Die Arbeiterkammer, eine gesetzliche Arbeitnehmervertretung in der alle unselbstständig Beschäftigten in Österreich automatisch Mitglied sind, hat heute eine Studie zum Thema „Kulturelle Produktion und Mediennutzung im Alltag: Urheberrechtliche Problemfelder und politische Lösungsperspektiven“ (PDF) veröffentlicht.
Erfrischenderweise fungieren als Autoren jedoch nicht Juristen, wie sonst meistens beim Thema Urheberrecht, sondern die Kultur- und Medienwissenschaftler Felix Stalder, Martin Wassermair und Konrad Becker vom Wiener Institut für Neue Kulturtechnologien t0. Ihr Ziel ist es die grundsätzliche Frage zu beantworten, wie „die Kreativität und Kommunikationsfähigkeit breiter Bevölkerungsschichten“ gefördert werden können. Dementsprechend stellen sie auch gleich zu Beginn der Studie klar:
„Die Studie nimmt explizit die Perspektive der Handelnden ein. Entsprechend wird keine juristische Beurteilung vorgenommen, das liegt weit außerhalb des Alltagshorizonts. Entsprechend wird, sofern nicht explizit ausgewiesen, auch auf juristische Fachterminologie verzichtet. Die Studie weist vielmehr auf Problemfelder hin, in die wünschenswertes Alltagshandeln, oftmals sehr zum Erstaunen und Entsetzen der Akteure, die mit besten Intentionen vorgehen, führen kann.“ (S. 2)
Im Zentrum der Studie stehen deshalb auch weniger abstrakte Rechtsfragen sondern 17 konkrete Alltagsszenarien „in denen in Treu und Glaube handelnde AkteurInnen in Alltagssituationen mit dem Urheberrecht in Konflikt kommen können“ (S. 4). Es geht, mit anderen Worten, um einen Kommunikationsalltag, der den Autoren zu Folge von der paradoxen Situation gekennzeichnet ist,
„dass sich der Spielraum auf technischer Ebene laufend vergrößert, während er sich auf rechtlicher Ebene laufend verkleinert.“ (S. 4)
Die 17 Fälle verteilen sich auf vier Unterschiedliche Bereiche, in denen an Hand konkreter Beispiele urheberrechtliche Problemfelder herausgearbeitet werden:
- Bereich 1: Kindergarten/Schule: Ist eine eine Kiddy-Hitparade mit angepassten Liedtexten auf einer öffentlichen Parkfläche erlaubt? Wie sieht es beim Zusammenkopieren von Noten für ein Weihnachtslieder-Songbook aus? Der YouTube-Upload eines Videos vom Besuch der Cliniclowns auf der Kinderkrankenstation, bei dem die diese einen Hit von DJ Ötzi performt haben? Wer haftet, sollte es bei Mashups im Rahmen von Abschlussprojekten in der Gymnasium-Oberstufe zu Abmahnungen kommen?
- Bereich 2: Jugendkultur/Freizeit: Wann muss eine Party bei einer Verwertungsgesellschaft gemeldet werden und welcher Spielraum besteht bei der Tarifgestaltung? Weitergabe von verändertem Quellcode eines Spielzeugroboters durch Hobby-Bastler an andere Hobby-Bastler? Verwendung eines Comic-Schnipsels als Facebook-Profilbild?
- Bereich 3: Private Nutzung: Ist Umgehung des Kopierschutzes von DVDs zur Erstellung einer legalen Privatkopie erlaubt? Wie sieht es mit dem privaten Tausch von E-Books aus, die in unterschiedlichen Formaten vorliegen?
- Bereich 4: Zivilgesellschaftliche Nutzung: Was muss beachtet werden, wenn Teile urheberrechtlich geschützter Werke in Dokumentarfilmen auftauchen? Wie steht es um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im Kontext von Entwicklungshilfe-Projekten? Ist eine Nutzung alter, öffentlich-rechtlicher Inhalte im Rahmen einer Heimatausstellung erlaubt?
Vordringliches Ziel in sämtlichen Bereichen ist das Aufzeigen von sowie Sensibilisieren für diesbezügliche Problemfelder. Zusammengefasst ziehen die Autoren folgendes Fazit:
„Viele Nutzungen, die einst im privaten Rahmen geschahen – und damit nicht oder pauschalvergütet wurden – finden heute auf öffentlichen Plattformen im Internet statt. Aus Sicht der NutzerInnen sind dabei viele Freiheiten verloren gegangen. Diese müssen wieder hergestellt werden. Dazu muss die für das Urheberrecht grundlegende Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Nutzung verändert werden.“ (S. 13)
Als mögliche Auswege schlagen sie statt der Unterscheidung privat/öffentlich jene zwischen kommerziell/nicht-kommerziell vor und treten für die Einführung einer zusätzlichen „Bagatellklausel“ ein, um das Risiko bei kleineren Urheberrechtsverstößen zu reduzieren. Außerdem sollten „transformative Werknutzungen“, also Nutzungsweisen in deren Zuge ein Werk verändert wird, erlaubt werden.
In allen geschilderten Fällen soll auf diese Weise der Zwang zur Lizenzeinholung vermieden werden. Im Unterschied zum US-Fair-Use-System können sich die Autoren aber im Gegenzug für derartige Reformen die Einführung einer Vergütung vorstellen, deren Art und Höhe davon abhängen soll, wie viele Nutzungsrechte damit abgegolten werden.
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