Ansatz sehr interessant ist.
Wie Du selbst schreibst, sind Deine Limitations sämtliche im Paper selbst angeführt und entsprechen den üblichen Schwierigkeiten quantitativer Messung. Das Ausschließen der „recent hits“ macht jedenfalls Sinn. Und dass Korrelation nicht mit Kausalität gleichzusetzen ist, ist völlig klar; der Schritt von Korrelation zu Kausalität ist immer ein theoretischer. So auch in diesem Fall.
Ich halte die Studie für seriös, wie üblich gilt aber, dass weitere, ähnliche Studien wünschenswert wären.