Die Serie „Neues aus dem Fernsehrat“ beleuchtet seit 2016 die digitale Transformation öffentlich-rechtlicher Medien. Hier entlang zu allen Beiträgen der Reihe.
Das Jahr 2023 ist noch jung, eines steht aber jetzt schon fest: freie, mit Wikipedia kompatible Lizenzen für öffentlich-rechtliche Inhalte kommen dieses Jahr auch in der ARD an. Den Anfang macht eine Lizenzumstellung beim Creative-Commons-Portal der Tagesschau: über 55 Erklärvideos zu Themen wie „Überhangmandate“ oder „Richtig Händewaschen“ wurden auf eine Weise veröffentlicht, dass sie Eingang in die deutschsprachige Wikipedia finden können. Voraussetzung dafür war, die Einschränkung auf nicht-kommerzielle Nutzung aufzugeben, die davor mit Creative-Commons-lizenzierten Tagesschau-Videos verbunden war.
Die Änderung der Lizenz und damit die Möglichkeit, via Wikipedia viel größere Reichweiten zu erzielen, wurde in Abstimmung mit Wikimedia Deutschland vorgenommen. Dort freut man sich über 150.000 Zugriffe auf acht Tagesschau-Videos im Rahmen der zweimonatigen Pilotphase. Mit über 80.000 Zugriffen entfällt dabei mehr als die Hälfte auf das Video zum Thema „Wenn Geschlecht und Gender unterschiedlich sind.“
Sinneswandel in Sachen Lizenzen bei der ARD
Einer der Gründe für den Sinneswandel bei der ARD dürfte der große (Reichweiten-)Erfolg der frei lizenzierten Videos der ZDF-Reihe Terra X gewesen sein. Die ZDF Doku-Reihe veröffentlicht seit Mitte 2020 jeden Monat neue, frei lizenzierte Inhalte, die dann über Wikipedia und andere soziale Netzwerke ihr Publikum finden – und dank freier Lizenzierung auch ohne Rückfrage weiterverbreitet und bearbeitet werden dürfen.
Neben der Tagesschau steht in der ARD allerdings bereits ein zweites frei lizenziertes Angebot in den Startlöchern. Der Bayrische Rundfunk (BR) arbeitet daran, das Schulfernsehen „Telekolleg“ in das frei lizenzierte Online-Angebot „kolleg24“ zu überführen. Hier werden die ersten Videos im zweiten Quartal 2023 online gehen, das gesamte Angebot dann zum Schulstart im Herbst.
Armin Olbrich, Redaktionsleitung Lernen und Wissenslab beim BR, kündigt für den Start des Bereichs Mathematik 120 Erklärvideos mit einer durchschnittlichen Dauer von 8 Minuten an. Parallel zu den Videos sind auch frei lizenzierte Audio-Angebote geplant, die sich vor allem im Bereich des Sprachunterrichts bewährt haben.
Freie Lizenzen nur mit externer Produktionsfirma möglich
Möglich wurde das BR-Angebot auch durch eine Kofinanzierung des Bayrischen Kultusministeriums, das 50 Prozent der Kosten trägt. Olbrich achtet hier besonders auf die gebotene Staatsferne. Aber: „Schulvideos folgen dem Lehrplan. Der ist sowieso maximal staatsnah, daran orientieren wir uns.“
Erstellt werden die frei lizenzierten Bildungsinhalten von kolleg24 von der externen Produktionsfirma Bilderfest aus München. Warum solche Informations- und Bildungsinhalte nicht im BR selbst erstellt werden, erklärt Olbrich mit fehlenden tarifvertraglichen Voraussetzungen: „Leider hatten wir nur die Wahl, es entweder mit einer externen Produktionsfirma oder gar nicht zu machen.“
Mit den frei lizenzierten Videos von Terra X, Tagesschau und bald Kolleg24 ist klar, dass freie Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Kontext kein reines Nischenangebot mehr sind. Im Bereich von Bildungs- und Erklärinhalten dürften sie bald von der Ausnahme zur Regel werden. Umso wichtiger, auch in öffentlich-rechtlichen Vergütungsregeln endlich freie Lizenzen für Eigenproduktionen zu ermöglichen.
das war für die ARD kein einfacher Schritt und Lehrer:innen, die Bundesschülerkonferenz, Wikimedia und Journalistinnenverbände haben die richtigen Schritte zusammen gemacht. Sind im Gespräch geblieben. Haben Zweifel ausgeräumt und Potenziale erklärt. Sicher ist das teuer. Sicher geht da noch mehr. Ich bin dankbar für das Angebot, das die ARD Lehrerinnen und Lehrern und der Wikipedia macht.
Ich verstehe nicht, was das mit Tarifverträgen zu tun hat.
In den geltenden Vergütungsregeln einfach freie Lizenzen nicht vorgesehen. Dafür gibt es aber beispielsweise Wiederholungshonorare oder Beteiligungen an Zweit- und Drittverwertungen, die bei freien Lizenzen tendenziell wegfallen. Solange es dafür aber keine Kompensation bei freier Lizenzierung gibt, sind sie praktisch kaum nutzbar.