Vollendete TatsachenBKA setzt europäisches Polizeiregister durch

Informationen aus Ermittlungsakten sollen zukünftig europaweit geteilt werden können. Das betrifft auch Personen, die nie verurteilt wurden. Eine technische Lösung wird seit 2016 entwickelt. Allerdings gibt es für den Einsatz noch gar kein EU-Gesetz.

Die Europaeische Polizeibehoerde Europol in Den Haag
Die technische Infrastruktur für das EPRIS liegt bei Europol in Den Haag – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Rainer Unkel

Polizeiliche Ermittlungsakten enthalten weitreichende Details zu Personen und Straftaten, derer sie verdächtigt werden. Oft reichen die Angaben nicht zu einer Anklageerhebung oder gar Verurteilung, mitunter werden die Betroffenen auch zu Unrecht verdächtigt. Trotzdem sollen diese Informationen zukünftig unter europäischen Polizeibehörden noch einfacher geteilt werden können als bisher.

Der Motor dieses Europäischen Kriminalaktennachweises (EPRIS) ist das deutsche Bundeskriminalamt (BKA). Zum zweiten Mal leitet die Behörde ein Pilotprojekt, das die Europäischen Union finanziert. Dies geht aus der Antwort auf eine Informationsfreiheitsanfrage hervor. Das BKA gab darin eine Präsentation über das EPRIS-Projekt heraus, die auf der Sitzung der Brüsseler Ratsarbeitsgruppe für den polizeilichen Informationsaustausch vor einem Monat gezeigt wurde.

Gesetzesvorschlag im Rahmen des Prüm-Prozesses

Mit dem EPRIS kann eine Polizeibehörde anfragen, ob in den polizeilichen Datenbanken eines anderen Staates Informationen zu einer Person vorliegen. Ist dem so, kann sie die Akten anfordern. Vorgesehen ist eine EU-Gesetzgebung, die vorschreibt, dass derartige Ersuchen umgesetzt werden müssen. Im Rahmen des sogenannten Prüm 2-Prozesses hat die Kommission hierzu bereits einen Vorschlag vorgelegt.

Das neue Pilotprojekt baut auf zwei frühere Phasen auf und wird auf Polizeien aus Italien und Norwegen ausgeweitet. Tests der „rolloutfähigen EPRIS-Systembetriebsumgebung“ sollen auch in Luxemburg und Polen erfolgen. Zuvor waren neben Deutschland auch Frankreich, Belgien, Irland, die Niederlande, Spanien und Ungarn direkt oder als Beobachtende beteiligt. Die EU unterstützt das Vorhaben mit 750.000 Euro.

Die technische Umsetzung erfolgt durch das deutsche Fraunhofer Institut FOKUS, das dafür die Anwendung „Automatisierung der Datenaustauschprozesse“ (ADEP) programmiert hat. Das BKA bezeichnet das ADEP-System als datenschutzfreundlich, da die Abfragen pseudonymisiert werden. Möglich ist die Suche mit Familienname, Vorname, Aliasname, Geburtsdatum und Geschlecht.

Die Anfragen bearbeiten ausschließlich Computer ohne menschliches Zutun. Diese automatisierte Datenverarbeitung soll „Medienbrüche und menschliche Fehler“ wie etwa Tippfehler vermeiden. Vorgesehen ist ein zentraler Router für Anfragen im Rahmen des EPRIS. Der Datenverkehr erfolgt dabei über das „Operationsnetz“ bei der Polizeiagentur Europol in Den Haag, das Strafverfolgungsbehörden in allen EU-Mitgliedstaaten sowie Nicht-EU-Ländern miteinander verbindet.

„No-Hit“-Ergebnisse angeblich sehr zuverlässig

Erste Suchbewegungen für ein europaweites Abfragesystem erfolgten ab 2007 durch Behörden aus Frankreich und Deutschland. Damals war noch nicht davon die Rede, dass dieses für Ermittlungsakten genutzt werden könnte. Stattdessen stand anfangs nur der automatisierte Datenaustausch im Fokus.

2016 kam es dann laut der BKA-Präsentation zu „ersten Gesprächen“ über einen Austausch von Polizeidaten und zur Entscheidung, dafür mit dem Fraunhofer-Institut zusammenzuarbeiten. Ab 2020 leitete das BKA dann das erste Pilotprojekt.

Darin haben die Beteiligten auch die Trefferquote erprobt. Demnach seien „No-Hit“-Ergebnisse absolut zuverlässig gewesen. Aber nur ein Viertel aller Treffer enthielt tatsächlich „aussagekräftige Informationen“.

Start ab 2027

Der neue „EPRIS-Pilot“ startet diesen Monat und dauert bis 2024 an. Dann soll auch die EU-Gesetzgebung abgeschlossen sein. Laut BKA soll das neue Austauschsystem dann 2027 starten.

Wie schon beim europäischen Fluggastdatensystem greifen die Mitgliedstaaten dem notwendigen Gesetzgebungsprozess vor, indem sie eine technische Lösung entwickeln und damit vollendete Tatsachen schaffen.

Denn noch ist völlig unklar, ob das EPRIS überhaupt wie vorgesehen beschlossen wird. Erst nachdem die Mitgliedstaaten im Rat im Juni ihre erste Position zu dem Vorschlag der Kommission festgelegt haben, befasst sich das Parlament damit.

3 Ergänzungen

  1. „Das BKA bezeichnet das ADEP-System als datenschutzfreundlich, da die Abfragen pseudonymisiert werden. Möglich ist die Suche mit Familienname, Vorname, Aliasname, Geburtsdatum und Geschlecht.“
    Was wird pseudonymisiert? Der Typ am Rechner?

    Das klingt nach GAU, also ich frage grob an und bekomme „pseudonymisierte“ Antworten? Das wäre schon mal ein Durchgriff, ein Ausliefern, im Grunde Kontrollverlust? Vielleicht…

    Wie ist das real damit gemeint?

    1. „Das BKA bezeichnet das ADEP-System als datenschutzfreundlich, da die Abfragen pseudonymisiert werden. Möglich ist die Suche mit Familienname, Vorname, Aliasname, Geburtsdatum und Geschlecht.“
      Kann das sein, daß das BKA den Abfragevorgang pseudonymisieren will?

      „Und des Richters Beschluß ganz sonderbar sieht die Rücklichter nur des BKA.“

  2. was ist denn wenn jemand bspw völlig unschuldig festgenommen wurde und dann von diesem menschen irgendwelche akten bei der polizei liegen die längst hätten gelöscht werden müssen und trotzdem diese mit hinz und kunz geteilt wurden? wie kann der mensch dann eine restlose löschung dieser daten einfordern und das auch dann europaweit?

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